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Titel
Suchtmedizin – Die Preise für Hepatitis-C-Medikamente sind noch immer extrem hoch
Untertitel
Prof. Dr. med. Philip Bruggmann Arud Zentrum für Suchtmedizin, Zürich
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Rubrik
Rückblick 2022 / Ausblick 2023
Artikel-ID
62532
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RÜCKBLICK 2022/AUSBLICK 2023

Suchtmedizin
Prof. Dr. med. Philip Bruggmann Arud Zentrum für Suchtmedizin, Zürich
Die Preise für Hepatitis-C-Medikamente sind noch immer extrem hoch
Worüber haben Sie sich im vergangenen Jahr besonders gefreut?
Das war in erster Linie die Nachricht, dass virale Hepatitis B und C ins neue nationale HIV/STI-Programm (NAPS) aufgenommen werden. Dafür haben wir uns jahrelang mit viel Aufwand eingesetzt. Das ist eine entscheidende Voraussetzung, um das Ziel der Elimination dieser viralen Hepatitiden zu erreichen. Eine positive Nachricht war weiter, dass die Verschreiberlimitatio für Hepatitis-C-Medikamente aufgehoben wurde, womit es auch Hausärztinnen und -ärzten, Psychiaterinnen und Psychiatern sowie Gefängnisärztinnen und -ärzten erlaubt ist, diese hochwirksamen, aber einfach anzuwendenden Substanzen zu verschreiben. Von Hepatitis Schweiz aus konnten wir mit unserem HepCare-Projekt schon zahlreiche Kolleginnen und Kollegen bei der selbstständigen Durchführung dieser Behandlung in der hausärztlichen Praxis oder im Freiheitsentzug unterstützen (www.hepcare.ch).

Oder bevorzugen Sie mittlerweile Onlineveranstaltungen?
Ideal sind hybrid durchgeführte Veranstaltungen. Denn so kann auch eine Veranstaltung oder ein Teil davon besucht werden, bei dem eine physische Teilnahme aus Zeitgründen nicht infrage gekommen wäre. Bei Sitzungen und Besprechungen ist die Etablierung von Videomeetings ein grosser Gewinn. Aber auch hier finde ich es wichtig, dass ein Teil dieser Sitzungen physisch stattfindet und man im selben Raum sitzt.
Welche neuen Erkenntnisse und Erfahrungen des letzten Jahres waren für Ihr Fachgebiet besonders spannend?
Am INHSU-Kongress in Glasgow war ein zentrales Thema die Vereinfachung der Abläufe in der Hepatitis-C-Versorgung (simplification). Es wurden Ergebnisse von Studien gezeigt, bei denen erfolgreich am selben Tag und Ort, an denen die Hepatitis-C-Diagnose gestellt wurde, eine Therapie begonnen wurde, so zum Beispiel in Apotheken in Schottland. Das setzt voraus, dass die HCV-RNA vor Ort bestimmt werden kann. Weiter war die Demedizinalisierung des Hepatitis-C-Testens ein grosses Thema. So hat sich im angelsächsischen Raum das Dried-Blood-Spot-Sampling-Verfahren von Blutproben für die HCV-Diagnostik in vielen Settings etabliert. Dabei wird vom Personal (auch vom nicht medizinischen) kapilläres Blut auf eine Art Fliesspapier getropft, wo es trocknet. Dieses Fliesspapier kann ohne weitere Verarbeitung oder Auflagen mit normaler Post ins Labor geschickt werden, wo das Blut aus dem Fliesspapier gelöst und analysiert wird. So können sehr einfach Serologien und PCR-Untersuchungen durchgeführt werden.

Und worüber haben Sie sich geärgert?
Mich ärgert es, dass die Preise der Hepatitis-C-Medikamente noch immer so extrem hoch sind und im Zuge dieser Aufhebung der Verschreiberlimitatio nicht spürbar gesenkt werden konnten. In anderen europäischen Ländern kosten diese Medikamente nur noch einen Bruchteil dessen, was in der Schweiz dafür berappt werden muss. Diese hohen Preise werden immer wieder von Kolleginnen und Kollegen als Grund ins Feld geführt, entgegen den Guidelines nicht alle Hepatitis-C-Betroffenen zu behandeln. Mit relevanten Preissenkungen würde die Hepatitis-C-Elimination noch deutlich kosteneffizienter, als sie bereits ist, respektive das Behandeln aller Betroffenen würde rasch kostensparend.
Seit wann besuchen Sie Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen wieder vor Ort, und wie haben Sie sich zu Beginn dabei gefühlt?
Ich war bereits vor der Sommerpause an mehreren Kongressen als Referent und dann im Herbst als Teilnehmer am INHSUKongress in Glasgow. Sich wieder mit Kolleginnen und Kollegen von Angesicht zu Angesicht zu treffen und auszutauschen, war eine grosse Bereicherung und stets eine wichtige Inspiration. Es wurde mir dadurch klar, wie wichtig dieser informelle Teil der Kongresse und Veranstaltungen ist.

Welche davon könnten Diagnose und Therapie in der Hausarztpraxis künftig verändern?
Die Gesamtheit der oben beschriebenen Entwicklungen erlaubt es, eine vollständige Hepatitis-C-Versorgung in der hausärztlichen Praxis durchzuführen. Die Diagnostik ist einfach und kann im Sinne eines Reflextestings mit einer einzigen Blutentnahme durchgeführt werden. Bei der Antikörperbestellung im Labor wird der Auftrag erteilt, im positiven Fall gleich eine RNA-Bestimmung durchzuführen. Ist diese auch positiv, werden – falls nicht schon bestimmt – die Transaminasen und ein Blutbild nachbestellt. Mit diesen Werten wird der APRI-Score (https://hepatitis-schweiz.ch/fachleute/ hepatitis-c) errechnet, mit dem im besten Fall eine Leberzirrhose ausgeschlossen werden kann. Im zweiten Schritt erfolgt die Therapieverschreibung mit vorgängigem Interaktionscheck oder alternativ mit Unterstützung von HepCare. Das Resultat einer solchen Therapie ist fast immer erfreulich: Die Heilungsrate liegt bei 95 Prozent, und den geheilten Patientinnen und Patienten geht es häufig deutlich besser, weil mit der Therapie die belastenden, häufigen Symptome wie Fatigue, Gelenksschmerzen, neurokognitive Einschränkungen und rechtseitige Oberbauchbeschwerden verschwinden. s

ARS MEDICI 1+2 | 2023

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