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Hepatitis C
Verschreibung von Medikamenten jetzt auch in der Hausarztpraxis möglich
Die letzte Limitierung bei der Verschreibung der hochwirksamen Hepatitis-C-Medikamente ist am 1. Januar 2022 gefallen: Die Therapien können neu auch durch Hausärztinnen und Hausärzte verschrieben werden.
Hausärztinnen und Hausärzte können ihre Hepatitis-C-Patienten bereits seit einiger Zeit selbst behandeln. Möglich macht dies das HepCare-Projekt von Hepatitis Schweiz. HepCare stellt den Grundversorgenden ein Netzwerk von Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung, die aufgrund eines Aktenkonsils die Indikation zur Therapie stellen und ein Rezept für die Medikamente ausfüllen (Abbildung). Eine Win-win-win-Situation: Die Patientinnen und Patienten bleiben in der hausärztlichen Praxis, die Hausärztinnen und Hausärzte können eine bislang für Spezialisten reservierte Therapie selbst anbieten, und die Spezialisten ihre stark beanspruchten zeitlichen Ressourcen vermehrt für Fragestellungen nutzen, wo das spezialisierte Wissen gefragt ist.
95 Prozent der Betroffenen können geheilt werden
Mit den seit 2014 erhältlichen direkt antiviral wirksamen Hepatitis-C-Medikamenten können 95 Prozent der Betroffenen geheilt werden. Und das ohne schwere Nebenwirkungen, mit der Einnahme von 1 bis 3 Tabletten pro Tag und mit einer Behandlungsdauer von 8 bis 12 Wochen. Anfängliche Limi-
Abbildung: HepCare stellt Hausärztinnen und -ärzten Informationsmaterial zur Verfügung.
tierungen auf Betroffene mit schwerem Leberschaden wurden im Zuge von Preissenkungen aufgehoben. Geblieben ist eine Limitierung der Verschreibung auf Spezialisten. Dies bei einer Therapie, die kaum Kontraindikationen kennt, bei der eine generelle Empfehlung zur Behandlung aller Betroffenen besteht und die sehr einfach in der Anwendung, sehr gut verträglich und trotzdem sehr wirkungsvoll ist. Nun hob das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auch die letzte Einschränkung auf und vereinfacht damit den Zugang zur Hepatitis-C-Therapie nochmals. Das HepCare-Projekt wird weiterhin Hausärztinnen und Hausärzte bei der Hepatitis-C-Behandlung unterstützen. Das Spezialistennetzwerk steht nach wie vor für Indikationsstellungen zur Verfügung. Auf Wunsch werden auch weiterhin die Medikamente rezeptiert, um Diskussionen mit den Krankenkassen wegen des Index zu vermeiden.
Indikation für Hepatitis-C-Tests grosszügig stellen
Neueste Prävalenzschätzungen gehen immer noch von 32 000 chronisch mit Hepatitis C infizierten Personen in der Schweiz aus (1). Ein Drittel von ihnen ist noch gar nicht getestet. Ein Augenmerk beim Testen soll auf Personen gelegt werden mit (auch lang zurückliegenden) Risikofaktoren wie Bluttransfusionen vor 1990, intravenösem und nasalem Substanzkonsum, unzureichend steril applizierten Tattoos und Piercings sowie Status nach Gefängnisaufenthalt. Erstgenerationsmigrantinnen und -migranten aus Italien, die über 60 Jahre alt sind, sollten einmal im Leben ebenfalls auf Hepatitis C getestet werden. Auch die Balkanländer, Portugal und Spanien gelten als Herkunftsländer mit erhöhtem Risiko. Da der Übertragungsweg bei den meisten Betroffenen unbekannt ist und in der Schweiz die Jahrgänge 1950 bis 1985 gehäuft von Hepatitis C betroffen sind, lohnt es sich, bei Check-up-Untersuchungen die Indikation für Hepatitis-CTests grosszügig zu stellen. Nebst den noch nicht diagnostizierten Hepatitis-C-Betroffenen gilt die Aufmerksamkeit auch denjenigen Patientinnen und Patienten, die vor längerer Zeit diagnostiziert wurden, aber noch nicht behandelt sind. Die frühere Standardtherapie mit Interferon war für zahlreiche Betroffene kontraindiziert
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oder wurde aus Angst vor Nebenwirkungen abgelehnt. Im Interferonzeitalter empfahlen auch die Richtlinien eine strenge Indikationsstellung. Die Information, dass dies nun mit den neuen Medikamenten keine Gültigkeit mehr hat, hat etliche Betroffene noch nicht erreicht.
Die Therapie ist kosteneffizient
Heute wird jeder Person mit einer chronischen Hepatitis C eine Behandlung empfohlen und von der Grundversicherung bezahlt. Mit der Ausheilung der chronischen Infektion verschwindet das Risiko für Leberfolgeschäden, aber auch für
Hepcare Das Projekt, das Hausärztinnen und Hausärzte in der Hepatitis-C-Behandlung unterstützt.
Bel Paese Betreuen Sie über 60-Jährige aus Italien? Bel Paese unterstützt Sie mit italienischsprachigem Material bei der Aufklärung über deren deutlich erhöhtes Hepatitis-C-Risiko.
extrahepatische Folgen wie Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebserkrankungen. Eine Therapie ist auch bei noch fehlenden Folgen trotz des immer noch sehr hohen Preises von etwa 30 000 Franken kosteneffizient.
Aufhebung der Verschreiberlimitatio
wichtiger Schritt Richtung Elimination
Sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch
die Schweizer Hepatitis-Strategie haben zum Ziel, Hepatitis
C bis 2030 zu eliminieren. International sind auf diesem Weg
diejenigen Länder führend, die auch ihre Hausärztinnen und
Hausärzte Hepatitis-C-Behandlungen durchführen lassen,
wie zum Beispiel Australien und Frankreich. Mit dem von
Hepatitis Schweiz schon seit Langem geforderten und nun
umgesetzten Schritt der Aufhebung der Verschreiberlimitatio
macht die Schweiz einen wichtigen Schritt in diese Richtung.
Es passiert nicht allzu oft in der Medizin, dass eine für Spe-
zialisten reservierte Behandlung der Grundversorgung über-
geben wird. Packen Sie deshalb die Chance, suchen und the-
rapieren Sie die (bei einer Prävalenz von 0,5%) durchschnitt-
lichen 3 bis 4 Patienten pro Hausarzt mit einer unbehandelten
chronischen Hepatitis C und helfen Sie so mit, diese belas-
tende chronische Infektionskrankheit in der Schweiz zu
eliminieren!
s
Hepatitis Schweiz Alles, was Sie über Hepatitis C in der Schweiz wissen möchten, finden Sie bei Hepatitis Schweiz. Hepatitis Schweiz finden Sie neu auch unter www.docinside.ch.
PD Dr. med Philip Bruggmann Chefarzt Innere Medizin Arud Zentrum für Suchtmedizin 8001 Zürich
Literatur: 1. Bihl F et al.: HCV disease burden and population segments in Switzer-
land. Liver Int. 2021,Nov 27; doi: 10.1111/liv.15111 (online ahead of print).
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