Transkript
BERICHT
Diabetesprävention mit Antidiabetikum
Abspecken und Diabetesrisiko halbieren
Der als Antidiabetikum entwickelte GLP-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1-RA) Semaglutid senkt nicht nur den Blutzucker, sondern auch das Gewicht. Letzteres so stark, dass die Substanz nun auch direkt als Gewichtssenker bei Adipositas eingesetzt werden kann. Als Zusatznutzen halbiert sich das Risiko für Typ-2-Diabetes, wie im STEP-Studienprogramm zu sehen war.
Da ein Typ-2-Diabetes mit den inzwischen verfügbaren Therapien gut kontrolliert werden kann, richtet sich der Fokus auf die Prävention von Diabetes. Diese setzt unter anderem bei der Bekämpfung von Adipositas an, die das Diabetesrisiko um mindestens das 6-Fache erhöht. «In den Zulassungsstudien von Semaglutid erreichten die Teilnehmer eine Gewichtsreduktion von durchschnittlich über 15 Prozent, wenn sie gleichzeitig ein Progamm für gesunden Lebensstil durchliefen», sagte Dr. Timothy Garvey, Department of Nutrition Sciences, University of Alabama, Birmingham (USA), am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Stockholm. Deshalb stellt sich die Frage, ob bei diesem Ausmass an Gewichtsverlust auch Komplikationen der Adipositas, namentlich Typ-2-Diabetes, verhindert werden können. Dazu wurden Post-hoc-Daten aus den STEP-Studien 1 und 4 herangezogen, in denen 1961 und 803 adipöse oder übergewichtige Teilnehmer während 68 Wochen Semaglutid 2,4 mg s.c. erhielten (STEP 4: 20 Wochen Semaglutid, 48 Wochen randomisiert Semaglutid oder Plazebo). Zusätzlich erhielten die Teilnehmer Tipps zu Ernährung und Bewegung. Um das 10-Jahres-Risiko für Typ-2-Diabetes zu berechnen, wurde das validierte Cardiometabolic Disease Staging (CMDS) herangezogen. In der STEP-1-Studie sank das 10-Jahres-Risiko von anfänglich 18,2 Prozent auf 7,1 Prozent, bei Studienende um 61 Prozent. In der Plazebogruppe reduzierte es sich um 13 Prozent (von 17,8 auf 15,6%). Das Gewicht sank unter dem GLP-1-RA um 17 Prozent versus 3 Prozent unter Plazebo. In der STEP-4-Studie wurde die grösste Risikoreduktion in den ersten 20 Wochen beobachtet (von 20,6 auf 11,4%). Bei den Patienten, die weitere 48 Wochen unter Semaglutid standen, sank das Risiko um weitere 7,7 Prozent, während es bei jenen, die auf den Plazeboarm umgestellt wurden, um 15,4 Prozent anstieg. Das zeigt, dass die risikosenkende Wirkung nur besteht, solange die Therapie mit Semaglutid aufrechterhalten wird. Das Gewicht sank in der STEP-4-Studie in den ersten 20 Wochen um 11 Prozent, in den Wochen 20 bis 68 unter Verum um weitere 9 Prozent, während es unter Plazebo um 9 Prozent anstieg (1).
Metabolisches Syndrom rückläufig
Anhand von Daten aus der STEP-5-Studie wurde zudem post hoc der indirekte Einfluss von Semaglutid auf das metabolische Syndrom untersucht, das ebenfalls als Treiber für kardiovaskuläre Erkrankungen und Typ-2-Diabetes gilt. In der STEP-5-Studie verloren die Teilnehmer (n = 304) mit der 1-mal wöchentlichen Applikation von 2,4 mg s.c. nach 104 Wochen 15,2 Prozent ihres Gewichts versus 2,6 Prozent unter Plazebo. Die Prävalenz eines metabolischen Syndroms wurde post hoc zu 3 Messzeitpunkten evaluiert (Baseline, Woche 52 und Woche 104) und mit dem Gewichtsverlust korreliert. Ein metabolisches Syndrom bestand bei ≥ 3 NCEP-III-Kriterien (NCEP: National Cholesterol Education Program Adult Treatment Panel III criteria). Zu Beginn erfüllten 89 Teilnehmer der Semaglutidgruppe diese Kriterien und 79 Teilnehmer der Plazebogruppe. Zu den 2 weiteren Messzeitpunkten remittierten signifikant mehr Patienten aus der Verumgruppe als unter Plazebo, und signifikant weniger Patienten entwickelten unter dem Verum ein metabolisches Syndrom. In Relation mit dem erreichten Gewichtsverlust war die Remissionsrate auch bei einem Gewichtsverlust < 10 Prozent unter Verum höher als unter Plazebo. Ein Gewichtsverlust von > 10 Prozent resultierte allerdings in einer höheren Remissionsrate. Das könnte einen Hinweis darauf liefern, dass der GLP-1-RA die Progression zu einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung aufhalten könnte, wagen die Autoren einen Ausblick. Das müsse jedoch weiter untersucht werden (2). s
Valérie Herzog
Quelle: 1. Garwey TW et al.: Semaglutide 2,4 mg reduces the 10-years type 2 diabe-
tes risk in people with overweight or obesity. Abstract 562. Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 19. bis 23. September 2022 in Stockholm. 2. Batterham RL et al.: Impact of once-weekly subcutaneous semaglutide 2,4 mg on metabolic syndrome in the 2-year, randomised controlled STEP 5 trial. Abstract 498. Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 19. bis 23. September 2022 in Stockholm.
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