Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Ein Lehrer: Meine Schüler wollten mir nicht glauben, dass ich Vorfahren habe, die zur Zeit des Mittelalters gelebt haben. Ich habe gestaunt. Noch mehr verwirrt hat mich allerdings, dass meine Kollegin, der ich diese Geschichte erzählte, mich fragte, woher ich das denn so genau wissen könne …
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Wir verstehen’s nicht, weil wir’s nie erfahren haben: Dem Überleben dienlich sind manchmal nicht die Wahrheit, das Recht auf der eigenen Seite, Anständigkeit und Rechtschaffenheit oder Rücksichtnahme und soziale Kompetenz. Nein, dem Überleben dienlich sind – manchmal – einfach mehr und die besseren Waffen. Ohne sie drohen Macht, Gier und Skrupellosigkeit sich durchzusetzen. Was für eine Welt! Wir hatten sie uns anders vorgestellt (und die meisten von uns hatten ja auch das Glück, die längste Zeit des Lebens in einer scheinbar besseren Welt gelebt zu haben). Schrecklicher Verdacht: Sie war immer schon so. Und wird nie anders sein.
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Warum nicht einmal im Leben einen «Playboy» kaufen? Die ukrainische Ausgabe des «Playboy» zitiert in ihrer jüngsten Sonderausgabe den «Playboy»-Gründer Hugh Hefner: «Real obscenities have nothing to do with sex. The real obscenities are war, intolerance, and killing each other.» Das Erotikmagazin zeigt statt nackter Körper nackte Gewalt: Fotos vom Krieg, von Tod, Zerstörung, Verzweiflung, Mut. Die elektronische Ausgabe kann man für einen selbst gewählten Betrag (zwischen 10 und 200 US-Dollar) kaufen (https://
playboy.ua/war/). «Die gedruckte Version», so der Verlag, «erhalten Sie nach unserem Sieg.» Die Einnahmen werden für humanitäre Hilfe und die Krankenversorgung verwendet.
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Onkel Hugo: So manche Politiker haben sich die Welt schöngeredet. Dabei ist die Erkenntnis, dass Wladimir Putin lügt, etwa so überraschend wie die Beobachtung, dass die Sonne abends untergeht.
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Unterschiedliche Leute – unterschiedliche Probleme. Die einen, Jüngere, ärgern sich, dass das Ladekabel fürs iPhone zu kurz ist. Andere, meist Mädchen oder Frauen, seufzen, weil sie täglich 8 km zu Fuss gehen müssen, um frisches Wasser zu holen. In der Ukraine trauern gewöhnliche Leute um ihre Eltern, Kinder, Haustiere, die zerbombte Wohnung, das explodierte Haus. In Moskau verstümmeln Influencerinnen auf Instagram ihre teuren Chanel-Handtaschen mit der Gartenschere aus Ärger darüber, dass Chanel sich weigert, weiter Taschen nach Russland zu liefern oder dort zu verkaufen. Tja, Probleme sind halt immer relativ.
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«Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen.» (Franca Magnani)
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Altes Zitat aktuell: «Sie schaffen eine Wüste und nennen es Frieden.» (Tacitus [verkürzt]: «Ubi solitudinem faciunt,
pacem appellant.») Genau die Art Frieden, die jene ernten würden, die den Ukrainern raten, zu kapitulieren, um noch mehr Tod und Leid zu verhindern.
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Vor 66 Millionen Jahren schlug, wie man nachweisen konnte zur Frühlingszeit, ein Asteroid im Golf von Mexiko ein und sorgte dafür, dass Tyrannosaurus rex und all seine Dino-Verwandten am Ende ausstarben. Auf der südlichen Halbkugel war derweil – logisch – Herbst, weshalb sich einige Säugetiere offenbar schon im Winterschlaf befanden. Genau deswegen, so vermutet man, überlebten viele von ihnen die Katastrophe, während die Tiere nördlich des Äquators den Sommer nicht mehr erlebten. Was man daraus lernen kann: Wer zur richtigen Zeit schläft, hat, auch wenn er Wichtiges verpennt, die besseren Chancen.
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Elie Wiesel: «Von einem Menschen, der so ist wie ich, kann ich nichts lernen.»
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Fast zum Ende noch ein arg verhunzter Spruch: Man sollte nie zu früh das Korn in die Flinte werfen.
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Und das meint Walti, nachösterlich ernst: Ich habe gelernt, etwas nicht deshalb zu geben, weil ich viel habe, sondern weil ich weiss, wie es sich anfühlt, wenn man nichts hat.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 8 | 2022