Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Schmunzelnder Alt-68er: Bei uns im Ort wurde der Bäcker verhaftet. Wegen Drogenhandels. Das ist doch unglaublich. Da glaubst du, die Menschen zu kennen, und dann so was. Ich war 5 Jahre lang sein Kunde und hatte keine Ahnung, dass er Bäcker ist.
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Vielleicht hat der gute Bekannte ja recht und er ist gar nicht so lustig, der Meinungsterror der Woken und politisch Korrekten. Wir – 90 Prozent der Bevölkerung – lachen über das Winnetou«Verbot» und die N-, F-, Z-. M- und neuerdings I-Wort-Manie (zur Erklärung: Neger, Fuck, Zigeuner, Mohr, Indianer), aber einigen ist das Lachen vergangen. Telefonat eines Freundes mit einem Uni-Professor in den USA. Die neuen Regeln an dessen Uni für den Umgang mit Studenten könnten grotesker nicht sein. Die Aufforderung aufzustehen wurde untersagt – es könnten Rollstuhlfahrer unter ihnen sein. Die Aufforderung zu klatschen – untersagt, es könnte Studenten mit gelähmtem Arm diskriminieren. Die Begrüssung «meine Damen und Herren» – untersagt (wie im Flugzeug übrigens schon länger), man könnte Angehörige irgendwelcher anderer Geschlechter beleidigen. Wir finden das köstlich dümmlich und staunen darüber, wie immun manche gegen Lächerlichkeit sind, andere aber müssen die Konsequenzen tragen. Auch Uni-Dozenten wie die Philosophieprofessorin Kathleen Stock, die bloss «behauptete», das Geschlecht sei biologisch bedingt, verlieren deswegen ihre Stelle. Nein, lustig ist das längst nicht mehr.
würdiges Wetter dieses Jahr. Viel Sonne, so richtig heiss und trocken – selten so einen schönen Sommer erlebt. Nur die Gletscher schwitzten und schrumpften. Aber tja, nun, so ist das Gletscherleben, sicher kommen wieder bessere Jahrhunderte. Nun regnet’s ja, wenn auch zu wenig, und bald wird’s wieder kühler oder gar kalt. Ist das wirklich alles verrückt: die Aussicht auf einen Mangel an Strom, Öl und Gas, kalte Heizkörper und stillstehende E-Autos? Dazu steigende Preise für Essen, Ferien, Benzin und – es würde einen nicht wundern – Klopapier. Wie sehen oder sähen unsere Eltern das? Lockerer? Schliesslich erlebten sie Suez- und Kubakrise, hamsterten Reis, Teigwaren, Zucker, Öl, Salz und Wasser. Kannten weder Smartphone noch Computer, Tiefkühler, E-Auto, Mixer, Kaffeemaschine oder Netflix. Der Lohn reichte grad für ein neues Velo, und in den Ferien ging’s höchstens bis Jesolo. Was uns heute als verrückt erscheint, war für sie normal. Ist also vielleicht gar nicht unsere Welt, sondern sind unsere Ansprüche an diese Welt mit bald 9 Milliarden Menschen ver- oder entrückt? Gute Löhne, medizinische Spitzenversorgung, Unterhaltung jederzeit, technische Hilfen im Haushalt, Fernreisen – noch vor 50 Jahren ging’s ohne all das. So gesehen: beruhigend. Der nächste Winter kann kommen, er wird ein ganz normaler sein.
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Onkel Hugo wehrt sich vehement: Ich bin kein Messi. Ich bin ein «Sammler ohne festgelegtes Themengebiet».
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windungen des Hirns. Da war doch was. Richtig. Wir haben zusammen gesungen. Oder Gitarre gespielt? Irgendwas Peinliches möglicherweise … Und man gräbt und hirnt …. Erinnerungsfetzen flattern vorüber, eine Melodie setzt sich fest, eine zweite, Bilder von fröhlichen Zuschauern in einer Beiz. War’s nicht im …? Genau, in der Alternativbeiz, die inzwischen zur Pizzeria umfunktioniert wurde. Nur die Namen sind weg. So ziemlich alle. Sangen und pantomimten wir wirklich «Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt»? Muss so gewesen sein, denn die drei Strophen sind innert Sekunden präsent. Und auch Gerd Böttchers «Für Gabi tu‘ ich alles» (für Ahnungslose: das Original stammt aus dem Jahr 1962, in den 80ern feierten 60er-Schnulzen ein Revival) geht fast auswendig über die stummen Lippen. Fotos oder Audios gibt’s leider nicht von diesem Event – ist vielleicht auch besser so. Dennoch schade, dass es behandlungsbedürftige Bresten braucht, um scheinbar unvergesslichen Abenden und ehedem vertrauten Gesichtern zu einem Revival zu verhelfen. Vielleicht sollte man häufiger in die Physio.
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70 Jahre Zebrastreifen. Das amtsdeutsch «Dickstrichkette» genannte Verkehrszeichen wurde 1952 in Hamburg erfunden. Der Name ist ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben von «Zeichen eines besonders rücksichtsvollen Autofahrers» (Zebra). Autofahrer, die vor den weissen Streifen anhielten, wurden mit einer Plakette belohnt – klar, mit einem Zebra drauf.
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Es sagt der Wespenmann zur Wespenfrau: Alle Menschen sind bestechlich.
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Wir leben in einer verrückten Zeit. Echt jetzt? Gut, wir hatten etwas denk-
Eigentlich ist’s ja bio-logisch: In jungen Jahren trifft man kranke Freunde allenfalls in der Sportklinik. Wenn hingegen die Arthrosen knirschen, das krumme Dies und das schiefe Das zu schmerzen anfangen und Sehnen und Bänder löderlen, dann trifft man die alten Bekannten … klar, in der Physiotherapie. Bist du nicht …? Man kramt in den Erinnerungs-
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Und das meint Walti: Bananen auf des Gehsteigs Mitte, hemmen oft des Bürgers Schritte.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 19 | 2022