Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Mut bedeutet zu wissen, dass das, was man tut, problematisch sein oder schmerzen kann – und man tut es trotzdem. Doch leider: Dummheit bedeutet oft exakt das Gleiche. Das macht das Leben so schwierig.
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Die frivole Gisela, gebannt vom wolkenlosen Sternenhimmel: «Es ist bestimmt kein Zufall, dass alle Teleskope, die nach intelligentem Leben Ausschau halten, von der Erde weggerichtet sind.»
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Es gibt immer Überbeflissene und Schulmeisterliche, die unsere Probleme – von Abfallmanagement über Migration bis Energiesparen – rigoroser und kompromissloser lösen möchten als der pragmatische Durchschnitt der Bevölkerung. Energiespartipps etwa finden diese humorlosen Eiferer nie witzig (obschon sie’s oft sind – etwa der Rat, unter der Dusche zu singen, weil man dann kaltes Wasser besser erträgt). Die Empfehlung für maximal 19 Grad in der Stube meinen sie so ernst, dass einem bei den gewohnten 23 Grad aus schlechtem Gewissen leicht trümmlig wird und man sich nicht wundern würde, wenn ein resoluter Nachbar die Polizei avisierte, weil er jemanden beim Fernsehen ohne Pullover und Mütze oder beim Kochen ohne Deckel auf dem Topf erwischt hat. Bad neighbour is watching you! Der Winter naht, besser man zieht die Vorhänge und stellt sich bibbernd, auch wenn man schwitzt. Die Zeiten sind so: Es wird solidarisch gefroren. Ja, auch im Auto: maximal 18 Grad!
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Stolz verkündet im Radio ein Konzernsprecher, aus Gründen der Gleichberechtigung erhalte in Zukunft bei Bewerbern mit gleicher Qualifikation jeweils die Frau den Vorzug gegenüber einem Mann. Er sagt das ganz ohne Arg und ist überzeugt, dass er und seine Firma damit eine Genderungerechtigkeit beseitigen. Dem Bekannten, dem vor zwei Monaten bei der Bewerbung für eine Kaderstelle eine Frau vorgezogen wurde, kann man angesichts solcher Ankündigungen nur sagen: Lieber Geschlechtskollege, wenn du für einen Job nicht berücksichtigt wirst, obschon du beste Qualifikationen hast, weil … ja, ganz einfach, weil du einen Pimmel hast (neudeutsch: keine menstruierende Person bist), dann läuft das heutzutage unter «Gendergerechtigkeit» und nicht etwa unter Diskriminierung, wie man meinen könnte. Zeitgeist halt. Aber zu deinem Trost: Der Zeitgeist ist eine Hure.
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Sie: «Ich verlasse dich.» – Er: «Ist es, weil ich alles besser weiss?» – Sie: «Genau!» – Er: «Ich wusste es.»
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Nun fangen auch noch die Wetterfrösche an. Scheint die Sonne im Oktober ein paar Tage mehr als üblich und ist der Herbst so angenehm warm wie schon lange nicht mehr, dann erhebt sich garantiert der griesgrämig drohende Zeigefinger der Meteorologen. Ist ja gut, niemand bestreitet den Klimawandel, aber muss man gleich versuchen, den Leuten den wunderbaren Altweibersommer mieszumachen und ihnen vorzuschreiben, wie sie sich dabei fühlen sollen: schuldig und zukunftsverängstigt? Es soll inzwischen Neurotisierte geben, die sich schon bei der blossen Ansicht einer
Wetterkarte an die Brust schlagen und das Confiteor rezitieren: «Mea culpa, mea maxima culpa ...»
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Ab 2035, so will es die weit vorausblickende EU heute, dürfen in der EU keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Mutig, mutig zu glauben, 2035 stünden genügend grüner Strom für E-Autos (inklusive Lastwagen!) und ausreichend Lithium, Kupfer, Kobalt und andere gefragte Bodenschätze günstig zur Verfügung – zur Produktion von Abermillionen giftiger Batterien (die dann wieder entsorgt werden müssen). Und was, wenn 2035 – vielleicht – die Preise für Öl am Boden sind, weil niemand das Zeugs mehr will oder braucht (unwahrscheinlich, aber denkbar)? Was dann 2034 passiert, kann man sich denken: Die Automobilhersteller werden nicht nachkommen mit der Produktion der letzten Benziner und Dieselfahrzeuge, und der Occasionsmarkt für Verbrenner wird explodieren. Wetten? Die Folge nennt man «Havanna-Effekt». Wer je in Kuba war, kennt die schönen farbigen, zwar benzinfressenden, aber eben unersetzlichen Oldtimer, die man über Jahrzehnte hinweg immer wieder restauriert und neuen Verordnungen anpasst, um sie nicht verschrotten zu müssen. Nein, 2035 wird bestimmt nicht das Ende der Verbrennungsmotoren sein.
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Und das meint Walti: Wenn Sie es schaffen, sich beim Nichtstun nicht zu langweilen, dann haben Sie die Kunst des Chillens entdeckt. (Hinweis ans Autokorrekturprogramm: «des Chillens», nicht «des Schielens» …!)
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 23 | 2022