Transkript
Diagnostik
Erste Diagnose beeinflusst Zweitmeinung
Wer um eine Zweitmeinung gebeten wird, sollte diese besser in Unkenntnis der ersten Diagnose erstellen – zumindest trifft dies auf Pathologen zu, die Hautbiopsien in Bezug auf Melanome beurteilen. In einer Studie wurden 149 Pathologen jeweils 90 Proben zur Beurteilung vorgelegt und die Befunde notiert. Nachdem mindestens 1 Jahr vergangen war, legte man denselben Pathologen dieselben Proben erneut vor, aber ohne ihnen zu sagen, dass sie selbst diese bereits einmal beurteilt hatten. Für eine Reihe zufällig ausgewählter Proben informierte man sie gleichzeitig über einen vermeintlichen ersten Befund, wonach diese angeblich von einem anderen Pathologen zuvor als niedriger oder höher maligne einstuft worden seien. Bei den restlichen Proben behauptete man, dass kein Erstbefund vorliege (Kontrolle).
In der Tat liessen sich die Pathologen von den
vermeintlichen Erstbefunden beeinflussen. Im
Vergleich mit den Kontrollen (den Proben
ohne Information über einen Erstbefund)
stuften sie die Proben als höher maligne ein,
wenn das in dem Erstbefund behauptet wurde
(relatives Risiko [RR]: 1,52; 95%-Konfidenz-
intervall [KI]: 1,34–1,73) und als weniger ge-
fährlich, wenn das angeblich ein anderer Pa-
thologe zuvor zu Protokoll gegeben hatte
(RR: 1,38; 95%-KI: 1,19–1,59). Dieser Trend
traf für alle Pathologen zu, auch für diejeni-
gen, die von sich behauptet hatten, in keinster
Weise durch vorherige Diagnosen beeinfluss-
bar zu sein.
RBO s
Elmore JG et al.: Effect of Prior Diagnoses on Dermatopathologists‘ Interpretations of Melanocytic Lesions: A Randomized Controlled Trial. JAMA Dermatol. 2022;e222932.
ARS MEDICI 18 | 2022
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