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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Checkpointinhibitoren bei NSCLC
Altersabhängige Lebensverlängerung
Die Überlebensdauer der Patienten mit einem fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) ist seit der Einführung der immunologischen Checkpointinhibitoren (ICI) gewachsen. Eine Real-World-Studie in den USA zeigte nun, dass ältere NSCLC-Patienten trotz der rasanten Entwicklungen in der Onkologie weniger Monate an Lebenszeit hinzugewonnen haben als jüngere. Ausgewertet wurden die Daten von 53 719 Patienten, gut die Hälfte von ihnen männlich (52,8%), die in den USA in rund 280 Tumorkliniken behandelt wurden. 80 Prozent der Patienten wurde aus onkologischen Facharztpraxen zugewiesen, die restlichen aus universitären Zentren. Die meisten Patienten befanden sich im Stadium IV (61,9%), die anderen in den Stadien IIIB oder IIIC. Die Diagnosen wurden zwischen Januar 2011 und Dezember 2019 gestellt. Dieser Zeitraum umfasst die Ära vor Einführung der ICI in den USA (2011– 2013), deren frühe Anwendungsphase (2014–2016) sowie die Phase der seitdem etablierten breiten Anwendung von ICI bei NSCLC (2017–2019). Von 2011 bis 2019 stieg der Anteil der initial mit einer tumorspezifischen Therapie behandelten Patienten von 69 auf 77 Prozent an. Hierzu zählen nicht nur ICI, sondern auch ICI plus Chemotherapie, Tyrosinkinasehemmer und klassische Chemotherapien mit Carboplatin,
Paclitaxel und Cisplatin. Die Verordnung von ICI als initiale Therapie stieg nach deren Zulassung steil an, von 4,7 Prozent im Jahr 2015 auf 45,6 Prozent 2019. Die Verbreitung der klassischen Chemotherapie sank entsprechend von 60,2 Prozent 2011 auf 22,8 Prozent 2019. Beim Anteil der Verordnung von ICI zeigte sich kein Unterschied zwischen unterschiedlichen Altersgruppen. Ältere Patienten profitierten davon aber weniger in Bezug auf die zusätzlich gewonnene Überlebensdauer. So nahm die Wahrscheinlichkeit, die nächsten 2 Jahre mit einem hochgradigen NSCLC zu überleben, von 2011 bis 2018 für die jüngste Patientenkohorte (< 55 Jahre) von 37,7 auf 50,3 Prozent zu, während sie in der ältesten Gruppe (≥ 75 Jahre) nur von 30,6 auf 36,2 Prozent stieg. Die Anzahl zusätzlich gewonnener Lebensmonate entwickelte sich von 2011 bis 2019 wie folgt: ▲ < 55 Jahre: +4,5 Monate (von 11,5 auf 16 Monate) ▲ 55 bis 64 Jahre: +2,1 Monate (von 12,9 auf 15 Monate) ▲ 64 bis 75 Jahre: +2,1 Monate (von 11,2 auf 13,3 Monate) ▲ ≥ 75 Jahre: +1,1 Monat (von 9,1 auf 10,2 Monate). Die Autoren der Studie kommen angesichts dieser Zahlen zu dem Schluss, dass die Einführung der ICI in die Therapie von Patienten mit NSCLC zwar sehr rasch verlaufen, der damit assozi- ierte Gewinn an Lebenszeit bis anhin jedoch überschaubar sei, vor allem bei den ältesten Patienten. Nur bei jüngeren Patienten wird eine von den Fach- gesellschaften der US-amerikanischen (ASCO) und der europäischen Onko- logen (ESMO) definierte klinisch rele- vante Steigerung der Überlebenszeit erreicht. Gemäss ASCO gilt eine Ver- längerung der Überlebensdauer um mindestens 3,25 Monate bei nicht squa- mösem NSCLC und um mindestens 2,5 Monate bei squamösem NSCLC als klinisch relevant. Gemäss ESMO sind es mindestens 3 Monate, wenn die Überlebenszeit ansonsten unter 1 Jahr liegen würde. Eine Ursache für das schlechtere Ab- schneiden der älteren NSCLC-Patien- ten könnte sein, dass ihnen oft keine Chemotherapie, sondern nur ein ICI verordnet werde, schreiben die Auto- ren. Sie wollen ihre Studie aber nicht als Votum gegen eine ICI-Monotherapie verstanden wissen, denn sie weisen mehrfach ausdrücklich darauf hin, dass in ihrer Studie lediglich die Überlebens- dauer, nicht aber andere potenziell günstige Effekte der ICI für die Lebens- qualität der Betroffenen berücksichtigt wurden. RBO s Voruganti T et al.: Association Between Age and Survival Trends in Advanced Non-Small Cell Lung Cancer After Adoption of Immunotherapy. JAMA Oncol. 2023;10.1001/jamaoncol.2022.6901. 48 ARS MEDICI 3 | 2023