Transkript
Vitamin D
Kein Frakturschutz für Gesunde
In den USA bringt es gesunden Männern ab 50 und gesunden Frauen ab 55 Jahre in Bezug auf Frakturen offenbar nichts, ihre Ernährung innert 5 Jahren mit täglich 2000 IE Vitamin D zu ergänzen. 1551 der 25 871 Studienteilnehmer (50,6% Frauen; Durchschnittsalter 67 Jahre) erlitten in dem Follow-up-Zeitraum von 5,3 Jahren eine oder mehrere Frakturen. Es gab keinen Unterschied bei der Anzahl der Frakturen zwischen der Vitamin-D- und der Plazebogruppe. Für das Frakturrisiko spielten andere Faktoren wie das Alter, das Geschlecht, die Ethnie, der BMI oder der Vitamin-D-Spiegel zu Beginn der Studie offenbar keine Rolle. Insbesondere der letzte Punkt ist erstaunlich, denn man war bis anhin davon ausgegangen, dass Personen mit einem Vitamin-D-Mangel (< 20 ng/ml) von einer Supplementation profitieren würden. In der VITAL-Studie wiesen allerdings nur relativ wenige Personen einen Vitamin-D-Mangel auf. Von rund zwei Dritteln der Teilnehmer wurden Blutproben untersucht. 12,7 Prozent von ihnen hatten einen Vitamin-D-Wert < 20 ng/ml, 32,2 Prozent einen Wert von 20 bis 30 ng/ml. Bei 1644 Probanden wurden die Werte nach 1 Jahr erneut bestimmt: Teilnehmer aus der Vitamin-DGruppe hatten dann im Durchschnitt 41,8 ng/ml Vitamin D im Serum erreicht, während sich die Werte bei den Teilnehmern aus der Plazebogruppe kaum verändert hatten (1). Für die Kommentatoren in einem begleitenden Editorial im «New England Journal» sind die neuen Resultate jedenfalls ein Grund mehr, den Vitamin-D-Spiegel in der Allge- meinbevölkerung nicht routinemässig zu be- stimmen. Supplemente könnten aber nützlich sein für Personen, bei denen ein Vitamin-D- Mangel wahrscheinlich sei, zum Beispiel bei Pflegeheimbewohnern mit geringer Sonnen- exposition oder bei Osteoporosepatienten – ob man bei ihnen den Vitamin-D-Spiegel wirklich zuvor bestimmen müsse, sei unklar, so die Autoren des Kommentars (2). Die VITAL-Studie ist eine plazebokontrol- lierte Studie in den USA, in der es primär um die Frage geht, ob infolge der Supplementie- rung mit Vitamin D (2000 IE/Tag) und/oder Omega-3-Fettsäuren (1 g/Tag) bei älteren Personen ein präventiver Effekt bezüglich Krebs und kardiovaskulärer Erkrankungen nachweisbar ist. Bis anhin sieht es nicht da- nach aus. Allenfalls in bestimmten Personen- gruppen könnte die Supplementierung viel- leicht doch nützlich sein (3, 4). RBO s 1. LeBoff MS et al. Supplemental Vitamin D and Incident Fractures in Midlife and Older Adults. N Engl J Med. 2022;387(4):299-309. 2. Cummings SR, Rosen C: VITAL Findings – A Decisive Verdict on Vitamin D Supplementation. N Engl J Med. 2022;387(4):368-370. 3. Manson JE et al.: Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease. N Engl J Med. 2019;380(1):33-44. 4. Manson JE et al.: Marine n-3 Fatty Acids and Prevention of Cardiovascular Disease and Cancer. N Engl J Med. 2019;380(1):23-32. ARS MEDICI 17 | 2022 497