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Kardiologische Eingriffe
Patienten mit Zusatzversicherung bevorzugt?
Wer eine Zusatzversicherung hat, wird in der Schweiz wahrscheinlich eher invasive kardiologische Eingriffe erhalten als Patienten, welche in der Grundversicherung sind. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern an der Universität Basel und am Kantonsspital Aarau. Das Team wertete die Daten von Patienten aus, die im Rahmen geplanter Spitaleintritte von 2012 bis 2020 in der Schweiz stationär behandelt wurden. 70,1 Prozent der Patienten hatten nur eine Grundversicherung. Bei 105 159 Behandlungen handelte es sich um einen oder mehrere der folgenden kardiovaskulären Eingriffe: perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA), Verschluss des linken Vorhofohrs (LAA), Implantation eines Mitralklappenclips, Verschluss des offenen Foramen ovale (PFO), Einsetzen eines Herzschrittmachers oder Ablation bei Vorhofflimmern beziehungsweise Vorhofflattern. 64,4 Prozent der Eingriffe wurden über die Grundversicherung abgerechnet. Generell zeigte sich sowohl bei den Grundversicherten als auch bei Personen mit einer privaten Zusatzversicherung über die Studienjahre hinweg eine Zunahme der Eingriffe am Herzen, mit Ausnahme während der ersten beiden COVID-19-Wellen im Jahr 2020. Bei den Zusatzversicherten war jedoch die Wahr-
scheinlichkeit, einen kardiovaskulären Ein-
griff zu erhalten, um 11 Prozent höher als bei
grundversicherten Personen. Das entspricht
schweizweit 895 zusätzlichen Eingriffen pro
Jahr.
«Wir beobachten ein Missverhältnis in der
Behandlung der beiden Gruppen, das sich
nicht durch die Patientenmerkmale erklären
lässt», so Studienautor Dr. med. Tristan
Struja, Kantonsspital Aarau. «Unsere Daten
weisen darauf hin, dass Personen mit Zusatz-
versicherungen Behandlungen erhalten, die
sich medizinisch nur schwer rechtfertigen las-
sen und daher möglicherweise unnötig sind.»
Tatsächlich seien Personen mit einer privaten
Zusatzversicherung tendenziell besser ausge-
bildet, sie verfügten über ein höheres verfüg-
bares Einkommen, seien gesünder und wür-
den seltener in ein Spital eingewiesen als
Personen, die nur eine Grundversicherung
haben. Folglich sollten bei ihnen sogar
weniger Eingriffe notwendig sein, heisst es
in einer Medienmitteilung der Universität
Basel.
RBO s
Medienmitteilung der Universität Basel am 20. Januar 2023 und Struja T et al.: Comparison of Cardiovascular Procedure Rates in Patients With Supplementary vs Basic Insurance in Switzerland. JAMA Netw Open. 2023;6(1): e2251965.
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