Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Herzschrittmacher
Ladestationen für Elektrofahrzeuge sind keine Gefahr
Hochleistungsladestationen für Elektroautos sind für Patienten mit Herzschrittmachern oder implantierten Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) unbedenklich. Das ergab eine Studie, die von Wissenschaftlern am Deutschen Herzzentrum in München durchgeführt wurde. Studienautor Dr. Carsten Lennerz und sein Team hatten bei früheren Untersuchungen festgestellt, dass Hochleistungsladestationen für Elektroautos starke elektromagnetische Felder erzeugen, welche die Funktion von Herzschrittmachern und ICD stören könnten. Das grösste elektromagnetische Feld erstreckt sich hierbei entlang des Ladekabels. Heutige Hochleistungsladestationen haben eine Leistung von bis zu 350 kW; sie arbeiten mit Gleichstrom (DC). Ältere Ladestationen oder Ladestationen für zu Hause haben eine geringere Ladung und arbeiten mit Wechselstrom (AC). Offizielle Empfehlungen für den Gebrauch von Hochleistungsladestationen für Patienten mit Herzschrittmachern oder ICD gibt es nicht. Die Studie umfasste 130 Patienten (Durchschnittsalter 59 Jahre, 21%
Frauen). Die Tests wurden mit 4 aktuellen Elektroautomodellen durchgeführt (Porsche Taycan Turbo, Volkswagen ID.3 Pro Performance, Tesla Model 3 Performance und Audi e-tron 55 quattro). Da keines der heute im Handel befindlichen Elektroautos tatsächlich eine Leistung von 350 kW laden kann, kam zusätzlich ein vom Ladestationenanbieter IONITY bereitgestelltes Testfahrzeug zum Einsatz. Die Herzschrittmacher und ICD der Patienten waren besonders sensitiv für das Erkennen elektromagnetischer Interferenzen eingestellt. Alle Studienteilnehmer sollten möglichst mit jedem der Fahrzeuge eine Aufladung durchführen, wobei sie gebeten wurden, das Ladekabel direkt über die Schrittmacher- beziehungsweise ICD-Region zu führen. Die Funktionen der Schrittmacher und ICD wurden während der Aufladung überwacht und die Geräte danach auf Schäden an Soft- und Hardware überprüft. Insgesamt wurden 561 Ladevorgänge durchgeführt. In keinem Fall konnten die Forscher Störungen, Fehlfunktionen oder Schäden der Herzschrittmacher und ICD feststellen.
«Diese Studie wurde als Worst-Case-
Szenario konzipiert, um die Wahr-
scheinlichkeit elektromagnetischer Stö-
rungen zu maximieren. Trotzdem
fanden wir keine klinisch relevanten
elektromagnetischen Störungen und
keine Gerätefehlfunktionen bei der Ver-
wendung von Hochleistungsladegerä-
ten», so Lennerz.
Das Aufladen zu Hause mit den übli-
chen Heimladestationen sei wahr-
scheinlich auch sicher, sofern man Vor-
sichtsmassnahmen beachte und sich
zum Beispiel nicht über längere Zeit in
unmittelbarer Nähe des Ladekabels
aufhalte, fügte er hinzu. Das Risiko ei-
ner Fehlfunktion von Herzschrittma-
chern und ICD sei dann äusserst gering.
Auch das Sitzen im Auto oder das Ste-
hen neben Ladekabel oder Ladegerät sei
nicht gefährlich. Man empfehle aber,
das Ladekabel nicht direkt über dem
Herzschrittmacher oder ICD zu platzie-
ren.
RBO s
Medienmitteilung der European Society of Cardiology vom 17. April 2023 und Lennerz et al.: High-power chargers for electric vehicles: are they safe for patients with pacemakers and defibrillators? Europace. 2023;euad042; published online ahead of print, 2023 Apr 17.
252
ARS MEDICI 9 | 2023