Transkript
BERICHT
Häufige gynäkologische Infekte
Was der Hausarzt selbst behandeln kann
Wenn Beschwerden an Vagina und Vulva wie Brennen oder Jucken auftreten, lohnt sich die Suche nach den häufigsten Infektionen. Eine Überweisung zum Gynäkologen ist dafür nicht immer nötig. Welche Infektionen das sind und wie vorzugehen ist, erklärte der Gynäkologe Dr. Alexander Markus, Stv. Chefarzt Frauenklinik, Kantonsspital St. Gallen, am FOMF Hausarztmedizin.
Wenn Frauen über dünnflüssigen, übel riechenden, grauweissen Ausfluss und Brennen in der Vagina und an der Vulva klagen, kann es sich um eine bakterielle Vaginose handeln, die durch einen Anstieg des pH-Werts in der Vagina begünstigt wird. Das sonst vor allem durch Laktobazillen sauer gehaltene Milieu wird schwächer, das Keimspektrum in der Vagina verschiebt sich vom aeroben in den anaeroben Bereich. Meist überwuchert in der Folge der physiologischerweise in geringer Anzahl vorhandene Anaerobier Gardnerella vaginalis die normale Scheidenflora. Der stark riechende Ausfluss entwickelt einen fischartigen Geruch, der stärker wird, wenn der Ausfluss alkalisch wird, zum Beispiel nach dem Geschlechtsverkehr oder während der Menstruation. 3 von 4 Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose einer bakteriellen Vaginose stellen zu können: fischartiger Geruch, grauer Ausfluss, vaginaler pH-Wert > 4,5 und Schlüsselzellen (clue cells) im Abstrich (Abbildung 1). Letztere bezeichnen Epithelzellen im Nativpräparat, die von anhaftenden Bakterien derart überwuchert sind, dass die Zellränder unscharf erscheinen. Zur Behandlung empfiehlt Markus eine systemische Therapie mit Metronidazol 4-mal 500 mg an Tag 1 und Tag 3 oder 2-mal 500 mg/Tag während 7 Tagen. Bei Schwangerschaften soll Clindamycin 3-mal 300 mg/Tag während 7 Tagen ver-
ordnet werden. Alternativ kann mit Metronidazol intravaginal 2-mal 500 mg während 5 bis 7 Tagen oder mit Clindamycin-Creme (2%) 5 g intravaginal während 5 bis 7 Tagen behandelt werden. Eine routinemässige Mitbehandlung des Sexualpartners ist bei fehlenden Symptomen nicht notwendig. Ein fischiger Geruch ohne «clue cells» und Ausfluss muss nicht antibiotisch behandelt werden. In diesem Fall handelt es sich um eine Verschiebung im Scheidenmilieu, die zum Beispiel durch eine veränderte Ernährungsweise oder durch Sauna- oder Schwimmbadbesuche ausgelöst werden kann. Laktobazillen zur Erhaltung des Scheidenmilieus sind hierfür eine gute Ergänzung. Ganz ähnliche Symptome verursacht die sexuell übertragene Trichomoniasis durch den Erreger Trichomonas vaginalis (Abbildung 2). Leitsymptom ist ein dünnflüssiger, homogener, häufig schaumiger Ausfluss mit Amingeruch, das Vaginalsekret hat einen pH-Wert > 4,5. Im Nativpräparat sind wie bei der bakteriellen Vaginose häufig «clue cells» zu sehen, im Unterschied dazu aber auch reichlich Leukozyten. Ausserdem können bewegliche, birnenförmige, begeisselte Trichomonaden unter dem Mikroskop beobachtet werden. Die Therapie besteht aus einer 1-maligen oralen Gabe von 2 g Metronidazol, eine Behandlung des Sexualpartners ist obligat.
MERKSÄTZE
� Ein vaginaler Ausfluss mit fischigem Geruch ohne «clue cells» oder pH-Wert-Verschiebung muss nicht behandelt werden.
� Bei gehäuften Candida-Infektionen sollte eine Resistenztestung durchgeführt und dann resistenzgerecht über mehrere Wochen behandelt werden.
� Eine Herpes-genitalis-Infektion kann zu einem Harnverhalt führen.
� Bei einer Bartholinitis wirkt die Antibiose nicht, und es muss eine Operation durchgeführt werden.
Pilzinfektion: Bei Rezidiven länger behandeln
Der häufigste Verursacher einer vaginalen Pilzinfektion ist Candida albicans. Drei Viertel aller Frauen haben einmal in ihrem Leben eine Candida-Infektion, etwa die Hälfte von ihnen mehrmals. Der Infekt zeigt sich durch Brennen, Juckreiz, Schmerzen und weissliche Beläge. Leitsymptom ist ein bröckeliger Ausfluss. Im Nativpräparat sind Hyphen und Pseudomyzelien zu sehen. Eine Kultur ist aber nur bei rezidivierenden Infektionen notwendig. Zur Behandlung empfiehlt der Gynäkologe die Substanzklasse der Azole, bei der ersten Therapie 1-malig Fluconazol 150 mg oral, gegebenenfalls zusätzlich eine kurzzeitige lokale Therapie mit Creme. Denn unter Fluconazol allein tritt erst nach zirka 3 bis 4 Tagen eine volle Symptombefreiung ein. Bei Patientinnen mit gehäuften Infekten ist es jedoch sinnvoll, eine Resistenztestung durchzuführen und dann über mehrere
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Abbildung 1: Schlüsselzellen (clue cells): Die Ränder der Vaginalepithelzellen sind von Bakterien überdeckt und erscheinen dadurch unscharf (Foto: Wikipedia/CDC).
Abbildung 2: Um die beiden Vaginalepithelzellen in der Mitte scharen sich begeisselte Trichomonas vaginalis (Foto: CDC).
Wochen resistenzgerecht zu therapieren, um den Pilz zu eradizieren. Bei gehäuft auftretenden Soorkolpitiden sollte zudem eine Partnertherapie durchgeführt werden.
Schmerzhafte Veränderungen
Bei einer Herpes-genitalis-Infektion (Herpes simplex Typ 2) sind die genitalen Schmerzen aufgrund der Erosionen über Tage zunehmend und die Labien geschwollen. Wegen der starken Schmerzen ist es möglich, dass die Betroffenen die Harnblase nicht mehr komplett entleeren können. Als systemische Therapie empfiehlt Markus aufgrund des einfachen Einnahmeschemas Valaciclovir 2-mal 500 mg/Tag während 5 bis 10 Tagen. Zusätzlich kann lokal eine Aciclovir-Salbe 5-mal täglich im Abstand von 4 Stunden während 5 bis 10 Tagen aufgetragen werden. Eine Erstinfektion mit Bläschen führt immer zu Beschwerden, Rezidive können dagegen asymptomatisch verlaufen. Auch eine Bartholinitis kann zu einer zumeist einseitig auftretenden, sehr schmerzhaften, geschwollenen Vulva führen. Dabei handelt es sich um eine primäre Entzündung der Bar-
tholin-Drüse, zumeist bedingt durch einen Verschluss des
Drüsenausführungsgangs, der in die Vagina mündet. Am
häufigsten wird die Bartholinitis durch Streptokokken,
Staphylokokken, E. coli und Anaerobier verursacht. Es
kommt zu einem Sekretstau mit Empyembildung und zu
einer Retentionszyste (Bartholin-Zyste). Die Therapie be-
steht aus einer chirurgischen Sanierung (Marsupialisation)
ohne nachfolgende antibiotische Therapie. Der Zystenbalg
und die Zyste werden dabei eröffnet, und ein neuer Ausfüh-
rungsgang wird gebildet. Die Patientin ist damit wieder be-
schwerdefrei. Eine primär antibiotische anstelle der chirurgi-
schen Therapie ist in diesem Fall nicht zielführend, da die
Antibiotika nicht in ausreichend hoher Konzentration in die
Drüse gelangen können.
Eine weitere sehr schmerzhafte Erkrankung ist die Adnexitis.
Bei akut auftretenden oder progredienten Unterbauch-
schmerzen bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter sollte
aber immer auch ein Schwangerschaftstest durchgeführt
werden, um eine extrauterine Gravidität (EUG) auszuschlies-
sen. Als Adnexitis (pelvic inflammatory disease, PID) wird
eine Entzündung von Eileiter, Eierstock und dem umliegen-
den Gewebe bezeichnet. Sie entsteht durch eine Infektion, die
über verschiedene Wege ablaufen kann. Am häufigsten ist die
aszendierende Infektion via Vagina, Uterus und Tuben. Prä-
disponierend dafür sind Menstruation, Intrauterinpessare,
insbesondere aus Kupfer, operative Eingriffe, Geburt und
Promiskuität. Seltener entsteht eine Adnexitis durch deszen-
dierende Infekte, die von einer Appendizitis, Peritonitis oder
einer entzündlichen Darmerkrankung ausgehen. Ebenfalls
selten ist der hämatologische Weg, zum Beispiel im Rahmen
einer Tuberkulose.
Die Adnexitis zeigt sich durch akut einsetzende, zum Teil
starke und anfänglich seitenbetonte Unterbauchschmerzen.
Fieber, Übelkeit und Erbrechen, Blutungsstörungen, vagina-
ler Ausfluss, Dysurie, Dyspareunie, Obstipation und Diarrhö
können zum Symptombild gehören.
Die Diagnose kann klinisch gestellt werden. Mit der bimanu-
ellen Untersuchung lässt sich ein starker Portioschiebe-
schmerz auslösen, der typisch für die Adnexitis ist. Im Nativ-
präparat aus Vagina oder Zervix ist eine ausgeprägte Leukor-
rhö zu sehen. Ein Anstieg der Leukozyten und/oder eine
CRP-Erhöhung können fehlen. Im Zervix- oder Urethralab-
strich sollten Chlamydien, Gonokokken und Mykoplasmen
gesucht werden. Die Therapie besteht aus oralem Doxycyclin
2-mal 100 mg/Tag während 14 Tagen, um eine chlamydien-
bedingte tubare Sterilität zu verhindern. Während der Medi-
kamenteneinnahme muss eine sexuelle Karenz eingehalten
werden. Nach 6 Wochen erfolgt ein Kontrollabstrich.
Die Sexualpartner müssen obligat mitbehandelt werden. Aus
Gründen der Compliance empfehle sich für diese eine orale
Einmaltherapie mit Azithromycin (1-mal 1 g), so der Experte
abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Häufige gynäkologische Infekte», FOMF Hausarztmedizin, 4. März 2022, virtuell.
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