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BERICHT
Phytotherapie für die Psyche
Tees und Tinkturen für Kinder und Jugendliche
Zur Behandlung bei psychischen Problemen im Kindes- und Jugendalter gibt es pflanzliche Optionen. An einem Workshop wurden sie von Dr. sc. nat. Beatrix Falch, ZHAW, und Dr. med. Christina Bräker, Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie Gossau, vorgestellt.
Eines vorweg: «Das Kind macht nichts ohne Grund», betonte Beatrix Falch. So unangemessen ein Verhalten auch scheinen möge, es gebe immer einen Grund dafür, und nach diesem müsse man suchen, betonte die Referentin. Schuldzuweisungen seien dabei auf jeden Fall zu vermeiden: «Die Eltern sind so, wie sie sind, und die Schulkameraden auch. Darauf muss man sich einrichten.» Um typische psychische Probleme im Kindesalter wie Schlafstörungen, Nervosität und Zappeligkeit oder Ängste, Antriebslosigkeit und das Vermeiden sozialer Kontakte in den Griff zu bekommen, brauche es selbstverständlich eine multimodale Therapie – und einer der Bausteine könne die Phytotherapie sein, sagte Falch. Zu den Arzneipflanzen mit positiven Effekten auf die Psyche zählen Baldrian, Eschscholzia, Hafer, Hopfen, Johanniskraut, Lavendel, Melisse, Orangenblüten und Passionsblume. Sie sind als Tee oder Tinktur und einige auch als Fertigpräparat verfügbar. Bei den Tinkturen stiftet zuweilen deren Bezeichnung als «homöopathische Arzneimittel» Verwirrung. Diese Bezeich-
Linktipps
Ätherische Öle für Kinder https://www.rosenfluh.ch/qr/oele
Phytotherapeutische Dosierungen für Kinder https://www.rosenfluh.ch/qr/phyto-kinder
Phytopräparate in der SL https://www.rosenfluh.ch/qr/phyto-sl
nung besagt, dass bei der Herstellung der Tinktur die Vorschriften des homöopathischen Arzneibuchs befolgt wurden, was sie zu einer sogenannten Urtinktur macht, wie sie beim Verdünnen in der Homöopathie verwendet wird. Die Herstellung von Urtinkturen als homöopathische Arzneimittel erspart den Herstellern ein aufwendiges Zulassungsverfahren. Als Arzneimittel ohne Indikation können sie im Meldeverfahren zugelassen werden. Das spart Kosten, sodass fast nur noch homöopathische (Ur-)Tinkturen angeboten werden. Hierbei handelt es sich aber nicht um extrem hoch verdünnte, sondern in der Tat um wirkstoffhaltige Pflanzenextrakte. Urtinkturen und deren Mischungen sowie einigte Tinkturen werden auf Verschreibung von der Grundversicherung übernommen.
Nervosität und Schlafprobleme
Als äusserliche Therapie wurde am Workshop Lavendelblütenöl (Lavandulae flos) als Duftkissen, Bad, kalte Inhalation, Kompresse oder Massageöl empfohlen. Bei der Anwendung als Kompresse oder Massageöl komme überdies der wichtige Aspekt der Zuwendung ins Spiel. Ebenfalls empfehlenswert seien Duftkissen, die mit den ätherischen Ölen des Hopfenzapfens oder der Arve betropft wurden. Auch eine Mischung aus ätherischen Ölen mit Mandarine, Eukalyptus, Lavendel und Anis hat sich bei Schlafstörungen bewährt (1). Man kann sie als Raumspray verwenden oder 10 Tropfen auf ein Tuch geben und es ans Kopfende des Bettes legen; ein solch duftendes Tuch kann man auch tagsüber zur Beruhigung mitnehmen. Lavendelblütenöl ist übrigens das einzige ätherische Öl, das man pur auf die Haut auftragen kann, alle anderen muss man verdünnen. Auf der Homepage der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie befindet sich eine Liste, die Auskunft darüber gibt, welche ätherischen Öle in welchem Alter anwendbar sind (siehe Linktipps). Zur innerlichen Anwendung bieten sich verschiedene Teemischungen an. Als Magistralrezeptur werden sie von der Grundversicherung bezahlt (Rezepte für Tees gegen Unruhe und Schlaflosigkeit siehe Literatur [1, 2]). Zur Anwendung bei Unruhe und Schlaflosigkeit sind mehrere Fertigpräparate für Kinder verfügbar. Dazu gehören ein
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Präparat aus Passionsblumenkraut (A. Vogel Entspannungstropfen) und eines aus Haferkraut (Avenaforce®), beide sind für Kinder ab 3 Jahren zugelassen. Des Weiteren gibt es eine ganze Reihe von Kombinationspräparaten, die mehrere Heilpflanzenextrakte enthalten und für Kinder ab 6 Jahren zugelassen sind (Baldriparan®, Dormiplant®, Redormin®, Relaxane®, Soporin®). Christina Bräker wies darauf hin, dass sie in der Praxis gute Erfahrung damit gemacht habe, Phytopharmaka wie Redormin® bei Jugendlichen mit schweren Schlafstörungen als Add-on mit schulmedizinischen Schlafmitteln oder Melatonin zu kombinieren.
Angst und depressive Verstimmungen
Als hilfreiche Heilpflanzen bei Ängsten nannte Falch wiederum das Passionsblumenkraut, den Hopfenzapfen und die Lavendelblüten. Das Lavendelblütenölpräparat Lasea® ist zwar erst ab 18 Jahren zugelassen, aber man könne es bei Jugendlichen ab 16 Jahren off-label versuchen, sagte die Referentin. Ab 12 Jahren zugelassen ist Baldriparan® «Für die Nacht», ab 6 Jahren Dormiplant®. Neben diesen, auch bei Nervosität und Schlafstörungen geeigneten Phytopharmaka nannte Falch bei Angstzuständen Hibiskusblüten sowie Kamille. Letztere wirke in gewisser Weise zudem beruhigend, aber vor allem krampflösend. Für mehr Gelassenheit könne insbesondere Bryophyllum sorgen, sagte Falch. Es wirke beruhigend und sei aus Erfahrung
gut dafür geeignet, das Einschlafen zu erleichtern. In ihrer
Praxis gebe sie Kindern mit ADHS Bryophyllum conchae
(Bryophyllumpulver mit Muschelkalk), wenn die Eltern eine
Medikation mit Methylphenidat ablehnten, fügte Bräker
hinzu.
Als erste Wahl bei depressiven Verstimmungen wurde der
Klassiker Johanniskraut (Rebalance®, Remotiv®) empfohlen.
Die beiden genannten Produkte sind ab 6 Jahren zugelassen.
Für jüngere Kinder könne man auf die Urtinkturen von Ceres
zurückgreifen, sagte Falch.
Neben Johanniskraut wurden am Workshop für Kinder und
Jugendliche mit depressiven Verstimmungen als weitere Op-
tionen Baldriankraut, Hopfenzapfen, Anisfrüchte, Schafgar-
benkraut (v. a. für menstruierende Mädchen) und Safran ge-
nannt.
s
Renate Bonifer
Quelle: Workshop «Phytotherapie» von Dr. Beatrix Falch und Dr. med. Christina Bräker an der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie am 2. Juni 2022.
Literatur: 1. Falch B: Phytotherapie gegen Unruhe und Schlafstörungen. PÄDIATRIE.
2020;27(3):16-19. 2. Bühring U, Ell-Beiser H, Girsch M: Heilpflanzen in der Kinderheilkunde.
Das Praxis-Lehrbuch. 2., unveränderte Auflage 2013, 448 Seiten, 212 Abbildungen, gebunden oder als E-Book. Verlag Karl F. Haug, Stuttgart, 2013. ISBN 9783830477174.
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