Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
«420» («four twenty») hat für Kiffer eine spezielle Bedeutung. Es ist eine lange Geschichte; sie begann, wo sonst, in Kalifornien. «Four twenty» wurde über die Band Greatful Dead bekannt und schliesslich zum «Kiffer-Code» weltweit. «420» bedeutete ursprünglich «vier Uhr zwanzig» und war der Zeitpunkt, zu dem man sich zum Kiffen bzw. zur Suche nach einem Marihuanafeld traf. Heute ist mit «420» auch ein Datum gemeint: «4/20», also der 20. April. Auf diese Weise wurde dieses Datum der offizielle «world weed day» (weed = Unkraut = Synonym für «Gras»). Letzte Woche fiel der 20. April auf einen … genau! Den Haschermittwoch.
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Neben «Gras», Koks, LSD, Psilo-Pilzchen, Meskalin oder Ecstasy hat sich in der Halluzinogendrogenszene eine neue (alte) Droge etabliert: «Bufo» oder «Five» (wegen 5-MeO-DMT). Die Substanz wird zwar meist synthetisch hergestellt, aber Puristen ziehen die Bioversion vor. Die wurde erstmals in den Achtzigerjahren von einem Hobbyforscher ausprobiert. Er «melkte» eine Sonorische Wüstenkröte (d. h. er provozierte die Absonderung eines giftigen Sekrets), trocknete den Schleim auf der Windschutzscheibe seines Autos und rauchte mutig das verbleibende Pulver. Die Wirkung soll «göttlich» gewesen sein. Heute wird «Bufo» von «Schamanen» auch therapeutisch eingesetzt – gegen Angst oder posttraumatische Belastungsstörungen. Doch nicht alle profitieren von der Wirkung des Krötenrauchs: Einigen Konsumenten geht es anschliessend schlechter – genau wie den Sonorischen Wüstenkröten als Art. Und manche – Kröten wie Patienten – haben den Bufo-Trip nicht überlebt.
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Ist Ihnen schon aufgefallen, dass in der Werbung immer häufiger Männer den Abwasch besorgen, die Kinder «gaumen», mit dem Staubsauger durch die Wohnung rennen, im Supermarkt einkaufen oder sich Gedanken machen, welches Produkt die Küche am günstigsten von Schmutz befreit und Glanz in die Wohnung bringt? Nein? Kein Wunder, denn so wirkt gute Werbung – egal, ob für eine Gesichtscreme oder für ein «modernes» Familienbild: unterbewusst, «im Hinterkopf». Was man zeigt, ist der «neue Mann», der sich über den biederen, familientauglichen Kombi freut. Dass er heimlich von einem Porsche träumt, kommt im weichgespülten Familienbild der Werber nicht vor. (Ähm … den Porsche fährt der Werber selbst …)
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Um gesund zu bleiben, sollte man – Sie wissen’s natürlich – pro Tag 10 000 Schritte gehen. Fast alle Gesundheitsapps setzen diese Zahl als Benchmark. Aber warum genau 10 000? Die Antwort geht auf die Zeit vor den Olympischen Spielen 1964 in Tokio zurück. Damals brachte eine japanische Firma einen Schrittzähler auf den Markt. Die 10 000-Schritte-Regel basierte nicht auf objektiven Daten, sondern war lediglich ein Werbegag, der allerdings rasch zur Empfehlung mutierte und sogar von der WHO übernommen wurde. Die Zahl wurde kürzlich in Studien überprüft. Das Ergebnis: natürlich besteht eine Korrelation zwischen Anzahl täglicher Schritte und Gesundheit. Das statistische Sterberisiko bei Erwachsenen über 60 sank, je mehr Schritte sie täglich machten. Allerdings fand man, dass es nicht unbedingt 10 000 sein müssen. Die optimale Wirkung tritt offenbar bereits bei 6000 bis 8000 Schritten täglich ein. Das beruhigt Gehfaule ein wenig, ist für Couch-Potatoes aber immer noch eine Herausforderung.
Frage eines genervten (selbstverständlich zwinkernden) Vaters: Warum gibt’s eigentlich keine Babyklappen für ältere Babys, so elfjährige zum Beispiel. Ich würde meines gern abgeben. Mit einem Zettel dran: «Wir haben es uns nochmals überlegt.»
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Der Skandal um den inzwischen der Verleumdung beschuldigten Gil Ofarim zeigt zumindest eines: Bei Rassismusvorwürfen gibt es keine Unschuldsvermutung, sondern nur Vorverurteilung – durch eilfertige Politiker und Medien. Dabei sind ungerechtfertigte Rassismus-, speziell Antisemitismusvorwürfe Gift für die Bekämpfung genau dieses Übels, weil ein gefundenes Fressen für wirkliche Rassisten und Antisemiten.
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Es ist schwer zu akzeptieren, dass Gewalt, Zerstörung und Tod nicht mehr nur im Nahen Osten, sondern auf einmal auch im sonst so kultivierten Europa (nach den Balkankriegen) wieder Alltag geworden sind. Dass «der BöFei» – die überwunden geglaubte «rote» oder «gelbe Gefahr» – wieder im Osten sitzt und ein atomarer Dritter Weltkrieg wieder realistisch scheint. Wir müssen uns eingestehen, dass fast all unsere (gesellschaftlichen) Sorgen Luxusprobleme einer satten Gesellschaft sind. Eine Einsicht, die – nichts ändert.
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Und das meint Walti: Ich vertrage Laktose und Gluten bestens, ich leiste mir dafür einige Intoleranzen im zwischenmenschlichen Bereich.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 9 | 2022