Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Sie kennen Lucky Luke? Erfunden wurden der Lonely Cowboy, der «den Colt schneller zieht als sein eigener Schatten», und sein Pferd Jolly Jumper 1946. 1988 wurde Maurice de Bevere («Morris»), der belgische Zeichner der Comicfigur, mit einem Spezialpreis der WHO ausgezeichnet, weil er es schaffte, dem damals 42-jährigen Cowboy das Rauchen abzugewöhnen. Lucky Luke kaut seither an Grashalmen. Und fällt somit unter kein Tabakwerbeverbot mehr.
sss
Es gibt Leute, die hassen Rucola, so wie andere Leute Pilze meiden (Peach Weber hat sie in seinem «Öberall heds Pilzli draa» quasi verewigt). Onkel Hugo ist so einer. Er behauptet: «Mit Rucola wurden früher Schwerverbrecher gefoltert …»
sss
Der von Frau Merkel, Grünen, Roten und – wie könnte es anders sein – den eifrigen Schweizer Mitnickern beklatschte Ausstieg aus der Kernenergie ruft ausserdeutsch-europäisch immer häufiger Kopfschütteln hervor. Nicht dass man hierzulande bald wieder Atomkraftwerke bauen könnte, selbstverständlich nicht, die administrierten Kosten wären viel zu hoch. Aber wir dürfen jetzt wenigstens hoffen, dank Atomstrom aus Frankreich, Ungarn, Polen, Rumänien & Co. auch in sonnen- und windarmen Wintern unsere Wärmepumpen blackoutlos betreiben, in geheizten Stuben sitzen und unsere schicken Teslas aufladen zu können.
sss
Den Himmel stellen sich Kinder als Paradies vor, prall mit Spielsachen,
Hundewelpen und Pferden bevölkert, mit Smartphones bestückt und von einem Eiscrème und Pizza à discretion verteilenden Engel betreut. Das Fegefeuer ein Baden in heissem Wasser. Und die Hölle? Der Dichter Dante Alighieri teilte sie in neun Kreise ein, Abteilungen für unterschiedlich schlimme Übeltäter, wo die Verurteilten auf die phantasievollsten Arten und Weisen je nach Schwere ihrer Taten auf ewig gequält werden. Eher archaisch, altmodisch, barbarisch, primitiv und ziemlich brachial. Die frivole Gisela stellt sich eine zeitgenössische Hölle anders vor. Weniger physisch gewalttätig, vielmehr psychisch perfide. Es schaudert sie beispielsweise heftig bei der Vorstellung, sie müsste 100 oder gar 1000 Jahre oder auf ewig täglich 24 Stunden die RTL-Sendung «Dschungelcamp» miterleben. Abwechselnd als Teilnehmerin oder als Zuschauerin. Ohne Pause. Mit immer neuen unbekannten Promis mit IQs weit diesseits der Innerorts-Geschwindigkeitsbegrenzung. Gut, dass Dante das Privatfernsehen noch nicht kannte; er hätte bestimmt einen zehnten Kreis der Hölle beschrieben: einen künstlichen Dschungel.
sss
Ein guter Freund, von Herzen pazifistisch, vom Kopf her Realist: Immer wenn jemand kritisiert, dass wir Waffen in Länder exportieren, in denen gerade Krieg herrscht, frage ich mich: Was um Himmels willen sollen denn Waffen in Nicht-Spannungsgebieten?
sss
Dass den Gleich-Stellungs- und Genderbeauftragten die Gleich-Berechtigung nicht so wichtig ist, sieht man daran, dass sie noch nie verlangt haben, auch mit dem Tod gendergerecht umzu-
gehen. Wenn Gott nicht unbedingt ein Mann sein muss, warum dann der Tod? Könnte es anstelle des personifizierten Todes nicht auch eine Tödin geben (oder «die Tod»)? Müsste es an der Seite von Gevatter Tod nicht eine Gemutter Tod geben? Und neben dem Sensenmann eine Sensenfrau? Oder ein Sensenpaar? Oder politisch korrekt: «Sensende»? Man sieht, die Probleme enden noch lange nicht; wir werden die Genderbeauftragten noch manche Jahre staatlich unterhalten müssen.
sss
Für die Einwohner von La Palma kam der Ausbruch des Cumbre Vieja plötzlich und unerwartet. So unerwartet und plötzlich wie der Asteroid, der die Dinosaurier ausrottete, oder der Tsunami von 2004, der die Küsten von Thailand, Sri Lanka und Indonesien verwüstete. Auch Corona: total unerwartet. Sogar die meisten Kriege kommen plötzlich und unerwartet – allerdings nur für die, die vorher nicht genau hinschauen und -hören. So ungenau, wie wir der drohenden Worte des Herrn Biden, der abwiegelnden Statements der Herren Putin und Lawrow und der hilflosen Verlautbarungen von gegen ihre Bedeutungslosigkeit kämpfenden europäischen Politikern lauschen und treuherzig hoffen, dass Krieg 2022 in Europa so unwahrscheinlich bleibe wie Corona 2020 oder ein Tsunami 2004.
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Und das meint Walti: Natürlich führe ich Selbstgespräche. Ab und zu muss ich mich einfach mit kompetenten Leuten unterhalten.
Richard Altorfer
92 ARS MEDICI 4 | 2022