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Nierenfunktion bei Diabetes
Neues Tool zur Abschätzung der Prognose
Rund 40 Prozent der Diabetiker entwickeln eine chronische Nierenerkrankung. Ob und in welcher Geschwindigkeit die Nierenerkrankung voranschreitet, konnte bis anhin nicht vorausgesagt werden. Ein Team aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden hat nun ein Tool entwickelt, das Aussagen zur voraussichtlichen weiteren Entwicklung der glomerulären Filtrationsrate bei Diabetikern mit einer leichten bis mittelschweren Nierenfunktionsstörung (eGFR ≥ 30 ml/min/1,73 m2) erlauben soll. Ziel sei es gewesen, die Prognose auf routinemässig in der Praxis ohnehin erfasste Parameter zu stützen, so die Autoren der kürzlich publizierten Studie. Dazu gehören Alter, Geschlecht, BMI, Raucherstatus, HbA1c, Hämoglobin, Cholesterin, Blutdruck, AlbuminurieKreatinin-Verhältnis und die Einnahme von Blutzucker-, Blutdruck oder Lipid-senkenden Medikamenten. In die Studie einbezogen wurden die Daten von 4637 Typ-2-Diabetikern im Alter von 18 bis 75 Jahren mit einer leicht bis moderat eingeschränkten Nierenfunktion aus drei prospektiven, europäischen Kohortenstudien (vor der breiten Einführung der SGLT2-Hemmer). Anhand dieser Daten entwickelte und kalibrierte das Forscherteam das neue Tool. Das Prognosemodell habe sich als zuverlässig erwiesen und es sei dafür geeignet, eine Abnahme der Nierenfunktion anhand des eGFR für bis zu 5 Jahre nach dem Ausgangswert vorherzusagen, heisst es in einer Medienmitteilung. Die Früherkennung könne dazu bei-
tragen, ein dialysepflichtiges Nierenversagen zu verzögern oder zu vermeiden (1). Für die US-amerikanische Nephrologin Dr. Sarah F. Sanghavi bleibt die Frage offen, ob durch solche Tools das Risiko für das Fortschreiten einer diabetischen Nierenerkrankung tatsächlich gesenkt werde. Sie warnt vor potenziellen Nachteilen, wenn Patienten in sehr frühen Krankheitsstadien als Hochrisikopatienten klassifiziert würden. Dazu zählten eine nicht indizierte Vermeidung intravenöser Kontrastmittel, das Schüren von Ängsten sowie unnötige Abklärungen. Angesichts des breiten Konfidenzintervalls bei der Vorhersage der eGFR-Entwicklung seien Fehlinterpretationen und Missverständnisse vorprogrammiert (2). Webadaptierte Version des Prognosetools: https://www.rosenfluh.ch/qr/egfr-prognose
RBO s
Medienmitteilung der MedUni Wien vom 24. April 2023 1. Gregorich M et al.: Development and Validation of a
Prediction Model for Future Estimated Glomerular Filtration Rate in People With Type 2 Diabetes and Chronic Kidney Disease. JAMA Netw Open. 2023;6(4):e231870. 2. Sanghavi SF: Modeling Future Estimated Glomerular Filtration Rate in Patients With Diabetes-Are There Risks to Early Risk Stratification?. JAMA Netw Open. 2023;6(4):e238652.
ARS MEDICI 9 | 2023
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