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BERICHT
Haut und Haar bei pubertierenden Mädchen
Vorsicht mit der Pille!
Eine Hyperandrogenämie kann unter anderem zu Akne, Hirsutismus und Haarausfall führen. Die Verordnung eines Ovulationshemmers hilft in der Regel. Doch Vorsicht bei Mädchen in der Pubertät: Die Ovarien könnten hierbei auf Dauer lahmgelegt werden.
Die Pubertät sei eine Zeit der Veränderung, bei der die Androgene eine wichtige Rolle spielten, erklärte Univ.-Prof. Dr. Doris Gruber, Gynäkologin aus Wien. Ihre Auswirkungen beschäftigen auch Dermatologen. Die Androgene können Hirsutismus, Akne und Haarausfall induzieren und sind zudem massgeblich an der gesunden Entwicklung der späteren Fertilität junger Frauen beteiligt. Eine Hyperandrogenämie kann alle Altersgruppen betreffen, der Leidensdruck ist unterschiedlich gross. Die meisten betroffenen Frauen können sich jedoch mit den dermatologischen Folgen von Akne und/oder übermässiger Körperbehaarung nur schlecht anfreunden und wünschen sich – möglichst auf Dauer – einen pickelfreien und haarlosen Körper.
Ursachen und Symptome
Die Ursachen der Hyperandrogenämie sind vielfältig. Zu nennen sind Erkrankungen der Ovarien (polyzystisches Ovarsyndrom [PCOS]), Fehlfunktionen der Nebennierenrinde (Enzymdefekte, adrenogenitales Syndrom [AGS], Tumoren) oder ein medikamentös bedingter Hyperkortisolismus. Eine Hyperandrogenämie macht sich häufig in der Pubertät bemerkbar, kann aber auch in der Perimenopause oder in der Menopause auftreten. Selten kann einer Hyperandrogenämie ein Defekt der 3-betaHydroxysteroid-Dehydrogenase zugrunde liegen. Dieses Enzym ist für die Verstoffwechselung von Pregnenolon, 17-OH-Pregnenolon und Dehydroepiandrosteronacetat (DHEA) zuständig, weswegen diese Hormone vermehrt anfallen, wenn das Enzym verlangsamt arbeitet. Noch weniger oft kommt ein Defekt der 11-beta-Hydroxylase vor. Hierbei staut sich vor allem die Kortisolachse zurück: 11-Desoxykortikosteron und 11-Desoxykortisol fallen vermehrt an, zeitgleich erhöhen sich aber die Androgene. Klinische Symptome der Hyperandrogenämie sind: s Akne (50% bei Hyperandrogenämie) s Hirsutismus (vgl. Abbildung 1) s androgenetische Alopezie s fette Haut (Seborrhö) s beeinträchtigtes Wachstum der Mammae s Virilisierung s metabolisches Syndrom
s Adipositas/Übergewicht s Insulinresistenz s Hyperinsulinämie s morphologisch poly-/multizystische Ovarien. Differenzialdiagnostisch sind Hypertrichose, Diabetes mellitus, Galaktorrhö und Akromegalie zu bedenken. Unbehandelt kann aus einer lang bestehenden Hyperandrogenämie ein echtes internistisch zu behandelndes metabolisches Problem entstehen.
Polyzystisches Ovar
Ein PCOS geht in der Regel mit einer Hyperandrogenämie und charakteristischen morphologischen Veränderungen einher. Daher soll dieses Krankheitsbild genau diagnostiziert und ebenso differenziert behandelt werden. Mit der Diagnose PCOS sollte man bei pubertierenden Mädchen vorsichtig sein. PCO sind in diesem Alter physiologisch. Wenn man einen Teenager im Alter von 14 bis 16 Jahren mit dem Begriff PCOS konfrontiert, kann das für Verunsicherung sorgen. Diese Diagnose beinhaltet das Wort «Zyste», was sich für die Patientinnen oft dramatisch anhört, die Vorsilbe «poly» (viel) sorgt auch nicht gerade für Entspannung, was ebenso auf den Begriff «Syndrom» zutrifft. Daher sollte man besser von einem multifollikulären Ovar der Pubertät sprechen, sofern man bei der gynäkologischen Untersuchung einen vaginalen Ultraschall macht und die Eierstöcke dementsprechend imponieren. Denn zur Diagnose eines PCOS gehört mehr als nur die Veränderungen an den Ovarien. Der pubertierende Eierstock ist per se polyzystisch/multifollikulär, weil bei Beginn der Pubertät der Hypothalamus GnRH (gonadotropin-releasing hormone) ausschüttet, was die Hypophyse zur Sekretion von luteinisierendem Hormon (LH)/follikelstimulierendem Hormon (FSH) anregt. Diese beiden Impulse induzieren in den Ovarien die Androgenproduktion. Deshalb entwickelt sich bei den jungen Mädchen so häufig Akne oder Seborrhö. Die vorübergehende Hyperandrogenämie ist aber notwendig, damit der Eierstock sich gesund weiterentwickeln kann. Nur dann ist er in der Lage, in der Folge Östrogene und Jahre später das Progesteron zu bilden. Es handelt sich also um eine stufenweise Aktivierung
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Abbildung 1: Androgenetische Prädilektionsstellen von Hirsutismus
Abbildung 2: Relative antiandrogene Wirksamkeit von Gestagenen (Hershberger-Test)
der Steroidhormone. Versucht man, die Hyperandrogenämie wegen der unangenehmen Hautsymptome zu «therapieren», könnte das langfristig negative Auswirkungen auf die natürliche Entwicklung der Ovarien haben. Eine ähnliche Symptomkonstellation wie in der Pubertät (Hautsymptome, Virilisierung) zeigt sich manchmal in den Wechseljahren. Auch in dieser Lebensphase können vermehrt Zysten an den Ovarien vorkommen. Ebenso häufig sind die dermatologischen Symptome von Akne und Hirsutismus zu beklagen. Was die klinische Manifestation der Hyperandrogenämie anbelangt, gibt es mildere oder stärker ausgeprägte Phänotypen, die von externen Faktoren wie Lebensstil, Körpergewicht, Diät und körperlicher Bewegung entscheidend mitbeeinflusst werden. Die Androgen Excess & PCOS Society hat versucht, in die Nomenklatur eine Ordnung hineinzubringen, und gemäss diesem Expertengremium gibt es 4 verschiedene endokrinologische Phänotypen des PCOS:
s Typ I: Hyperandrogenämie (klinisch und laborchemisch) plus Anovulation
s Typ II: Hyperandrogenämie plus PCO im Ultraschall plus Ovulation
s Typ III: Anovulation ohne Hyperandrogenämie plus PCO im Ultraschall
s Typ IV: Hyperandrogenämie plus Anovulation plus PCO im Ultraschall.
Für alle PCO-Typen gilt, dass sich die Morphologie von der Pubertät bis zur Menopause verändern kann. Manche «Störungen» wachsen sich sogar aus. Dennoch sollte man auf jeden Fall bei Vorliegen einer Hyperandrogenämie an mögliche metabolische Spätfolgen denken, die sich langsam manifestieren können. Wie entsteht überhaupt ein PCOS? Über die Ursachen ist sich die Wissenschaft nicht einig, und es gibt noch viel Ungeklärtes. Es mehren sich die Hinweise, dass es ein sogenanntes «fetal life programming» gibt, das heisst, ein Programm, das schon im Fetus angelegt und dann in der Pubertät abgespielt (reaktiviert) wird. Auslöser könnten zum Beispiel Stresssituationen der Mutter in der Schwangerschaft sein, die sich dann endokrin, über die Kortisolachse, auf den weiblichen Feten auswirken. Des Weiteren kann es erst in der Präpubertät zu Fehlregulierungen in der Nebennierenrinde mit einer Hypersekretion der Androgene kommen. Auch die Steroidsynthese in den Ovarien kann fehlgeleitet sein. In diesem Zeitabschnitt haben sowohl Über- als auch Untergewichtigkeit ganz grossen Einfluss auf die Entwicklung eines PCOS. Weitere «Störfaktoren» können Ernährung, unzureichende körperliche Bewegung, Alkohol-/Nikotinabusus und hormonelle Irritationen (Einnahme von Ovulationshemmern) sein. Oft wird versucht, mithilfe von Ovulationshemmern (Pille usw.) die hyperandrogenämischen Erscheinungen der Haut in den Griff zu bekommen. Das gelingt auch sehr gut, aber möglicherweise unterbindet man damit die physiologische Entwicklung der hormonellen Schaltkreise, die sich gerade in der Pubertät ausbilden. Diese Unterbindung kann unmittelbar negative Auswirkungen auf die ovarielle Steroidsynthese, aber auch metabolische Auswirkungen, zum Beispiel auf den Insulinstoffwechsel und das Fettgewebe, haben. Beides zusammen kann später eine regelmässige Ovulation beeinträchtigen.
Mögliche Therapien
Als erste Massnahme würden wir bei symptomatischer Hyperandrogenämie eine Lebensstiländerung (Diät plus körperliche Aktivität) empfehlen. Die Therapie sollte aber altersund gewichtsadäquat sein. Sehr oft lässt sich mit Metformin bei pathologischem oralen Glukosetoleranztest etwas erreichen. Es verbessert die Insulinsensitivität der Leber und der peripheren Organe sowie die ovarielle Steroidgenese und wirkt antiatherogen. Eine Behandlung mit Ovulationshemmern (z. B. auf Ethinylestradiolbasis oder in Form von Antiandrogenen wie Cyproteronacetat [CPA], Chlormadinonacetat oder Dienogest) wirkt gut, was Haut und Haare anbelangt, zudem wird die Menstruation regelmässig. Was die Antiandrogene betrifft: Es gibt unterschiedliche Antiandrogene, die den Androgenrezeptor zum Teil vollständig (CPA) oder nur partiell (Chlormadinonacetat, Dienogest) blockieren (vgl. Abbildung 2).
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Aber – und das ist die Problematik – die Pille wirkt nicht nur antiandrogen, sondern sie blockiert auch die hormonellen Feedbackschleifen zum Hypothalamus und hemmt «alles», was ja primär erwünscht ist, denn sie wirkt – wie der Name es verspricht – ovulationshemmend. Gleichzeitig wird jedoch das pubertäre polyzystische/multifollikuläre Ovar ruhiggestellt und arbeitet nicht mehr. Die mögliche Folge: Wenn die Pille über 10 Jahre oder länger eingenommen und dann wegen Kinderwunsches abgesetzt wird, kann es passieren, dass die Regel ganz ausbleibt. Man nennt dieses Phänomen Post-Pillen-Amenorrhö. Im Ultraschall sieht man dann PCO, die aus der Pubertät quasi konserviert wurden, und eine zarte atrophe (d. h. über Jahre ruhiggestellte) amenorrhoische Gebärmutter. Fällt der Ovulationshemmer weg, versuchen die Eierstöcke wieder, Hormone, vorzugsweise Androgene, zu produzieren, und das PCOS ist perfekt. Die Ovarien setzten dort ihre «Arbeit» fort, wo sie einst unterbrochen/stillgelegt wurden – im hyperandrogenämischen und multifollikulären Stadium. Deshalb ist es sehr wichtig, auf das Zusammenspiel der Hormone in der Pubertät Rücksicht zu nehmen. Die hypothalamo-hypophysäre-ovarielle Achse müsse in der Pubertät innerhalb von 4 bis 6 Jahren auf die Schiene gebracht werden, damit die oben geschilderten Probleme nicht entstehen könnten, sagte Gruber warnend. Die metabolischen Folgen der Hyperandrogenämie treten oft erst dann zutage, wenn die Pille abgesetzt wird, weil dann das Ovar überschiessend reagiert.
Was ist zu tun?
Eine Hyperandrogenämie ist also insbesondere in der Puber-
tät mit Augenmass zu behandeln. Alle dermatologischen
Möglichkeiten für Haut und Haare sollten ausgeschöpft wer-
den. Bei Leidensdruck und nachgewiesener Hyperandrogen-
ämie sowie unter Bedachtnahme des oben beschriebenen
Mechanismus kann, zeitlich begrenzt, eine kombinierte Pille
eingesetzt werden:
s Ethinylestradiol (20–35 µg) plus CPA (2 mg) oder
s Chlormadinonacetat (2 mg) oder
s Dienogest (2 mg).
Alternativ kommt eine CPA-Monotherapie mit 5 bis 10 mg
(10 Tage/Monat) oder Finasterid (5 mg/Tag – off-label für die
Frau) infrage. Diese beiden Substanzen können auch topisch
verabreicht werden. Bei Kinderwunsch sollte mit Metformin/
Clomifencitrat (CC)/Antiöstrogen/Aromatasehemmer/FSH
s.c. behandelt werden. Additiv ist die Supplementierung von
Spurenelementen zu überlegen. Bei manchen Frauen ist –
wenn die Morphologie der Ovarien eindeutig ist – ein opera-
tives Vorgehen notwendig (ovarian drilling).
s
Vera Seifert
Dieser Artikel erschien zuerst in « DERMAforum» 3/2022. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin. Quelle: «Die Haut in der Pubertät unter besonderer Berücksichtigung der Hyperandrogenämie», Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Doris Gruber, Wien, an der DERM-Alpin-Tagung am 30. Oktober 2021 in Salzburg.