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BERICHT
Zystische Fibrose
Neue Therapien geben Zuversicht
In den vergangenen Jahren gab es in der Therapie der zystischen Fibrose sehr grosse Fortschritte. Bei dieser progredienten und unheilbaren Erkrankung ist es nun möglich, bei einem Teil der Patienten dramatische Verbesserungen zu erzielen, was ihre Lebensqualität markant verbessert. Ein Update dazu lieferte Dr. Christian Murer, Pneumologie, Leiter der Sprechstunde zystische Fibrose, Luzerner Kantonsspital, am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM).
Patienten mit zystischer Fibrose leiden unter einer vererbten Stoffwechselerkrankung, die zu defekten Chloridionenkanälen der Epithelzellmembranen und damit zu einer Erhöhung der Viskosität diverser Drüsensekrete führt. Die Erkrankung beruht auf einer Mutation des CFTR-Gens (CFTR: cystic fibrosis transmembrane regulator). In der Lunge ist deshalb die mukoziliäre Clearance gestört, sodass in den Ausführungsgängen der Drüsen ein zähflüssiges Sekret entsteht. Das führt zur Immobilität der Zilien und zur vermehrten bis zur chronischen bakteriellen Entzündung. Die Folge davon ist ein progredienter Lungenumbau mit Bronchiektasen und respiratorischer Insuffizienz. Von der zystischen Fibrose sind auch andere Organe, zum Beispiel im Gastrointestinaltrakt, betroffen, die hauptsächliche und limiterende Krankheitslast geht jedoch von der Lunge aus (1, 2). Die zystische Fibrose ist die häufigste genetische Erkrankung. In der Schweiz seien davon etwa 1000 Patienten betroffen, jede 25. Person sei asymptomatischer Träger dieser autosomal-rezessiven Mutation, so Murer. Bis vor wenigen Jahren erreichten die davon betroffenen Kinder kaum das Erwachsenenalter, was sich mit der Möglichkeit für eine Lungentransplantation etwas und mit den neuen zugelassenen Therapien dramatisch verändert hat. Heute leben mehr Erwachsene als Kinder mit dieser Krankheit. Bei jungen Patienten (< 40 Jahre) mit Bronchiektasen, Hustenauswurf und wiederholten Infektexazerbationen sollte eine zystische Fibrose abgeklärt werden. Bei Werten > 30 mmol/l im Schweisschloridtest folgt eine Bestimmung der genetischen Mutation. Diese ist im Hinblick auf die neueren Therapien mit CFTR-Modulatoren wichtig. Von den etwa 1900 bekannten Mutationen ist die F508del-Mutation in Europa am häufigsten.
Therapeutische Optionen
Am Anfang der Therapie steht die Bronchodilatation mit einem kurz wirksamen Betamimetikum. Es folgt eine antiinflammatorische und mukolytische Inhalationstherapie über einen Druckvernebler, Letzteres laut Murer mit hypertoner Kochsalzlösung (3 und 6%). Gemäss einer Studie lässt sich damit die Lungenfunktion mit der Zeit verbessern, und
die Exazerbationsrate sinkt (3). Physiotherapeutisch angeleitet, lernen die Patienten ausserdem mit A-cappella-Flattern, den Schleim durch den dabei entstehenden positiven Überdruck aus der Lunge abzuhusten.
CFTR-Modulatoren
Mit der Zulassung der modernen CFTR-Modulatoren sind in der Therapie jedoch ganz neue zusätzliche Möglichkeiten entstanden. Manche Patienten könnten damit, wie Murer berichtete, sogar wieder sportlich aktiv sein. Die Wirkungsweise der modernen CFTR-Modulatoren entspricht je nach Mutationstyp einem Korrektor, der die Falschfaltung eines Proteins verhindert (Klasse I), oder einem Potenziator, der den CFTR-Kanal offen hält (Klasse II). Es gibt 7 Klassen von Defekten, dabei sind Klasse-II-Defekte (F508del) die am häufigsten vorkommenden genetischen Anomalien, davon etwa die Hälfte homozygot, seltener sind Klasse-III-Defekte mit einer G551-Mutation. Die CFTR-Modulatoren führten bei der entsprechenden Mutation zu einem Zuwachs der Einsekundenkapazität (FEV1) und zu einer Reduktion der Exazerbationsrate, so Murer. Eine Studie zeigte für den CFTR-Modulator Ivacaftor gegenüber Plazebo eine Steigerung der FEV1 um > 10 Prozent und eine Reduktion der Exazerbationsrate von 55 Prozent. Die Patienten nahmen ausserdem an Gewicht zu (4). In britischen und amerikanischen Registern konnte weiter gezeigt werden, dass die Wirkung nach 2 bis 3 Jahren anhaltend und zum Teil sogar extrapulmonal ist (5). Das Präparat ist gegen die G551D-Mutation (Klasse II) gerichtet, die in der Schweiz jedoch gemäss Murer nur wenige Patienten aufweisen. In einer australischen Studie mit Kindern war zudem eine Erholung der exokrinen Pankreasfunktion bei einem Viertel von ihnen zu sehen (6). Diese Kinder hätten in der Folge nicht mehr mit Pankreasenzymen behandelt werden müssen, so Murer. Für Patienten mit der in der Schweiz am häufigsten vorkommenden homozygoten phe508del-Mutation gibt es ebenfalls CFTR-Modulatoren. Zum einen die Kombination von Lumacaftor und Ivacaftor, die einen FEV1-Anstieg von 2,6 bis 4 Prozent und eine Reduktion der Exazerbationsrate von 35 Prozent bewirkt (7), zum anderen die Kombination von Tezacaftor und Ivacaftor, mit der eine FEV1-Zunahme von
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4 Prozent und eine Verringerung der Exazerbationsrate um 35 Prozent sowie weniger respiratorische Ereignissen erreicht werden (8). Von der Kombination Tezacaftor/Ivacaftor profitierten auch Patienten mit einer fortgeschrittenen Lungenerkrankung (FEV1 < 40%) (8), die sonst von Studien meist ausgeschlossen seien, so Murer. Wichtig sei es deshalb, dass man habe zeigen können, dass diese Patienten die Medikation tolerierten, sich ihre Lungenfunktion stabilisiert habe und es zu weniger schweren Exazerbationen gekommen sei. Manche der damit behandelten Patienten können laut Murer sogar von der Warteliste für eine Lungentransplantation genommen werden. Tripeltherapie bei heterozygoter Mutation Eine weitere Patientengruppe ist jene mit einer heterozygoten F508del-Mutation. Bei diesen bewirkte die Dreierkombination (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) in einer Studie einen Anstieg der FEV1 um 14,3 Prozent und eine Reduktion der Exazerbationsrate um 63 Prozent (9). Die Dreierkombination (Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor) hat entsprechend eine Verbesserung der FEV1 bei Patienten mit homozygoter F508del-Mutation gezeigt, die bereits unter einer dualen Modulatortherapie standen (Tezacaftor/Ivacaftor). Die Therapie wird in der Regel gut toleriert, Nebenwirkungen sind vor allem gastrointestinaler Natur. Die Patienten berichten über einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität, primär aufgrund der Verbesserung der Lungenfunktion und der damit verbesserten Leistungsfähigkeit, aber auch über die Abnahme der Exazerbationen und der damit verbundenen Hospitalisationsbedürftigkeit. s Valérie Herzog Quelle: «Zystische Fibrose – neue Therapien». Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin, 1. bis 3. Juni 2022, in Lausanne. Referenzen: 1. Boucher RC: Airway surface dehydration in cystic fibrosis: pathogenesis and therapy. Annu Rev Med. 2007;58:157-170. 2. Huber LC et al.: Non-CF-Bronchiektasen: Diagnostik und Therapie. Dtsch Med Wochenschr. 2014;139(34-35):1714-1720. 3. Elkins MR et al.: A controlled trial of long-term inhaled hypertonic saline in patients with cystic fibrosis. N Engl J Med. 2006;354(3):229-240. 4. Ramsey BW et al.: A CFTR potentiator in patients with cystic fibrosis and the G551D mutation. N Engl J Med. 2011;365(18):1663-1672. 5. Bessonova L et al.: Data from the US and UK cystic fibrosis registries support disease modification by CFTR modulation with ivacaftor. Thorax. 2018;73(8):731-740. 6. Davies JC et al.: Safety, pharmacokinetics, and pharmacodynamics of ivacaftor in patients aged 2–5 years with cystic fibrosis and a CFTR gating mutation (KIWI): an open-label, single-arm study. Lancet Respir Med. 2016;4(2):107-115. 7. Wainwright CE et al.: Lumacaftor-Ivacaftor in patients with cystic fibrosis homozygous for Phe508del CFTR. N Engl J Med. 2015;373(3):220-231. 8. Taylor-Cousar JL et al.: Tezacaftor-Ivacaftor in Patients with Cystic Fibrosis Homozygous for Phe508del. N Engl J Med. 2017;377(21):2013-2023. 9. Middleton PG et al.: Elexacaftor-Tezacaftor-Ivacaftor for Cystic Fibrosis with a Single Phe508del Allele. N Engl J Med. 2019;381(19):1809-1819. ARS MEDICI 22 | 2022 661