Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
PSA-Screening
Mehr metastasierte Prostatakarzinome wegen weniger Screening?
Seit 2010 verzeichnet das US-amerikanische Krebsregister SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results) einen langsamen, aber stetigen Anstieg der Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom. Die Autoren einer kürzlich publizierten Studie (1) stellen diese Entwicklung in einen Zusammenhang mit den früheren Empfehlungen der US Preventive Services Task Force (USPSTF) zum PSA-Screening aus den Jahren 2008 und 2012. Das Gremium hatte damals zunächst Männern ab 70 und später auch den 55- bis 69-Jährigen von einem generellen PSA-Screening abgeraten, weil es den potenziellen Schaden dieser Strategie (Überdiagnose, unnötige Biopsien usw.) höher einstufte als ihren potenziellen Nutzen. In der Folge gingen die PSA-Screeningraten in den USA zurück. Gemäss der nun publizierten Auswertung des SEER-Registers betrug die Inzidenz metastasierter Prostatakarzinome in den USA von 2004 bis 2010 bei den 45- bis 74-Jährigen gleichbleibend 11 bis 12 Fälle auf 100 000 Männer pro
Jahr, bis 2018 stieg die Zahl auf 17,5 Fälle. Bei Männern ab 75 Jahren sank die Inzidenz von 2004 bis 2010 zunächst von 67 auf 58 Fälle pro 100 000 Männer, um bis 2018 wieder auf 89 pro 100 000 zu steigen. Prozentual ausgedrückt entspricht das einem Zuwachs von 41 beziehungsweise 43 Prozent von 2010 bis 2018. Bei der Prostatakarzinom-bedingten Mortalität ist bis anhin keine vergleichbare Entwicklung nachweisbar. Für Aussagen zur Mortalität sei es noch zu früh, so Dr. Mihir M. Desai, University of Southern California, und seine CoAutoren, aber man müsse die Entwicklung weiterhin aufmerksam verfolgen. Der Anstieg der Fallzahlen bei den metastasierten Prostatakarzinomen könne ein Vorbote für ein künftiges Ansteigen der Todesfälle sein, befürchtet Dr. Richard M. Hoffman, Universität Iowa, in einem begleitenden Editorial (2). 2018 revidierte die USPSTF ihre Empfehlung. Seitdem wird nur noch den über 70-Jährigen vom routinemässigen PSA-Screening abgeraten. Die 55- bis
70-jährigen Männer sollen nach der Aufklärung über die Nutzen-Risiko-Bilanz des PSA-Screenings selbst entscheiden, ob sie den Wert bestimmen lassen wollen oder nicht (3). An dieser Praxis solle man auch angesichts der neuen Daten nichts ändern, so Desai und sein Team. Die Schweizerische Gesellschaft für Urologie hat ein Merkblatt erstellt, auf dem die wichtigsten Punkte für das Aufklärungsgespräch zum PSA-Test zusammengefasst sind: https://www.rosenfluh.ch/qr/psa RBO s
1. Desai MM et al.: Trends in Incidence of Metastatic Prostate Cancer in the US. JAMA Netw Open. 2022;5(3):e222246.
2. Hoffman RM: Striking the Right Balance With Prostate Cancer Screening. JAMA Netw Open. 2022;5(3):e222174.
3. «Jein» zum PSA-Screening. ARS MEDICI. 2017;11:494.
266
ARS MEDICI 8 | 2022