Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Fake News der Woche («Postillon»): Der Erfinder der Autokorrektur in Word ist gestorben. Er hinterlässt eine Frau und zwei Rinder …
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Und auf einmal wissen wir alle, dass es eine Ukraine gibt, wo sie liegt, wie riesig sie ist, dass Kiew ihre Hauptstadt ist, dass sie am Schwarzen Meer liegt, dass das einstmals mondäne Odessa noch immer und die Halbinsel Krim eigentlich zu ihr gehört. Bisher wussten wir bestenfalls, dass die Ukraine Teil der Sowjetunion war und nach deren Zerfall eigenständig wurde – wie so viele andere Staaten, deren Namen wir kaum kannten: Kasachstan, Usbekistan, Georgien, Belarus, Moldawien, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Armenien, Aserbaidschan. Wir stellten erstaunt fest, dass sich nach der Auflösung Jugoslawiens, die uns bereits mehrere neue Nationen beschert hatte, nochmals 15 Länder mehr für die Teilnahme an der Fussball-WM und den Olympischen Spielen bewarben und dass die Landkarte schon wieder komplizierter geworden war. Nur Estland, Lettland und Litauen erschienen uns näher, wohl weil sie Mitglieder der EU wurden. Ach ja, Tschernobyl. Das liegt heute in der Ukraine, wir dachten bei Tschernobyl aber immer an Russland. Und der Maidan? Irgendein Platz, wo es Schiessereien gab; mehr war da nicht. Allerweltsunruhen halt, wie an vielen Orten. Die Annexion der Krim durch Putin – na ja, es lebten eh fast alles Russen dort. Und Luhansk und Donezk – nie gehört – weit weg, politisch unruhig wie so viele Weltgegenden. Erst Putin hat es geschafft, der Ukraine im Westen ein Gesicht, nein, Tausende Gesichter, von Menschen wie Nachbarn, zu geben. Und er wird es nicht mehr loswerden.
Man kann mit einem Coronavirus nicht verhandeln. Genauso wenig wie mit einem Fusspilz oder einem Hautkrebs. Man muss sie loswerden, eliminieren, entfernen. Irgendwie. Niemand (ausser ein paar Esoterikern) käme auf die Idee, mit ihnen zu sprechen. Es fällt uns schwer, zu akzeptieren, dass es auch Menschen gibt, mit denen zu reden absolut sinnlos ist. Die, wenn wir von Vernunft oder Leiden, von Menschlichkeit oder «dem Bösen», von Tränen oder Gerechtigkeit, von Hunger, Elend und Schmerz, von weinenden Kindern, verzweifelten Müttern oder von Güte, Glück und Erbarmen sprechen, keine Ahnung haben, was wir damit meinen. Nicht die geringste. Die solches für ein Grunzen von Aliens halten – völlig unverständlich. Die ohne einen Anflug von Skrupel Bomben auf Spitäler werfen und nur zögernd die Ausrede nachschieben, es sei Notwehr gewesen, weil wir anderen offensichtlich nicht verstehen, dass es dafür keine Ausrede braucht. Weil solches im Krieg normal ist. Schon oft passiert, in Grosny und Aleppo beispielsweise. Ohne dass wir, die jetzt empört sind, gross protestiert hätten. (Nein, haben wir nicht. Und ein klein wenig schämen wir – der Westen – uns jetzt auch dafür. Hoffentlich.)
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Gelesen: Stalin starb am 5. März, Alexander II. wurde am 13. März ermordet, Nikolaus II. dankte am 15. März ab, Iwan der Schreckliche starb am 18. März, Paul I. wurde am 24. März erdrosselt. Der März ist, so scheint’s, für russische Herrscher ein fataler Monat. Man mag es in Zusammenhang mit der Situation heute nicht so recht offen sagen, aber denken tun’s manche: Traditionen sollte man pflegen.
Auf Facebook gefunden: Instead of complaining about the cost of things & knowing it’ll get worse, here’s a different mindset: I crawled into a warm bed last night & I know where I’m sleeping tonight. There is a roof over my head & the house is warm. The fridge & cupboards have food. My pups are safe, fed & happy. I turn on the tap & have clean water. I am blessed. If I have to take less trips, walk a bit further, so be it. We are luckier than most people that we share this world with. Kurzübersetzung von Onkel Hugo: Es goht uns scho cheibe guet.
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Britischer Humor: Einer der grössten Fehler des letzten Jahres war, dass man 007 hat sterben lassen. Ausgerechnet jetzt, wo man so dringend auf ihn angewiesen wäre.
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«Krieg, das ist zuerst die Hoffnung, dass es einem besser gehen wird. Hierauf die Erwartung, dass es dem andern schlechter gehen wird. Danach die Genugtuung, dass es dem anderen auch nicht besser geht. Und schliesslich die Überraschung, dass es beiden schlechter geht.» Der Satz stammt von Karl Kraus, einem der klügsten und originellsten Satiriker Österreichs, der auch sagte: «Man glaubt gar nicht, wie schwer es oft ist, eine Tat in einen Gedanken umzusetzen.»
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Und das meint Walti: Die Doppelbedeutung von «Kohleausstieg» wird einem erst klar, wenn man nach dem Benzintanken ins Portemonnaie schaut.
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Richard Altorfer
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ARS MEDICI 6 | 2022