Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Bis vor zwei Wochen galt noch: Das Thema Corona beschäftigt alle Welt – nur nicht die Schweiz. Corona legte schon damals in Österreich die Wirtschaft lahm, beeinträchtigte die Versorgung von Intensiv- (eben nicht nur Corona-!) Patienten. In Deutschland galt weitherum 2G, ein Shutdown für Ungeimpfte, und es war klar, was in den kommenden Wochen drohen und wie Weihnachten vermutlich aussehen würde. Nur in der Schweiz fand Corona nicht statt. Jedenfalls nicht im Fernsehen. Das berichtete, zum Beispiel in «10 vor 10», lieber über im Bauch vergessene Scheren und falsch amputierte Brüste. Toll! So an vierter Stelle doch noch Corona – aus Österreich und Deutschland, dazu ein paar Sekunden Pressekonferenz, an der Herr Berset scham- oder ahnungslos behauptete, die Impfung schütze Menschen über 65 nach 6 Monaten noch zu 80 Prozent (macht sie zwar, aber nur vor schweren Verläufen). Dies am selben Tag, an dem eine schwedische Studie (nicht als erste und nicht als einzige!) nachwies, dass die Schutzwirkung der Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna nach 5 bis 6 Monaten bis auf (durchschnittlich) unter 40 Prozent absinkt und Booster-Impfungen auch bei Jüngeren dringend (!) nötig sind. Deutschland reagierte sofort und boosterte am nächsten Tag ab 18 (wenn auch logistisch chaotisch). Vielleicht weil sie Herrn Lauterbach haben. In der Schweiz? E nume nid gschprängt! Wir machen erst mal weiter, vielleicht nächste Woche eine Sitzung, und dann schauen wir … Ja was schauten sie wohl? Ob sich die Studienresultate über Nacht ändern würden? Keine Ahnung. Wer immer für die anfängliche Booster-Verweigerung für unter 65-Jährige verantwortlich war (BAG? Covid-19-Task-Force? Bundesrat?
GDK? EKIF?) spielte mit dem Leben von Geimpften. Fazit: Inkompetenz von Masken bis Booster.
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Ärztin zum Corona-Impfling nach dem Piks: «So jetzt gehen Sie bitte in den Wartebereich. Und wenn Sie nach 20 Minuten noch leben, dürfen Sie nach Hause gehen.»
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Dass Wissenschaft und Kommunikation eine schwierige (und zur Manipulation verlockende) Kombination bilden, zeigt folgendes Beispiel: Schlagzeile auf einer Website: «Je höher die Impfquote, desto höher die Übersterblichkeit» Der Satz ist richtig und die transportierte Information ist klar: Es sterben vor allem Geimpfte, das heisst die Impfung ist lebensgefährlich. Stünde da stattdessen «Je höher die Übersterblichkeit, desto höher die Impfquote» wäre der Satz immer noch richtig, aber die transportierte Information wäre eine ganz andere: Es lassen sich mehr Leute impfen, wenn die Zahl der Toten hoch ist.
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Arbeitskollege: Was mir nach Corona fehlen wird? Während eines langweiligen Meetings Laptop zuklappen und behaupten können: Sorry, aber die Verbindung war weg.
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Der Nachbar ist Corona-Impfskeptiker. Die frivole Gislea, vor zwei Tagen geboostert, wundert – und ärgert – sich: Welches denn seine Gründe seien, sich
nicht impfen zu lassen. Der Nachbar: Er habe gelesen, dass der Impfstoff das Erbgut verändere. Gisela: «Wirklich? Die Impfung wirkt auf das Erbgut? Dann sofort ab zum Impfen – das ist DEINE Chance!»
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Nicht immer muss man schlau sein. Oft hilft es, schlauer zu gucken, als man ist.
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«Wir müssen endlich alle anpacken!» entspricht in etwa der Aufforderung: «Jeder tut irgendwas, auch wenn er nichts kann».
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Onkel Hugo ist die Tragtasche runtergefallen. Blumenkohl und Eierkarton purzeln die Treppe hinunter. Hugo schaut resigniert hinterher: «Früher hätte ich gesagt: Heute ist nicht mein Tag. Aber mittlerweile weiss ich: Es ist einfach nicht mein Leben.»
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Einer der allerverdächtigsten Satzanfänge: «Wie jeder weiss …»
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Und das meint Walti: Manchmal wünsche ich mir, Mitglied der Corona-TaskForce zu sein – nur um zurücktreten zu können.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 24 | 2021