Transkript
STUDIE REFERIERT
Präeklampsie bei Schwangeren
Schilddrüsenwerte im Auge behalten!
Gemäss einer Metaanalyse ist das Risiko für eine Präeklampsie bei Schwangeren mit einer subklinischen Hypothyreose höher als bei euthyreoten Schwangeren. Des Weiteren sind erhöhte und erniedrigte Werte des thyreoideastimulierenden Hormons (TSH) mit einem höheren Präeklampsierisiko verbunden.
Lancet Diabetes Endocrinology
Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft (Gestationshypertonie, Präeklampsie, Eklampsie) gehören weltweit zu den Hauptursachen für maternale, fetale und perinatale Mortalität. Eine Präeklampsie hat sich als Hauptrisikofaktor für intrauterine Wachstumsretardierung, Plazentaablösung und vorzeitige Geburt erwiesen. Zudem stellt sie einen klinisch signifikanten Risikofaktor für maternale Morbiditäten wie pulmonale Ödeme, Leberinsuffizienz, Eklampsie und kardiovaskuläre Ereignisse dar.
Schilddrüsenhormone an Blutdruckregulation beteiligt
Schilddrüsenhormone sind in die Regulierung der Plazentaentwicklung, der Endothelialfunktion und des Blutdrucks involviert. Störungen der Schilddrüsenfunktion könnten daher eine relevante Rolle bei der Entwicklung von Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft spielen. Im Rahmen eines systematischen Reviews mit Metaanalyse (1) individueller Patientendaten wurde daher nun die Verbindung zwischen Anomalien der Schilddrüsenfunktion (subklinische Hypothyreose, isolierte Hypothyroxinämie, subklinische Hyperthyreose, manifeste Hyperthyreose) und dem Risiko für die beiden primären Endpunkte Schwangerschaftshypertonie und Präeklampsie evaluiert. Die Studienpopulation umfasste zunächst 46 528 schwangere Frauen. Bei 39 826 von ihnen waren ausreichende Daten zu den Konzentrationen des TSH, des freien Thyroxins (FT4) und zum Thyreoperoxidase-(TPO-)Antikörper-Status für eine Klassifizierung entsprechend dem Schilddrüsenfunktionsstatus vorhanden.
Bei 1275 (3,2%) Schwangeren lag eine subklinische Hypothyreose vor, bei 933 (2,3%) handelte es sich um eine isolierte Hypothyroxinämie, 619 (1,6%) hatten eine subklinische, 337 (0,8%) eine manifeste Hyperthyreose. Im Vergleich zur Euthyreose war die subklinische Hypothyreose mit einem höheren Risiko für eine Präeklampsie verbunden (2,1% vs. 3,6%; Odds Ratio [OR]: 1,53; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,09–2,15). Des Weiteren zeigte sich ein höheres Risiko für den kombinierten Endpunkt aus Gestationshypertonie oder Präeklampsie (8,9% vs. 5,6%; OR: 1,45; 95%-KI: 1,14–1,85). Eine manifeste Hyperthyreose war im Vergleich zur normalen Schilddrüsenfunktion nicht mit einem erhöhten Präeklampsierisiko (2,9% vs. 2,1%; OR: 1,43; 95%-KI: 0,70–2,92), jedoch mit einem höheren Risiko für den kombinierten Endpunkt (9,3% vs. 5,6%; OR: 1,90; 95%-KI: 1,21–2,99) verbunden. Eine subklinische Hyperthyreose, eine isolierte Hypothyroxinämie oder eine TPO-Antikörper-Positivität standen nicht mit Schwangerschaftshypertonie oder Präeklampsie in Zusammenhang.
TSH-Werte im mittleren Referenzbereich optimal
In der Analyse kontinuierlicher Variablen waren erhöhte und erniedrigte TSH-Konzentrationen in einer uförmigen Verbindung mit einem erhöhten Risiko für eine Präeklampsie (p = 0,0001) und den kombinierten Endpunkt (p < 0,0001) assoziiert. Erniedrigte TSH-Werte blieben auch im Referenzbereich mit einem höheren Risiko für Präeklampsie (p = 0,0071) und den kombinierten Endpunkt (p = 0,0023) verbunden. Die FT4-Konzentration und eine TPO-Antikörper-
Positivität standen nicht mit den untersuchten Endpunkten in Zusammenhang. Nach Ansicht der Autoren könnten TSH-Werte in der Mitte des Referenzbereichs aufgrund der Ergebnisse optimale Zielwerte sein. Zudem zeige sich die Bedeutung regelmässiger Schilddrüsenfunktionstests während der Schwangerschaft. Dies gelte vor allem für Frauen unter einer Behandlung mit Levothyroxin (Eltroxin®, Euthyrox®, Tirosint®).
Kommentar
In einem Kommentar (2) weisen Wissenschaftler der Universität Messina (I) darauf hin, dass eine TPO-Antikörper-Positivität in Kombination mit hohen bis normalen TSH-Konzentrationen in anderen Studien mit nicht hypertonen Komplikationen verbunden war. Ergänzend führen sie aus, dass bei einem beträchtlichen Anteil der Frauen, bei denen eine TPO-Antikörper-Negativität festgestellt wurde, eine TPO-Antikörper-Konzentration unterhalb des vom Testhersteller definierten Grenzwerts vorhanden sein könnte, die möglicherweise die maternale Schilddrüsenfunktion beeinträchtigt. PS s
Quellen: 1. Toloza FJK et al.: Association between mater-
nal thyroid function and risk of gestational hypertension and pre-eclampsia: a systematic review and individual-participant data meta-analysis. Lancet Diabetes Endocrinol. 2022 10(4):243-252. 2. Vermiglio F, Moleti M: From preeclampsia to thyroid dysfunction: a long and winding road. Lancet Diabetes Endocrinol. 2022;10(4):232-233.
Interessenlage: 12 der 46 Autoren des referierten Reviews haben Gelder von Forschungsinstituten oder pharmazeutischen Unternehmen erhalten, bei den verbleibenden liegen keine Interessenkonflikte vor. Die Autoren des Kommentars erklären ebenfalls, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
378
ARS MEDICI 11 | 2022