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Immunologie atopischer Erkrankungen
Typ-2-Inflammation in Haut und Nase
BERICHT
Die durch TH2-Lymphozyten getriebene Typ-2-Entzündung ist nicht nur für viele Fälle von schwerem Asthma verantwortlich, sondern steht ausserdem in Zusammenhang mit atopischer Dermatitis und chronischer Rhinosinusitis. In der Therapie bewähren sich Biologika, die auch im Asthmamanagement erfolgreich eingesetzt werden.
Die atopische Dermatitis (AD) ist weltweit die häufigste entzündliche Hauterkrankung. Betroffen seien, je nach Studie und untersuchter Population, 3 bis 7 Prozent der Erwachsenen und bis zu 25 Prozent aller Kinder, so Prof. Emma Guttman-Yassky aus New York (New York/USA). Dabei entwickeln 20 bis 30 Prozent der Betroffenen eine moderate bis schwere Erkrankung. Der Bedarf an wirksamen Therapien ist also gross. Die Entwicklung von zielgerichteten Therapien, die über klar definierte Signalwege in die Pathomechanismen der Erkrankung eingreifen, wurde bis vor Kurzem durch die ausgeprägte Heterogenität der AD erheblich erschwert. So werden in unterschiedlichen Altersgruppen und ethnischen Gruppen verschiedene Zytokinmuster und andere Auffälligkeiten des Immunsystems gefunden. Gemeinsam ist den verschiedenen Phänotypen jedoch eine ausgeprägte TH2-Aktivierung.
Phänotypisierung als Schlüssel zum Erfolg
Laut Guttman-Yassky besteht die Zukunft jedoch aus einem personalisierten Zugang zur Therapie, der auch die vielfältigen Phänotypen berücksichtigt, die im Zusammenhang mit unterschiedlichen, potenziell in die Pathophysiologie der AD involvierten Signalwegen des Immunsystems stehen. In den letzten Jahren wurden Forschungserfolge erzielt, die ein Ende des Mangels an wirksamen Therapien bedeuten. Dieser Entwicklung standen allerdings einige Hindernisse im Weg. Beispielsweise ist im Fall der AD das Ausmass der Erkrankung klinisch viel schwerer quantifizierbar als bei Psoriasis. Das erklärt zum Teil in Studien die hohen Ansprechraten in den Plazebogruppen. Aussagekräftige Biomarker werden deshalb dringend benötigt. Das können Biomarker in der Haut oder im Blut sein, wobei Hautbiomarker zwar aussagekräftiger sind, jedoch Biopsien voraussetzen, was speziell bei pädiatrischen Patienten zu erheblichen ComplianceProblemen führt. Dabei stellt «skin profiling» den Goldstandard in der Diagnostik und der Phänotypisierung der AD dar, der nur schlecht durch Biomarker aus dem Blut ersetzt werden kann. Dennoch kann im klinischen Alltag anhand dieser Blutmarker eine Patientenselektion für bestimmte Therapien vorgenommen werden (1).
Therapieerfolge bestätigen pathophysiologische Modelle
Grundsätzlich bestünden zwei Wege, um zu einer gezielten Therapie für individuelle Patienten zu gelangen, so GuttmanYassky: zum einen anhand der Biomarker und zum anderen anhand klinischer Marker beziehungsweise des ethnischen Hintergrunds des Patienten. Beide Wege lassen auf bestimmte Endotypen schliessen (2). Dabei darf nicht übersehen werden, dass es sich bei der AD zumindest bei moderater bis schwerer Manifestation um eine systemische Erkrankung handelt und auffällige Zytokinmuster und Hinweise auf Typ-2-Inflammation auch in der scheinbar normalen Haut abseits der Läsionen zu finden sind. Studien zeigen eine ausgeprägtere Immunaktivierung als bei Psoriasis. Laut aktuellen Daten ist die Typ-2-Entzündung bei Patienten mit AD und Lebensmittelallergie besonders ausgeprägt und betrifft klinisch unauffällige Hautareale sogar stärker als die AD-Läsionen (3, 4). Für ein Verständnis der AD-Phänotypen sei es deshalb wichtig, erkrankte Haut, unauffällige Haut und Blut gleichermassen in die Überlegungen einzubeziehen, so Guttman-Yassky. Minimalinvasive Biopsietechniken werden in Zukunft die Chance bieten, Biomarker aus sehr kleinen Proben zu bestimmen. Auch eine Vaskulitis konnte mittlerweile bei Patienten mit AD mittels Bildgebung nachgewiesen werden. Von einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ist auszugehen (5).
Dupilumab – das erste erfolgreiche Biologikum bei atopischer Dermatitis
Guttman-Yassky betonte jedoch, dass die Immunhypothese der AD-Genese keineswegs unumstritten gewesen und erst durch klinische Studien mit zielgerichteten Therapien etabliert worden sei. Dabei kam zunächst Dupilumab, ein gegen den Interleukin-4-Rezeptor (IL-4Rα) gerichteter Antikörper, zum Einsatz. Die Zytokine IL-4, IL-5 und IL-13 sind die Schlüsselzytokine der Typ-2-Inflammation, an der keineswegs nur TH2-Lymphozyten, sondern eine Vielzahl von Immunzellen mit ihren Zytokinen beteiligt sind. Bereits die Phase-IB-Daten zu Dupilumab legten nahe, dass die Beeinflussung der IL-4/IL-13-Achse innerhalb weniger Wochen zu
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relevanten klinischen Verbesserungen bei AD führt (6). Diese Verbesserungen waren unabhängig vom IgE-Titer und vom Filaggrinmutationsstatus. Unter Dupilumab 300 mg wurde eine signifikante Downregulation zahlreicher inflammatorischer Marker beobachtet, während diese Marker in der Plazebogruppe hochreguliert wurden (7). Diese Ergebnisse wurden in grösseren Studien und schliesslich in der Phase III (8) bestätigt; in der Folge konnte zudem gezeigt werden, dass sich unter Dupilumab die Barrierefunktion der Haut verbessert (9). Auch die systemische Typ-2-Inflammation nimmt unter Dupilumab ab. Guttman-Yassky: «Mit diesen Daten wurde die pathogene Rolle der TH2Achse und der Zytokine IL-4 und IL-13 in der Entstehung der AD nachgewiesen. AD kann damit als immungetriebene, reversible Erkrankung betrachtet werden.» Mit der Identifikation von IL-4 als Ziel für die Therapie der AD ist der Weg zu einer personalisierten Therapie jedoch noch keineswegs abgeschlossen. Guttman-Yassky verwies auf eine Studie mit dem IL-22-Inhibitor Fezakinumab, die den primären Endpunkt verfehlte, wobei sich in der Subgruppenanalyse ein gutes Ansprechen nur bei schwer erkrankten Patienten zeigte. Wurde nach IL-22-Expression stratifiziert, ergab sich eine gute Wirksamkeit bei hoher IL-22-Expression, während sich der Zustand bei Patienten mit niedriger IL-22-Expression unter Therapie mit Fezakinumab sogar verschlechterte (10). Dieser Befund sei der erste Schritt in Richtung einer echten personalisierten Therapie der AD, so Guttman-Yassky.
Biologikatherapie der chronischen Rhinosinusitis
Eine weitere Erkrankung, die mit der Typ-2-Entzündung in Zusammenhang stehen kann, ist die chronische Rhinosinusitis mit oder ohne nasale Polypen (chronic rhinosinusitis with/ without nasal polyps, CRSwNP/CRSsNP). Eine Studie zeigte allerdings eine ausgeprägte Heterogenität mit erhöhten Markern der Typ-2- (IL-13) und der Typ-3-Inflammation (IL-17), während Interferon gamma als Marker für Typ-1-Inflammation keine Rolle spielte. Fast 90 Prozent der Patienten mit CRSwNP zeigten einen Typ-2-Endotyp, der vor allem durch die Zytokine IL-4, IL-5 und IL-13 getrieben wird. In Nasenpolypen konnten Marker einer eosinophilen Entzündung nachgewiesen werden (11). Prof. Anju Peters von der Northwestern University betonte jedoch, dass es sich hier um ein «westliches» Muster handle und eine Typ-2-Inflammation zum Beispiel bei asiatischen Patienten mit chronischer Rhinosinusitis eine geringere Rolle spiele. Nach operativer Entfernung von Polypen ist eine eosinophile Inflammation ein Marker für ein Wiederauftreten der Polypen. Generell ist die Typ-2-Inflammation mit einer schweren Erkrankung assoziiert (12). Biologika bieten die Chance, in die für die Typ-2-Inflammation typischen Signalwege einzugreifen. Für den Einsatz bei CRSwNP stehen Dupilumab sowie mehrere gegen IgE oder den IgE-Rezeptor gerichtete Antikörper zur Verfügung. So konnte erst kürzlich für das gegen IL-5 gerichtete Mepolizumab eine Reduktion der Polypengrösse sowie der nasalen Obstruktion gezeigt werden (13). Dupilumab erwies sich in den beiden multizentrischen Phase-III-Studien LIBERTY NP SINUS-24 und LIBERTY NP SINUS-52 als wirksam im Hinblick auf nasale Obstruktion, Polypengrösse, Sinusopazifika-
tion in der Bildgebung sowie Symptome. Auch der Bedarf an
systemischen Steroiden und Chirurgie wurde signifikant re-
duziert (14). Für Omalizumab, das IgE hemmt, konnte in
zwei Phase-III-Studien ebenfalls eine Wirksamkeit bei
CRSwNP demonstriert werden (15). Mit Benralizumab wird
ein Antikörper gegen den IL-4-Rezeptor in der Indikation
CRSwNP untersucht. Phase-III-Daten wurden bislang noch
nicht publiziert. Direkte Vergleichsdaten fehlen, Peters be-
tonte allerdings, dass die Ergebnisse in den sehr ähnlichen
Studien vergleichbar aussähen.
s
Reno Barth
Quelle: Sitzung «Biologicals in allergy: what’s new?» beim EAACI-Kongress 2021
am 11. Juli 2020.
Referenzen: 1. Brunner PM et al.: The immunology of atopic dermatitis and its
reversibility with broad-spectrum and targeted therapies. J Allergy Clin Immunol. 2017;139(4S):S65-S76. 2. Czarnowicki T et al.: Atopic dermatitis endotypes and implications for targeted therapeutics. J Allergy Clin Immunol. 2019;143(1):1-11. 3. Leung DYM et al.: The nonlesional skin surface distinguishes atopic dermatitis with food allergy as a unique endotype. Sci Transl Med. 2019;11(480):eaav2685. 4. Ungar B et al.: An Integrated Model of Atopic Dermatitis Biomarkers Highlights the Systemic Nature of the Disease. J Invest Dermatol. 2017;137(3):603-613. 5. Ungar B et al.: A Preliminary 18F-FDG-PET/MRI Study Shows Increased Vascular Inflammation in Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis. J Allergy Clin Immunol Pract. 2020;8(10):3500-3506. 6. Beck LA et al.: Dupilumab treatment in adults with moderateto-severe atopic dermatitis. N Engl J Med. 2014;371(2):130-139. 7. Hamilton JD et al.: Dupilumab improves the molecular signature in skin of patients with moderate-to-severe atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol. 2014;134(6):1293-1300. 8. Simpson EL et al.: Efficacy and Safety of Dupilumab in Adolescents With Uncontrolled Moderate to Severe Atopic Dermatitis: A Phase 3 Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatol. 2020;156(1):44-56. 9. Guttman-Yassky E et al.: Dupilumab progressively improves systemic and cutaneous abnormalities in patients with atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol. 2019;143(1):155-172. 10. Guttman-Yassky E et al.: Efficacy and safety of fezakinumab (an IL-22 monoclonal antibody) in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis inadequately controlled by conventional treatments: A randomized, double-blind, phase 2a trial. J Am Acad Dermatol. 2018;78(5):872-881.e6. 11. Tan BK et al.: Heterogeneous inflammatory patterns in chronic rhinosinusitis without nasal polyps in Chicago, Illinois. J Allergy Clin Immunol. 2017;139(2):699-703.e7. 12. Tokunaga T et al.: Novel scoring system and algorithm for classifying chronic rhinosinusitis: the JESREC Study. Allergy. 2015;70(8):995-1003. 13. Han JK et al.: Mepolizumab for chronic rhinosinusitis with nasal polyps (SYNAPSE): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Respir Med. 2021;S22132600(21)00097-7 14. Bachert C et al.: Efficacy and safety of dupilumab in patients with severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps (LIBERTY NP SINUS-24 and LIBERTY NP SINUS-52): results from two multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group phase 3 trials. Lancet. 2019;394(10209):1638-1650. 15. Gevaert P et al.: Efficacy and safety of omalizumab in nasal polyposis: 2 randomized phase 3 trials. J Allergy Clin Immunol. 2020;146(3):595-605.
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