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STUDIE REFERIERT
Sekundärprophylaxe bei Koronarerkrankung
Statine: Treat-to-target-Strategie als massgeschneiderte Therapie
Eine randomisierte Multizenterstudie bei Patienten mit bekannter Koronarerkrankung belegt, dass eine Treat-to-target-Strategie bei der LDL-Cholesterin-Senkung mit Statinen einer hochintensiven Statintherapie hinsichtlich der Verhütung kardiovaskulärer Ereignisse nicht unterlegen ist.
Journal of the American Medical Association
Bei koronarer Herzkrankheit (KHK) besteht ein hohes bis sehr hohes Risiko für kardiovaskuläre (CV-) Ereignisse. Für diese Patientengruppe wird daher eine intensive Reduktion des LDL-Cholesterins (LDL-C; LDL: low-density lipoprotein) mit Statinen empfohlen. Diese Empfehlung stützt sich auf Metaanalysen, die eine Assoziation zwischen der absoluten LDL-C-Reduktion und einer proportionalen Senkung schwerer CV-Ereignisse nachwiesen. Einige Guidelines raten zu einer hochintensiven Statintherapie, um mindestens eine Halbierung des LDL-C-Spiegels zu erzielen. Dieses Vorgehen ist einfach, da es nicht auf einen Zielwert ausgerichtet ist und keine weiteren Dosisanpassungen erfordert. Bedenken bestehen allerdings mit Blick auf die individuelle Variabilität des Ansprechens und die Langzeitanwendung hoher Statindosen. Als Alternative bietet sich ein Beginn mit mittlerer Therapieintensität und Titration bis zu einem spezifischen LDL-C-Ziel an (treat-to-target, TTT). Die randomisierte Nichtunterlegenheitsstudie an 12 Zentren in Südkorea teilte 4400 KHK-Patienten zur Hälfte in eine Gruppe mit einem LDL-C-Zielwert von 50–70 mg/dl (1,29–1,81 mmol/) oder in eine Gruppe mit hochintensiver Statintherapie (20 mg Rosuvastatin oder 40 mg Atorvastatin) ein. Der primäre Endpunkt nach 3 Jahren war zusammengesetzt aus Tod, Myokardinfarkt, Stroke oder koronarer Revaskularisation. Die Nichtunterlegenheit wurde mit einer Grenze von 3 Prozent definiert. 4341 Teilnehmer beendeten die Studie. Ihr mittleres Alter betrug 65,1 Jahre, 27,9 Prozent waren Frauen. Das Follow-up der TTTGruppe umfasste 6449 Personenjahre.
Eine mittelintensive Statintherapie war bei 43 Prozent erfolgt, eine hochintensive Statintherapie bei 54 Prozent. Der mittlere LDL-C-Wert über 3 Jahre betrug in der TTT-Gruppe 69,1 ± 17,8 mg/dl und in der Gruppe mit hochintensiver Statintherapie 68,4 ± 20,1 mg/dl. Dieser Unterschied ist nicht signifikant (p = 0,21). Der primäre Endpunkt wurde in der TTT-Gruppe von 177 (8,1%) Patienten erreicht, in der Gruppe mit hochintensiver Statintherapie waren es 190 (8,7%) Patienten. Die absolute Differenz betrug somit –0,6 Prozent (Obergrenze des 97,5%Konfidenzintervalls: 1,1%), entsprechend einem p < 0,001 für Nichtunterlegenheit. Verordnung hoher Statindosen seltener Der geringere Anteil (ca. 60 %) von Patienten mit einem LDL-C-Wert unter 70 mg/dl (1,81 mmol/l) erklärt sich aus dem relativ seltenen Einsatz von Kombinationstherapien mit Ezetimib unter hochintensiver Statintherapie, da dies im Studienprotokoll nicht explizit empfohlen wurde und zur Zeit der Studienplanung nicht in dem Masse üblich war wie heute. Obwohl die beiden Strategien zur LDLC-Senkung weit verbreitet und akzeptiert sind, waren sie hinsichtlich Effektivität und Sicherheit bisher nicht direkt verglichen worden. Vor allem bei KHK-Patienten wurde die TTT-Strategie in randomisierten Studien nicht ausreichend untersucht. Hinweise geben 2 andere Studien, TST (Treat Stroke to Target) und EMPATHY (Standard vs Intensive Statin Therapy for Hypercholesterolemic Patients With Diabetic Retinopathy), die ebenfalls LDL-C-Ziel- werte verglichen. In TST wurden LDL-C-Werte unter 70 mg/dl (1,81 mmol/l) mit einem Zielwert zwischen 90 und 110 mg/dl beziehungsweise 2,33 und 2,84 mmol/l verglichen. Unter dem niedrigeren Zielwert wurden weniger CV-Ereignisse registriert. In EMPATHY bei Patienten mit Hypercholesterinämie und diabetischer Retinopathie, aber ohne KHK-Anamnese, wurden LDL-C-Targets unter 70 mg/dl (1,81 mmol/l) mit einem Zielwert zwischen 100 und 120 mg/dl beziehungsweise 2,59 und 3,1 mmol/l verglichen. Diese Studie fand keinen Unterschied bei CV-Ereignissen, möglicherweise wegen zu geringer Unterschiede bei den LDL-C-Werten zwischen den beiden Gruppen. In der vorliegenden Studie benötigten die Patienten in der TTTGruppe weniger oft eine hochintensive Statintherapie (54% vs. 92%). Dies deutet darauf hin, dass die TTT-Strategie ein massgeschneidertes Vorgehen ist, das der individuellen Variabilität beim Therapieansprechen gut Rechnung trägt. Ausserdem wurden in der TTT-Gruppe weniger oft sekundäre Endpunkte wie neu aufgetretener Diabetes, Nierenversagen oder Laborauffälligkeiten erreicht, die mit einer hochintensiven Statinbehandlung in Zusammenhang stehen und immer wieder auch zu Therapieabbrüchen oder schlechter Adhärenz führen. HB s Quelle: Hong SJ et al.; LODESTAR Investigators: Treat-to-target or high-intensity statin in patients with coronary artery disease: a randomized clinical trial. JAMA. 2023;329(13):1078-1087. Interessenlage: Zwei der zahlreichen Autoren der referierten Studie deklarieren Forschungsgelder und Speaker-Honorare verschiedener Pharmafirmen. 246 ARS MEDICI 8 | 2023