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STUDIE REFERIERT
Erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft
Blutdruck auch bei leichter Hypertonie senken
In einer Vergleichsstudie mit Schwangeren mit leichter chronischer Hypertonie war eine medikamentöse Blutdrucksenkung unter 140/90 mmHg mit günstigeren Schwangerschaftsverläufen assoziiert, als wenn eine Therapie nur Fällen mit schwerer Hypertonie vorbehalten blieb.
New England Journal of Medicine
Eine antihypertensive Behandlung ist bei nicht schwangeren Patientinnen mit einem Blutdruck von 140/90 mmHg oder höher Standard. Kontrovers bleibt jedoch eine Blutdrucksenkung während der Schwangerschaft. Zwar reduzierten in älteren Studien Antihypertensiva während der Schwangerschaft schwere Blutdruckerhöhungen, konnten aber keine Verbesserung bei mütterlichen, kindlichen und neonatalen Verläufen erzielen und gingen mit einem erhöhten Risiko für untergewichtige Neugeborene einher.
Vergleich von Antihypertensiva und blosser Beobachtung
Das CHAP-Projekt (Chronic Hypertension and Pregnancy) war eine multizentrische, pragmatische, offene, randomisierte und kontrollierte Studie in den USA zur Klärung der Frage, ob eine Strategie der Blutdrucksenkung unter 140/90 mmHg die Häufigkeit ungünstiger Schwangerschaftsverläufe reduziert, ohne das fetale Wachstum zu gefährden. Zu diesem Zweck wurden Frauen mit leichter Hypertonie und Einlingsschwangerschaft bis zur 23. Woche entweder zu einer antihypertensiven Behandlung oder zu keiner Therapie randomisiert. Die zu einer medikamentösen Blutdrucksenkung randomisierten Patientinnen erhielten als Firstline-Medikament eine für die Schwangerschaft zugelassene Substanz (Labetalol oder Nifedipin ER) oder Alternativen wie Amlodipin oder Methyldopa. Bei Bedarf konnte eine zweite Substanz hinzugefügt werden. Die Patientinnen in der Kontrollgruppe erhielten ähnliche Antihypertensiva, wenn sich eine schwere Hypertonie (> 160/105 mmHg) entwickelte. Der primäre Studienendpunkt war zusammengesetzt aus Präeklampsie mit
schweren Symptomen bis zu 2 Wochen nach Geburt, medizinisch indizierter frühzeitiger Entbindung, Plazentaablösung oder fetalem beziehungsweise neonatalem Tod. Als Sicherheitsprarameter diente ein für das Gestationsalter zu geringes Geburtsgewicht (< 10. Perzentile). Sekundäre Endpunkte umfassten schwere mütterliche und kindliche Komplikationen, Präeklampsie und Frühgeburt. Insgesamt fanden 2408 Frauen Eingang in die Studie. Die Inzidenz von Vorkommnissen des primären Endpunkts war in der Gruppe mit aktiver Therapie tiefer als in der Kontrollgruppe (30,2% vs. 37,0%), mit einer adjustierten Risk Ratio (RR) von 0,82 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,74–0,92; p < 0,001). Der Anteil der Neugeborenen mit zu geringem Geburtsgewicht für das Gestationsalter betrug in der aktiv behandelten Gruppe 11,2 Prozent und in der Kontrollgruppe 10,4 Prozent. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant (adjustierte RR: 1,04; 95%-KI: 0,82–1,31; p = 0,76). Die Inzidenz schwerer mütterlicher Komplikationen betrug 2,1 Prozent gegenüber 2,8 Prozent (RR: 0,75; 95%-KI: 0,45–1,26) und diejenige schwerer neonataler Komplikationen 2,0 Prozent gegenüber 2,6 Prozent (RR: 0,77; 95%-KI: 0,45– 1,30). Präeklampsien traten in der aktiv behandelten Gruppe bei 24,4 Prozent und in der Kontrollgruppe bei 31,1 Prozent auf (RR: 0,79; 95%-KI: 0,69– 0,89). Die Häufigkeit von Frühgeburten lag bei 27,5 Prozent respektive 31,4 Prozent (RR: 0,87; 95%-KI: 0,77–0,99). Die Autoren erfassten auch die Ergebnisse hinsichtlich des primären Studienendpunkts in 5 präspezifizierten Subgruppen. Dazu gehörten Behandlungsstatus der Hypertonie (neu diagnostiziert, bekannt und behandelt respektive bekannt, aber nicht behandelt), Rasse beziehungsweise ethnische Gruppe, Diabetesstatus, Gestationsalter (< 14 Wochen vs. > 14 Wochen) sowie Einteilung nach Body-Mass-Index (normal, übergewichtig, adipös). In allen Subgruppen waren die 95-Prozent-KI für den Behandlungseffekt auf den primären Endpunkt mit den Ergebnissen für die Gesamtpopulation konsistent, aber die RR für neu diagnostizierte Hypertonie und Adipositas waren nahe bei 1,00.
Messbarer Nutzen,
keine Gefahr für das Kind
In dieser Studie erlitten Schwangere,
deren milde Hypertonie medikamentös
behandelt wurde, weniger schwere Prä-
eklampsien, vorzeitige Entbindungen,
Plazentaablösungen oder fetale bezie-
hungsweise neonatale Kindsverluste.
Die Autoren errechnen, dass 14 bis
15 Patientinnen eine aktive antihyper-
tensive Behandlung erhalten müssten,
um 1 der im primären Endpunkt zu-
sammengefassten Ereignisse zu verhin-
dern. Wichtig ist zudem die Beobach-
tung, dass zwischen den Gruppen mit
und ohne medikamentöse Blutdruck-
senkung kein Unterschied bei der Häu-
figkeit von Neugeborenen mit zu tiefem
Geburtsgewicht (< 5. resp. < 10. Perzen- tile) beobachtet wurde. «In dieser Stu- die fanden wir, dass eine aktive Be- handlung mit Antihypertensiva die Schwangerschaftsverläufe verbesserte – ohne ersichtliche Gefährdung», so das Fazit der Autoren. HB s Quelle: Tita AT et al.; for the Chronic Hypertension and Pregnancy (CHAP) Trial Consortium: Treatment for Mild Chronic Hypertension during Pregnancy. Published online ahead of print, 2022 April 2. Interessenlage: Die Autoren der referierten Studie deklarieren keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit dieser Publikation. ARS MEDICI 11 | 2022 381