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Zusammenfassungen: Valérie Herzog (vh), Petra Stölting (PS); Herausgeber: Dr. med. Erik von Elm, Annegret Borchard Cochrane Schweiz, swiss.cochrane@unisante.ch
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Kann COVID-19 anhand von Symptomen und klinischen Zeichen diagnostiziert werden?
Eine rasche exakte Diagnose von COVID-19 ist von grosser Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Patienten eine angemessene medizinische Versorgung erhalten und andere Menschen nicht gefährden. Symptome wie Fieber, Husten oder der Verlust des Geruchs-/ Geschmacksinns und klinische Zeichen wie die Sauerstoffsättigung des Bluts sind erste und schnell verfügbare diagnostische Informationen. Diese könnten von Nutzen sein, um COVID-19 auszuschliessen oder Patienten zu identifizieren, bei denen weitere Tests erforderlich sind. Im Update eines systematischen Cochrane-Reviews wurde untersucht, wie genau die Diagnose COVID-19 in der Hausarztpraxis oder in einer Klinikambulanz allein anhand von Symptomen und klinischen Zeichen gestellt werden kann. Im Rahmen ihres Updates werteten die Autoren 44 Studien mit insgesamt 26 884 Teilnehmern aus. Die Prävalenz von COVID-19 variierte zwischen 3 und 71 Prozent, der mediane Wert lag bei 21 Prozent. 3 Studien wurden in der Primärversorgung durchgeführt (1824 Teilnehmer), 9 in speziellen COVID-19-Testkliniken (10 717 Teilnehmer), 12 in einer Klinikambulanz (5061 Teilnehmer), 7 bei stationären Teilnehmern (1048) und 10 Studien in der Notaufnahme (3173 Teilnehmer). Bei 3 Studien war das klinische Setting nicht ersichtlich (5061 Teilnehmer). Von den 84 Zeichen und Symptomen, die in den Studien evaluiert wurden, waren nur Husten (25 Studien) und Fieber (7 Studien) mit einer gepoolten Sensitivität von mindestens 50 Prozent verbunden. Die jeweilige Spezifität war moderat oder niedrig. Bei Husten betrug die Sensitivität 67,4 Prozent (95%-Konfidenzintervall [KI]: 59,8 bis 74,1%) und die Spezifität 35,0 Prozent (95%-KI: 28,7 bis 41,9%). Bei Fieber lag die Sensitivität bei 53,8 Prozent (95%-KI: 35,0 bis 71,7%) und die Spezifität bei 67,4 Prozent (95%-KI: 53,3 bis 78,9%). Die
gepoolte positive Likelihood Ratio (LR) von Husten betrug
lediglich 1,04 (95%-KI: 0,97 bis 1,11), diejenige von Fieber
lag bei 1,65 (95%-KI: 1,41 bis 1,93).
Für Anosmie allein (11 Studien), Ageusie allein (6 Studien)
sowie Anosmie oder Ageusie (6 Studien) wurden Sensitivitä-
ten unter 50 Prozent beobachtet, die Spezifitäten betrugen
jedoch über 90 Prozent.
Die gepoolte Sensitivität für Anosmie betrug 28 Prozent
(95%-KI: 17,7 bis 41,3%), die Spezifität 93,4 Prozent
(95%-KI: 88,3 bis 96,4%). Die gepoolte Sensitivität für Ageu-
sie lag bei 24,8 Prozent (95%-KI: 12,4 bis 43,5%), die Spezi-
fität bei 91,4 Prozent (95%-KI: 81,3 bis 96,3%). Bei Anosmie
oder Ageusie betrug die gepoolte Sensitivität 41 Prozent
(95%-KI: 27,0 bis 56,6%), die Spezifität 90,5 Prozent
(95%-KI: 81,2 bis 95,4%).
Die gepoolten positiven LR für Anosmie allein und Anosmie
oder Ageusie lagen bei 4,25 (95%-KI: 3,17 bis 5,71) und bei
4,31 (95%-KI: 3,00 bis 6,18). Damit befinden sich die Werte
nur knapp unter einer positiven LR von 5,0, der von Coch-
rane definierten Grenze für eine Red Flag. Die gepoolte LR
von Ageusie allein betrug allerdings nur 2,88 (95%-KI: 2,02
bis 4,09).
Fazit: Die Cochrane-Autoren kommen zu dem Schluss, dass
die einzelnen Symptome und Zeichen nicht für eine sichere
Diagnose von COVID-19 ausreichen. Der Verlust des Ge-
schmacks- oder Geruchsinns kann jedoch als Red Flag für
COVID-19 betrachtet werden. Husten und Fieber können
angesichts ihrer hohen Sensitivität zur Identifizierung von
Patienten von Nutzen sein, bei denen weitere Tests vorgenom-
men werden sollten.
PS s
Quelle: Struyf T et al.: Signs and symptoms to determine if a patient presenting in primary care or hospital outpatient settings has COVID-19. Cochrane Database Syst Rev 2021; 2: CD013665; doi: 10.1002/14651858.CD013665 pub2.
Point-of-Care-Schnelltests zur Diagnose von COVID-19
Point-of-Care-Schnelltests sind ein wichtiges Instrument im Management von COVID-19. Im Update eines systematischen Cochrane-Reviews wurde deshalb die diagnostische Genauigkeit von molekularen Tests und Antigenschnelltests bei symptomatischen und asymptomatischen Patientengruppen untersucht. In dieser aktualisierten Fassung wurde die Evidenz bis zum 30. September 2020 berücksichtigt. Die Cochrane-Autoren werteten 64 Studien aus, davon 20 Studien, die nur als Preprint vorlagen, in denen die Genauigkeit kommerzieller Schnelltests bei Personen im Anschluss
an einen RT-PCR-(real-time polymerase chain reaction-)Test evaluiert worden war. Insgesamt wurden in den Studien die Ergebnisse der Schnelltests von 24 087 Nasen- oder Rachenproben (7415 mit SARS-CoV-2) dokumentiert. Die Studien stammten vorwiegend aus Europa und Nordamerika. Im Rahmen der Studien wurde die diagnostische Genauigkeit von 16 Antigentests und 5 molekularen Assays untersucht. Antigentests: In 48 Studien wurden 58 Antigentests evaluiert. Die Schätzungen zur Sensitivität variierten beträchtlich zwischen den Studien.
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Zusammenfassungen: Valérie Herzog (vh), Petra Stölting (PS); Herausgeber: Dr. med. Erik von Elm, Annegret Borchard Cochrane Schweiz, swiss.cochrane@unisante.ch
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Im Hinblick auf die Sensitivität zeigten sich Unterschiede zwischen symptomatischen Patienten (72,0%; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 63,7 bis 79,0%; 37 Evaluationen; 15 530 Proben, 4410 Fälle) und asymptomatischen Teilnehmern (58,1%; 95%-KI: 40,2 bis 74,1%; 12 Evaluationen; 1581 Proben, 295 Fälle). Die durchschnittliche Sensitivität war in der ersten Woche nach Einsetzen der Symptome höher (78,3%; 95%-KI: 71,1 bis 84,1%; 26 Evaluationen; 5769 Proben, 2320 Fälle) als in der zweiten symptomatischen Woche (51,0%; 95%-KI: 40,8 bis 61,0%; 22 Evaluationen; 935 Proben, 692 Fälle). Die Sensitivität war hoch bei Ct-(cycle threshold-)Werten im PCR-Test ≤ 25 (94,5%; 95%-KI: 91,0 bis 96,7%; 36 Evaluationen; 2613 Fälle) im Vergleich zu Ct-Werten > 25 (40,7%; 95%-KI: 31,8 bis 50,3%; 36 Evaluationen; 2632 Fälle). Die Sensitivitäten variierten zwischen einzelnen Herstellern. Sie reichten von 34,1 Prozent (95%-KI: 29,7 bis 38,8%; Coris Bioconcept) bis zu 88,1 Prozent (95%-KI: 84,2 bis 91,1%; SD Biosensor STANDARD Q). Die durchschnittlichen Spezifitäten waren bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten sowie bei den meisten Marken hoch. Die gesamte summierte Spezifität lag bei 99,6 Prozent (95%-KI: 99,0 bis 99,8%). Molekulare Tests: In 30 Studien wurden 33 Evaluationen 5 verschiedener molekularer Schnelltests vorgenommen.
Auch hier variierten die Sensitivitäten zwischen den Marken. Die meisten Daten beziehen sich auf den Test ID NOW und den Xpert Xpress Assay. Die durchschnittliche Sensitivität von ID NOW betrug 73 Prozent (95%-KI: 66,8 bis 78,4%), die durchschnittliche Spezifität lag bei 99,7 Prozent (95%-KI: 98,7 bis 99,9%; 4 Evaluationen; 812 Proben, 222 Fälle). Bei Xpert Xpress betrug die durchschnittliche Sensitivität 100 Prozent (95%-KI: 88,1 bis 100%), die durchschnittliche Spezifität lag bei 97,2 Prozent (95%-KI: 89,4 bis 99,3%; 2 Evaluationen; 100 Proben, 29 Fälle). Es waren nicht genügend Daten vorhanden, um die Auswirkungen des Symptomstatus oder der Zeit nach Einsetzen der Symptome auf die Testgenauigkeit zu untersuchen. Fazit der Autoren: Assays, die den Kriterien der WHO entsprechen (mit akzeptabler Sensitivität ≥ 80% und Spezifität 97%), können als Ersatz für laborbasierte RT-PCR-Tests dienen, wenn eine sofortige Entscheidung für die weitere Versorgung von Patienten erforderlich ist. Aufgrund der variablen Sensitivität von Antigentests können Personen mit negativem Ergebnis allerdings trotzdem infiziert sein. Die Evidenz zur Testung asymptomatischer Personen war limitiert. PS s
Quelle: Dinnes J et al.: Rapid, point-of-care antigen and molecular based tests for diagnosis of SARS-CoV-2 infection (Review). Cochrane Database Syst Rev 2021; 3: CD013705; doi: 10.1002/14651858.CD013705.pub2.
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