Transkript
EDITORIAL
Den Geist vor Schaden bewahren
Damit der Geist geistreich bleibt, ist nicht nur geistige Nahrung wichtig. Man kann ihn nach neuen Erkenntnissen auch geisterhaltend füttern, um ihn vor Verarmung zu schützen. Das Gute ist: Es ist gar nicht so schwierig. Man benötigt dazu keine exotischen Lebensmittel aus Papua-Neuguinea oder dem Amazonasregenwald. Es braucht lediglich Früchte, Gemüse, Bohnen, Kaffee und Tee. Diesen gemeinsam ist die antiinflammatorische Eigenschaft. Bekanntlich ist das Altern ein einziger entzündlicher Zustand des Immunsystems, der nach und nach zum Zelluntergang führt. Eine kürzlich publizierte griechische Beobachtungsstudie legt nun nahe, dass es ein Mittel gegen diese fatale Entwicklung geben könnte. Die Forscher überprüften die Ernährungsgewohnheiten von über 1000 durchschnittlich 73-jährigen nicht dementen Personen mittels Fragebogen. Anhand der angekreuzten Nahrungsmittelgruppen errechneten sie das inflammatorische Potenzial des jeweiligen
Speisezettels. Die Studienteilnehmer wurden aufgrund des inflammatorischen Potenzials ihrer Ernährung in 3 Gruppen eingeteilt und während 3 Jahren nachverfolgt. Es zeigte sich, dass die Gruppe mit dem höchsten inflammatorischen Potenzial ein 3-mal höheres Risiko für eine Demenzentwicklung hatte als jene mit dem tiefsten inflammatorischen Potenzial. Wer also pro Woche 20 Portionen Früchte, 19 Portionen Gemüse, 4 Portionen Hülsenfrüchte und 11 Portionen Kaffee oder Tee zu sich nimmt, ist auf dem gleichen Niveau wie die Teilnehmer in der tiefsten Gruppe (1).
Wer es nicht so gesund mag, kann sein Gehirn auch mit Kaffee und Tee – am besten mit beidem – vor plötzlichem oder schleichendem Schaden schützen. Eine weitere Studie mit Daten von 365 682 Teilnehmern zeigte nämlich, dass ein regelmässiger täglicher Konsum von 2 bis 3 Tassen Tee und 2 bis 3 Tassen Kaffee nach einer Beobachtungszeit von 11 Jahren das Risiko für Hirnschlag um 32 Prozent und jenes für Demenz um 28 Prozent signifikant senkt. Bei jenen Teilnehmern, die einen Hirnschlag erlitten (n = 13 352), reduzierte ein alleiniger Kaffeekonsum von täglich 2 bis 3 Tassen das Risiko für eine Post-Stroke-Demenz signifikant um 20 Prozent, bei täglichem Konsum von Kaffee und Tee sogar um 50 Prozent (2). Diese Mengen sind definitiv leichter zu schaffen.
Heute schon Kaffee und Tee getrunken?
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Valérie Herzog
Quellen: 1. Zhang Y et al.: Consumption of coffee and tea and risk of developing
stroke, dementia, and poststroke dementia: A cohort study in the UK Biobank. PLoS Med. 2021;18(11):e1003830. doi:10.1371/journal.pmed.1003830 2. Charisis S et al. Diet inflammatory index and dementia incidence: a population-based study. Neurology. 2021;97(24):e2381-e2391. doi:10.1212/ WNL.0000000000012973
ARS MEDICI 4 | 2022
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