Transkript
BERICHT
Hepatitis-C-Patienten in der Hausarztpraxis
«Man kann viel mehr tun, als man denkt»
Wie sucht man Patienten mit Hepatitis C, wie findet man sie, und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? «Man kann für diese Patienten viel mehr tun, als man denkt», sagte Dr. Beat Helbling, Gastroenterologe und Hepatologe in der Gemeinschaftspraxis Gastroenterologie Bethanien, Zürich, am Jahreskongress des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) in Luzern über die heutigen Möglichkeiten, die seit diesem Jahr auch für Grundversorger zur Verfügung stehen.
In der Schweiz seien im ersten Halbjahr (Stand Juni 2022) gemäss Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) 971 Hepatitis-C-Fälle neu gemeldet worden, 8 davon akut, berichtete Helbling. Fast alle Fälle seien asymptomatisch und via Screening gefunden worden. Deshalb lohne es sich, alle Personen der Jahrgänge 1950 bis 1975 im Rahmen der allgemeinen Vorsorge, auch bei Fehlen von Hepatitiszeichen, einem Hepatitis-C-Virus-Screening zu unterziehen. Denn mit der heute verfügbaren Therapie dieser lang im Verborgenen ablaufenden Infektion kann einer Leberkrebserkrankung effizent vorgebeugt werden. Patienten mit einer Hepatitis unklarer Genese sollten ebenfalls gescreent werden, ebenso jene mit erhöhten Transaminasen sowie Personen mit Migrationshintergrund sowie alle, die südlich und östlich des Gotthards geboren seien, so Helbling. Zugehörige einer Risikogruppe sollten zudem in regelmässigen Abständen getestet werden.
Hepatitis-C-Therapie ist einfach geworden
Mit den oralen DAA (direct antiviral agents) kann die Produktion der Hepatitis-C-Virusproteine gezielt blockiert werden. Die Therapie sei zu > 96 Prozent wirksam und habe kaum Nebenwirkungen, auf mögliche Interaktionen sollte allerdings geachtet werden, so Helbling. Seit Januar 2022 dürfen alle Hausärzte eine Hepatitis-C-Therapie mit Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) oder Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) durchführen. Bei Patienten ohne Leberzirrhose dauert die Therapie für alle Genotypen mit Glecaprevir/
KURZ & BÜNDIG
� Nach Hepatitis C im Labor oder in alten Praxisakten suchen.
� Die Hepatitis-C-Therapie ist einfach.
� Die Therapie kann und darf vom Hausarzt durchgeführt werden.
Pibrentasvir (3 Tabletten 1-mal/Tag mit dem Frühstück) 8 Wochen. Patienten, die beispielsweise nicht frühstückten oder weniger tägliche Tabletten vorzögen, seien mit Sofosbuvir/Velpatasvir 1 Tablette/Tag während 12 Wochen gut behandelt, so Helbling. Bei Patienten mit Zirrhose (Child A) soll mit Glecaprevir/Pibrentasvir 8 bis 12 Wochen therapiert werden, die Dauer mit Sofosbuvir/Velpatasvir bleibt in der Regel gleich (12 Wochen). Für Patienten mit einer Child-B-Zirrhose ist nur eine Therapie mit Sofosbuvir/Velpatasvir möglich. Liegt eine Niereninsuffizienz vor oder handelt es sich um Männer, die Sex mit Männern haben und eine HIV-Präexpositionsprophylaxe durchführen, ist nur eine Therapie mit Glecaprevir/Pibrentasvir möglich. Nach einer erfolgreichen Therapie bleiben die Antikörper positiv und die Virus-RNA negativ. Sollte die Behandlung keine ausreichende Heilung erzeugen, kommt die Tripeltherapie Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir (Vosevi®) zum Einsatz. Der Preis für beide Therapien (Maviret® oder Epclusa®) ist letztlich gleich hoch (30 000 Franken), auch wenn unterschiedlich viele Packungen dafür benötigt werden. Die Einholung einer Kostengutsprache sei nicht mehr notwendig, aber bei diesem Betrag dennoch empfehlenswert, rät Helbling. Unterstützung können die HepCare-Spezialisten (Link) leisten, wenn es diese braucht.
Welche Patienten soll der Hausarzt selbst therapieren?
Patienten ohne Zirrhose seien unkompliziert zu behandeln, so Helbling. Zur Vorbereitung einer Therapie kann eine Checkliste heruntergeladen werden (Link), die auflistet, welche Werte bestimmt werden sollten. Anhand der Transaminasen- und Thrombozytenwerte lässt sich mit dem APRIScore, der mit dem entsprechenden Rechner auf www. hepcare.ch einfach bestimmt werden kann, das Vorliegen einer Zirrhose abschätzen. Bei einem Score von > 0,5 sollte eine Elastografie durchgeführt werden. Stellt sich heraus, dass ein Leberschaden vorliegt, sollte der Patient zum Spezialisten überwiesen werden.
ARS MEDICI 24 | 2022
755
BERICHT
Wann braucht es welchen Test?
• Antikörpertest: Antikörpersuchtest mit Serum, Plasma oder Kapillarblut aus der Fingerkuppe bei Verdacht auf eine bestehende Infektion. HCV-Antikörper sind 6 bis 9 Wochen nach einer Ansteckung detektierbar.
• PCR-Test (Antigen bzw. Virus-RNA): – bei positivem Antikörpertest – zum Screening bei akuter Infektion/HCV-Exposition – zum Ausschluss einer Reinfektion bei Behandelten mit Expositionsfaktoren (z. B. Drogen)
Quelle: hepatitis-schweiz.ch
Behandelbarkeit sowie Aufwand und Ertrag eines Tests und einer allfällig folgenden Therapie plausibilisiert würden. So sei niemand von vornherein stigmatisiert. Auf diese Weise habe er einige Hepatitis-C-Fälle finden und behandeln können. Anders verhält es sich im Arbeitsbereich der Haus- und Gefängnisärztin Dr. Christa Geissmann, Glarus. In dieser Institution werden systematisch alle Insassen, die länger als 3 Tage einsitzen, auf HIV sowie auf Hepatitis B und C mittels Schnelltest mit Kapillarblut oder Speichel gescreent. Weil nicht immer bekannt ist, wie lange der Häftling einsitzt, beginnt Geissmann die Hepatitis-C-Therapie möglichst früh, um den Patienten bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung heilen zu können. Die Akzeptanz für eine Testung sei nicht immer gleich hoch, manchmal überwiege die Skepsis gegenüber der Notwendigkeit einer Therapie.
Hepatitis B
Im ersten Halbjahr 2022 wurden 1091 Hepatitis-B-Fälle gemeldet (Stand Juni 2022). Gemäss Helbling hatten 80 Prozent der Personen einen Migrationshintergrund. Wer südlich und östlich des Gotthards geboren ist, sollte auf Hepatitis B getestet werden, so der Rat von Helbling. Um herauszufinden, ob der Patient mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert (akut oder chronisch) ist, muss ein Antigentest (S-Antigen) durchgeführt werden. Ein Anti-Hbs-Antikörpertest zeigt dagegen an, ob jemand Antikörper aufweist beziehungsweise die Erkrankung durchgemacht hat oder geimpft ist. Ein Test auf Anti-Hbc-Antikörper zeigt bei einem Status nach Hepatitis B oder bei einer chronischen Hepatitis B positiv an. Die HBVDNA ist bei einer chronischen Hepatitis B ebenfalls positiv. Eine Hepatitis B lässt sich durch Impfung verhindern. Viele Erwachsene in der Schweiz sind nicht gegen Hepatitis B geimpft, weil die flächendeckende Impfung der Kinder noch nicht so lange durchgeführt wird.
Erfahrungen aus einer Landarztpraxis und einem Gefängnis
Die Akzeptanz der Patienten der Jahrgänge 1950 bis 1975 für einen einmaligen Screeningtest sei sehr hoch, berichtet Grundversorger und Landarzt Dr. Christian Wenk aus seiner Praxis, sofern die Gründe dafür wie Inzidenz, Dunkelziffer,
Ablauf in der Hausarztpraxis bei positivem
HCV-PCR-Test
Für die Hausarztpraxis empfiehlt sich gemäss den Erfahrun-
gen von Wenk folgendes Vorgehen:
1. Bestimmung der HCV-RNA zum Nachweis einer aktiven
Infektion. Falls positiv, dann:
2. Information an Patient und Besprechung des weiteren
Vorgehens
3. Ergänzende (Labor-)Diagnostik gemäss HepCare-Formu-
lar lar (siehe Link unten)
4. Weiteres Vorgehen:
a. APRI-Score < 0,5: Rezeptierung von Maviret® oder Epclusa® und Therapiebegleitung durch Hausarzt b. APRI-Score > 0,5: Meldung an Spezialisten aus dem Hep-
Care-Pool via Formular, aktenkonsiliarische Beurteilung
und ggf. ergänzende Abklärungen (Elastografie), Rezep-
tierung und Therapiebegleitung durch Spezialisten
5. Labor (Blutbild, Transaminasen, Kreatinin, HCV-RNA)
2 Wochen nach Therapiestart
6. Erfolgskontrolle (HCV-RNA) 12 Wochen nach Therapie-
ende
7. Nachsorge und Screening hinsichtlich eines hepatozellu-
lären Karzinoms abhängig vom Leberstatus.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Hepatitis-C-Therapie duch den Grundversorger», Jahreskongress des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM), 30. Juni bis 1. Juli 2022 in Luzern.
Nützliche Links
Checkliste für Grundversorger zur Hepatitis-C-Therapie rosenfluh.ch/qr/hcvcheckliste
Hepatitis Schweiz rosenfluh.ch/qr/hepatitisschweiz
756
ARS MEDICI 24 | 2022