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STUDIE REFERIERT
Kardiovaskuläre Prävention
Eisenmangel fördert koronare Herzkrankheiten
Ein funktioneller Eisenmangel kann mit den Jahren einem kardiovaskulären Ereignis Vorschub leisten. Das legt eine bevölkerungsbasierte Studie nahe, die Herzgesunde mit Eisenmangel während 13 Jahren nachverfolgte.
Frühere Untersuchungen zeigten, dass bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinsuffizienz ein Eisenmangel in Zusammenhang mit einem schlechteren Verlauf in Bezug auf Hospitalisierung und Tod stand. In der FAIR-HF-Studie zeigte sich dann, dass sich mit einer intravenösen Eisentherapie die Symptome, die funktionelle Kapazität sowie die Lebensqualität bei Herzinsuffizienzpatienten mit Eisenmangel verbesserten (1).
Funktioneller Eisenmangel akkurater
Ob sich ein Eisenmangel auch bei der Gesamtbevölkerung kardiovaskulär nachteilig auswirkt, war Fragestellung einer Beobachtungsstudie. Darin wurden 12 164 Personen aus 3 europäischen Populationskohorten eingeschlossen, ihr Alter lag median bei 59 Jahre, 55 Prozent waren Frauen. Beim ersten Studientermin wurden kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Rauchen, Adipositas, Diabetes und der Lipidstatus erhoben, und es wurde eine gründliche klinische Untersuchung inklusive Blutabnahme durchgeführt. Ein Eisenmangel wurde auf 2 Arten festgestellt: entweder bei einem Mangel an absolutem Eisen, das nur den Eisenspeicher (Ferritin) berücksichtigt, oder bei einem funktionellen Eisenmangel, der den Eisenspeicher (Ferritin) plus das im Blut
zirkulierende Transferrin berücksichtigt. Die funktionelle Definition mit beiden Messwerten erachtet der Studienautor als akkurater, da auch bei einem normalen Eisenspeicher zu wenig Eisen im Blut zirkulieren könne. 60 Prozent der Teilnehmer wiesen bei dieser Untersuchung einen absoluten und 64 Prozent einen funktionellen Eisenmangel auf. Die Studienteilnehmer wurden median 13,3 Jahre nachbeobachtet. Dabei interessierten die Inzidenz von koronarer Herzkrankheit (KHK), Hirnschlag, kardiovaskulärem Tod und die Gesamtmortalität. Teilnehmer mit einer KHK oder Hirnschlag in der Anamnese wurden von der Auswertung ausgeschlossen.
Mehr Ereignisse mit Eisenmangel
Während des Follow-ups von 13,3 Jahren kam es zu 2212 Todesfällen (18,2%), davon 573 (4,7%) kardiovaskulärer Ursache. 1033 Teilnehmer (8,5%) entwickelten eine KHK und 766 (6,3%) einen Hirnschlag. Hinsichtlich des Eisenstatus zeigte die Analyse bei einem funktionellen Eisenmangel, verglichen mit keinem Eisenmangel, eine Risikoerhöhung um 24 Prozent für KHK, um 26 Prozent für kardiovaskulären Tod und um 12 Prozent für die Gesamtmortalität.
Beim absoluten Eisenmangel war das
Risiko für eine KHK um 20 Prozent
erhöht, das Risiko für Mortalität da-
gegen nicht. Das Risiko für einen Hirn-
schlag war vom Eisenstatus unbeein-
flusst.
Einer Modellrechnung zufolge können
in einer Zeitspanne von 10 Jahren 5,4
Prozent aller Todesfälle, 11,7 Prozent
aller kardiovaskulären Tode und 10,7
Prozent aller neuen KHK einem funk-
tionellen Eisenmangel zugeschrieben
werden. Ohne Eisenmangel zu Beginn
würden diese Ereignisse nicht stattfin-
den, so der Studienautor.
Die Studie zeigte ausserdem, dass der
funktionelle Eisenmangel bei Personen
mittleren Alters häufig war, bei zwei
Dritteln wurde ein solcher festgestellt.
Diese Personen haben ein höheres Ri-
siko, in den nächsten 13 Jahren ein kar-
diovaskuläres Ereignis zu erleiden.
Um den Nutzen einer Eisenmangelthe-
rapie beurteilen zu können, wäre eine
randomisierte Therapiestudie bei der
Gesamtbevölkerung mit Eisenmangel
der nächste Schritt.
VH s
Referenzen: 1. Anker SD et al.: Ferric carboxymaltose in pa-
tients with heart failure and iron deficiency. N Engl J Med. 2009;361:2436–2448. 2. Schrage B et al.: Association of iron deficiency with incident cardiovascular diseases and mortality in the general population. ESC Heart Fail. 2021;8(6):4584-4592.
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ARS MEDICI 9 | 2023