Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Es gibt Leute, die machen aus jedem Elefanten eine Mücke.
sss
Ein neues Jahr. Die Themen und Diskussionen des alten konnten sich nur teilweise ins neue hinüberretten. Katar zum Beispiel. Das Land hat eine weltweit vermutlich milliardenschwere Tourismuswerbekampagne gestartet. Katar everywhere. Katar the Beauty. Man hat mit der Fussball-WM das Ziel erreicht. Ausser Deutschland, einigen Schweizern und vereinzelten anderen Europäern hat sich ohnehin keiner über das moderne (materiell wenigstens) Land enerviert. Und so werden auch in Zukunft in Doha (noch mehr) sportliche Topevents stattfinden und unsere Sporthelden sich ihre Millionenprämien abholen. So wie in den vergangenen Jahrzehnten schon unser Roger Federer (Sieger Katar-Open in Doha 2005, 2006 und 2011). Saudi-Arabien zieht nach – mit Ronaldo und weiteren Spitzenfussballern. Und es werden nebst Paris Saint-Germain (gehört Qatar Sports Investment) wohl weitere Clubs die Besitzer wechseln und Sportler engagieren dank fürstlicher, um nicht zu sagen emiratischer Honorierung.
sss
Ja, die Welt dreht sich weiter. Sogar der Ukrainekrieg wird in wenigen Jahren Geschichte sein. Putin sowieso. Er hat noch vor Kurzem syrische Städte zerstört. Total in Schutt und Asche gelegt. Und die Zivilisten gleich dazu. Uns im Westen hat das wenig interessiert. Doch schon, aber nicht so, dass man ernsthaft etwas dagegen unternommen hätte. Hatten wir recht damit? Immerhin: Die ersten Touristen zieht’s bereits wieder nach Palmyra und Aleppo. Kriegsgrusel und Abenteuer inklusive. Assad regiert weiter. Ebenso ist der IS – wenn auch, so ist zu befürchten, nur vorübergehend – Geschichte.
sss
Tempi passati – überall und immer schneller. Es betrifft alle. Beim Blättern in alten Zeitungen und Zeitschriften merken wir: auch uns Ärzte. Was haben wir über Pascal geschimpft und gemeckert. Pascal wie? Ja, wir haben Herrn Couchepain überlebt. So wie wir ebenfalls Herrn Berset und des BAG unverständliche bis inkompetente Politik überleben werden. Vielleicht weniger gut als theoretisch möglich. Aber das ist ohnehin immer so. Wir wissen – wie in der Weltpolitik – nur nie so genau, ob das rasende Tempo der Veränderungen eher nach Resignation rufen oder uns eher Hoffnung machen sollte.
sss
Die frivole Gisela: Es gibt keine Kultur ohne Aneignung. Es gibt nur Aneignung ohne Kultur. Kann man die Diskussion endlich abschliessen?
sss
Zu Zeiten von «Grenzen des Wachstums» gab man uns nur noch wenige Jahrzehnte bis zum Ende der Energiereserven. «How dare you»-Greta gab uns 4 Jahre Zeit. Höchstens. Bis dahin müssten wir die Klimakatastrophe gestoppt haben. Das ist – es war noch vor Corona – ziemlich genau 4 Jahre her. Die Strassenkleberinnen der «last generation» sind überzeugt, wir hätten noch exakt 2 Jahre («wissenschaftlich bewiesen…»), danach folgten unweigerlich Hunger, Überflutungen, Dürren, Völkerwanderungen, Bürgerkriege und Tod. Deshalb müsste die Regierung – und zwar innert Tagen! – ein Tempolimit einführen und den ÖV subventionieren. Spinnen die Leute? Kann man so naiv sein? Hm … ja, ja, natürlich spinnen die. Etwa so wie wir seinerzeit, als wir – wir waren 18, 19, 20 – als Erste genau wussten, wie diese ungerechte Welt zu ändern wäre. Wir klebten nicht, wir sassen auf Tramschienen, blockierten das Kaiseraugster AKW-Gelände, lobten gegen jede Vernunft die
damaligen sozialistischen Gesundheitssysteme von DDR bis Albanien. Völlig naiv. Der Unterschied: Heute verzapfen die Jugendlichen ihren gut gemeinten Unsinn bei Lanz, Maischberger und Anne Will. Man könnte neidisch werden. Wir hingegen tranken algerischen Verschnittwein, rauchten Gauloises und diskutierten nächtelang – unbeachtet von den Medien. Aber egal, auch die Angehörigen der «allerletzten Generation» werden in 10 Jahren Kinder haben und in 40 Jahren auf ihre Enkel aufpassen, damit die sich wegen der dann vielleicht ewig (selbstverständlich mit grünem Strom) laufenden Klimaanlagen nicht verkühlen.
sss
Viele Linke glauben, dass Geld die Wurzel allen Übels ist. Ausser Steuergeld natürlich. Das ist die Lösung aller Probleme.
sss
Auch Onkel Hugo macht auf Nostalgie: Früher schlich man sich heimlich von zu Hause fort, um an Partys zu gehen. 50 Jahre später schleichen wir uns heimlich von Partys fort, um nach Hause zu gehen.
sss
Und das meint Walti: Faulheit ist die Mutter aller schlechten Gewohnheiten. Dennoch ist sie eine Mutter, also sollten wir sie respektieren.
Richard Altorfer
8 ARS MEDICI 1+2 | 2023