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BERICHT
COVID-19, Asthma und COPD
Neue Empfehlungen für die Praxis
Neue Empfehlungen für die Behandlung von Patienten mit pneumologischen Erkrankungen stellten Schweizer Experten in einem Webinar des Forums für medizinische Fortbildung (FOMF) vor. Es ging um die Triage von COVID-19-Patienten in der Hausarztpraxis sowie deren ambulante Therapie, Lungenfibrose im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, Neuerungen bei den Empfehlungen für die Therapie bei Asthma und COPD sowie die Rolle von Immuntherapeutika bei der Behandlung des kleinzelligen Lungenkarzinoms.
Die Dyspnoe bestimme die Behandlung bei COVID-19, sagte PD Dr. Daniel P. Franzen vom Universitätsspital Zürich, der in seinem Referat auf COVID-19 aus der Sicht des Grundversorgers einging. Das zentrale und beängstigende Symptom bei COVID-19 sei die Dyspnoe und das Ausmass der Dyspnoe deshalb auch der zentrale Aspekt der Triage zur Behandlung von COVID-19, so Franzen. Bei Patienten ohne Dyspnoe, die entweder asymptomatisch sind oder nur leichte Atemwegssymtome wie Husten, Schnupfen, Kopf- oder Halsschmerzen aufweisen, sind keine besonderen Massnahmen erforderlich. Patienten mit schwerer Dyspnoe werden ins Spital überstellt. Bei leichter bis mässiger Dyspnoe entscheiden weitere Anzeichen über die Vorgehensweise. Eine unzureichende Sauerstoffsättigung (< 90%), eine Bewusstseinsveränderung sowie Hypotonie, Zyanose, Anurie, Brustschmerzen oder Stürze sollten ebenfalls zu einer Spitaleinweisung führen. Patienten mit leichter bis mässiger Dyspnoe und einer Sauer-
KURZ & BÜNDIG
� Nur bei wenigen COVID-19-Patienten entwickelt sich eine Lungenfibrose.
� Das Ausmass der Dyspnoe ist bei COVID-19 entscheidend für die Vorgehensweise bei der Behandlung.
� Das Risiko für eine Lungenfibrose kann durch die Verhinderung eines schweren Krankheitsverlaufs gesenkt werden.
� Für Patienten mit mildem Asthma wird Budesonid/Formoterol als Bedarfsmedikament empfohlen.
� Für Patienten mit schwerem, unkontrollierbarem Asthma stehen Antikörper zur Verfügung.
� COPD-Patienten mit Eosinophilie können von ICS profitieren.
� Immuntherapeutika verbessern beim kleinzelligen Lungenkarzinom die Überlebenszeiten.
stoffsättigung zwischen 91 und 94 Prozent, bei denen Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf vorliegen, werden über die Hausarztpraxis versorgt und müssen regelmässig kontrolliert werden Zu den Risikofaktoren zählen Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen, Niereninsuffizienz, Lungenerkrankungen (ausser Asthma), Diabetes, HIV, Demenz, BMI > 30, Immunsuppression, Alter > 70 Jahre und eine Raucheranamnese.
Ambulante Therapie bei COVID-19
Im Rahmen der ambulanten Behandlung sind eine gute Risikostratifizierung und eine ausführliche Beratung des Patienten im Hinblick auf den Infektionsschutz – dazu gehört auch die Impfung – sowie auf Warnsymptome von grosser Bedeutung. Die symptomatische Therapie erfolgt mit Hustenmitteln oder Kopfschmerzmitteln wie Ibuprofen oder anderen Antipyretika. Es liegen derzeit keine Hinweise vor, dass diese Medikamente einen schweren COVID-19-Verlauf begünstigen. Es gibt keine generellen Empfehlungen für Laboruntersuchungen im ambulanten Setting. Zudem besteht keine generelle Indikation für Kortikosteroide wie Dexamethason, Antibiotika, eine Antikoagulation/ASS oder eine Thromboseprophylaxe. Bei positiver Familienanamnese für thrombotische Ereignisse, Immobilisation oder Adipositas kann eine Behandlung mit Rivaroxaban 10 mg/Tag für 6 Wochen erwogen werden. In einer Studie erwiesen sich vorgerücktes Alter, kardiovaskuläre Risikofaktoren, chronische Nierenerkrankungen, ein Aufenthalt auf der Intensivstation und ein IMPROVE-VTE-Risk-Score > 4 als Risikofaktoren für thrombotische Ereignisse (9). «Eine Studie zu inhalativem Budesonid im frühen COVID19-Stadium hat vor Kurzem Hoffnungen geweckt», berichtete Franzen. Hier wurde die Applikation von Budesonid 2-mal 800 µg/Tag mit der üblichen Versorgung verglichen. In der Intention-to-treat-Analyse wurde der Endpunkt (COVID19-bedingte Hospitalisierung oder Vorstellung auf der Notfallstation) bei 3 Prozent der Budesonidpatienten und bei 15 Prozent der Kontrollgruppe erreicht. Das Ergebnis war
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stastistisch signifikant (p = 0,009), und die NNT (number needed to treat) lag bei 8 (10). Allerdings sollte die Studie seiner Ansicht nach mit Vorsicht interpretiert werden. Es handelte sich um eine offene Phase-II-Studie mit einer geringen Patientenzahl (n = 167). Zudem litten 16 Prozent der Patienten in der Budesonidgruppe unter Asthma und haben somit möglicherweise auch aufgrund ihrer Grunderkrankung von dem inhalativen Kortikosteroid (ICS) profitiert. Des Weiteren wurde eine hohe ICS-Dosis verwendet, und es wurden relativ subjektive Endpunkte gewählt.
COVID-19 und Lungenfibrose
Anhand von zwei Fallbeispielen erläuterte Dr. Dr. Katrin Hostettler Haack, dass es infolge von COVID-19 zu einer Lungenfibrose kommen kann. Bei den Patienten wurden innerhalb einer kurzen Zeit von nicht einmal 40 Tagen fibrotische Veränderungen im Computertomogramm (CT) sichtbar (1, 2). «Ein schwerer Lungenschaden ist der Hauptbefund bei schwerem COVID-19-Verlauf, und er ist auch der Hauptgrund für die Mortalität», sagte Hostettler Haack. Etwa 90 Prozent der COVID-19-Patienten erleben einen milden oder moderaten Verlauf. Bei etwa 10 Prozent verläuft die Krankheit jedoch schwer, und bei ungefähr der Hälfte dieser Patienten kommt es dann auch zu einem akuten Lungenversagen (ARDS). In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Entwicklung des COVID-19-bedingten Lungenschadens in 4 Stadien verläuft. Zunächst kommt es zu Ödemen mit Epithelschäden und Kapillaritis. Daran schliesst sich eine exsudative Phase mit diffusem alveolären Schaden an, und im weiteren Verlauf kommt es zur Konsolidierung und Fibrosierung (3). Fibrosen treten aber nur bei einem kleinen Anteil der COVID-19-Patienten auf, wie die Referentin anhand eigener Daten aus dem Universitätsspital Basel erläuterte. Im Zeitraum von Februar bis Mai 2020 wurden dort 221 COVID-19-Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 58 Jahren aufgenommen. Davon erlitten 50 eine schwere COVID-19-Pneumonie. Bei 35 dieser 50 Patienten konnten nach 3 Monaten Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden. Von diesen 35 Patienten hatten 23 (66%) wieder eine normale Lungenfunktion erlangt. Dieses Ergebnis spiegelte sich auch im CT wider. Drei Monate nach der schweren COVID-19-Erkrankung lag bei rund 40 Prozent der Betroffenen wieder ein normaler radiologischer Befund vor. Bei 21 Patienten waren noch Veränderungen im Gewebe wie Milchglasopazitäten sichtbar, und nur bei 6 der 35 Patienten lag eine deutliche Fibrose vor. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch in einer Studie aus Österreich. Hier waren nach 60 Tagen bei 64 Prozent der Patienten im CT Konsolidierungen erkennbar, nach 100 Tagen waren diese nur noch bei 7 Prozent von ihnen vorhanden. Fibrotische Veränderungen wurden zu diesem Zeitpunkt bei 6 Prozent der Patienten beobachtet (4). Aus der Datenlage geht insgesamt hervor, dass sich nur bei sehr wenigen COVID-19-Patienten eine progressive Fibrose entwickelt. Lungenfibrosen kommen auch bei anderen viralen Pneumonien vor. In einer Metaanalyse von 41 Studien wurde das pulmonale radiologische Outcome bei Patienten mit einer Influenzapneumonie, bei Patienten der ersten SARS-Welle im
Jahr 2003 und bei Patienten der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie verglichen. Bei allen viralen Pneumonien kam es nur bei einer Subgruppe zu fibrotischen Veränderungen (5). COVID-19-assoziierte Fibrosen können vor allem durch eine rasche, flächendeckende Impfung verhindert werden. Zu den Prädiktoren für die Entwicklung einer Lungenfibrose gehört aber auch die Schwere der COVID-19-Erkrankung. Gelingt es also, eine schwere Erkrankung – beispielsweise auch mit Medikamenten – zu verhindern, kann wahrscheinlich ebenfalls eine Post-COVID-Fibrose verhindert werden. In einer Studie mit 2000 Patienten senkte Dexamethason im Vergleich zu Plazebo die Mortalität, verminderte den Lungenschaden und somit eventuell auch das Risiko für eine Fibrose (6). Zu den Behandlungsmöglichkeiten für eine Post-COVIDFibrose gehören Rehabilitation und/oder Langzeitsauerstofftherapie. Bei CT-radiologisch persistierenden Milchglasopazitäten oder Konsolidierungen kann auch eine Fortsetzung der Steroidbehandlung (20–30 mg Prednisolon täglich) in Betracht gezogen werden. Die Rolle antifibrotischer Medikamente wie Nintedanib oder Pirfenidon, die zur Behandlung der idiopathischen Fibrose zugelassen sind, ist bei COVID19 noch nicht geklärt.
Neue Empfehlungen bei Asthma
«Patienten mit mildem Asthma sollen jetzt ein Kombinationspräparat als Notfallmedikament erhalten und nicht mehr nur ein Beta-2-Mimetikum allein», fasste Prof. Jörg D. Leuppi, Chefarzt Medizinische Universitätsklinik, Kantonsspital Baselland, eine der wesentlichen Neuerungen in den Leitlinien der Global Initiative for Asthma (GINA) zusammen. In Studien hatte sich herausgestellt, dass eine kombinierte Bedarfsmedikation (Formoterol/Budesonid) bei Patienten mit mildem Asthma (Stufe 1, keine kontinuierliche Therapie mit ICS) einer Bedarfstherapie mit einem kurz wirksamen Beta-2-Mimetikum allein in Bezug auf Asthmakontrolle und Exazerbationsreduktion überlegen war (7). Bei schwerem Asthma der Stufen 4 oder 5 werden in den GINA-Guidelines 2021 nicht mehr primär Steroide, sondern jeweils geeignete Antikörper empfohlen. Wenn beispielsweise ein schweres Asthma der Stufe 5 mit hoch dosiertem ICS plus lang wirksamem Beta-2-Mimetikum mit oder ohne Tiotropium nicht ausreichend kontrolliert werden kann, stehen mittlerweile verschiedene Antikörper zur Verfügung. Bei vorwiegend allergischem Asthma können IgE-Antikörper angewendet werden. In einer Studie reduzierte der IgE-Antikörper Omalizumab bei Patienten mit perennialen Allergien innerhalb von 28 Wochen die Anzahl klinisch relevanter Exazerbationen im Vergleich zu Plazebo (8). Patienten mit deutlich erhöhter Eosinophilie können mit IL-5-Antikörpern oder IL-5-Rezeptor-Antikörpern behandelt werden. Je ausgeprägter die Eosinophilie ist, umso besser sprechen die Patienten bezüglich einer Verbesserung der Lungenfunktion und der Reduzierung der Exazerbationshäufigkeit auf die Antikörper an. Derzeit sind die IL-5-(Rezeptor)-Antikörper Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab zur Behandlung von Asthma zugelassen. Für Patienten mit einer Typ-2-Entzündung und erhöhter Eosinophilenzahl und/oder einem erhöhten Gehalt an Stick-
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stoffmonoxid in der Atemluft steht der IL-4/IL-13-Antikörper Dupilumab zur Verfügung.
COPD
Bei COPD seien ICS nicht für alle Patienten geeignet, so Leuppi. Der Einsatz von Steroiden erfolgt bei COPD entsprechend den Patientencharakteristika. Steht bei COPD-Patienten Dyspnoe im Vordergrund, sollte man Bronchodilatatoren einsetzen und von Steroiden absehen. Bei Patienten mit Exazerbationen im Vordergrund kann man mit einer dualen Bronchodilatation beginnen. Bei Eosinophilie oder einer Asthmadiagnose in der Vergangenheit sollte man der dualen Bronchodilatation ein inhalatives Steroid zufügen. Die aktuellen Behandlungsempfehlungen der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) lauten wie folgt: s Patienten der Gruppe A haben so gut wie keine relevanten
Exazerbationen (0–1 Hospitalisierung) und eine geringe Symptomatik. Für diese Gruppe wird – je nach Wunsch des Patienten – ein kurz wirksames Beta-2-Mimetikum (SABA) oder ein lang wirksames Beta-2-Mimetikum (LABA) empfohlen. s Patienten der Gruppe B sind symptomatisch, haben aber ebenfalls nur sehr wenige relevante Exazerbationen (0–1 Hospitalisierung). Für diese Gruppe besteht eine Empfehlung für ein lang wirksames Anticholinergikum (LAMA) oder ein LABA oder eine Kombination aus beiden. s Bei Patienten der Gruppe C kommt es zu Exazerbationen (≥ 2 oder ≥ 1 Exazerbation mit Hospitalisierung), sie weisen aber nur eine geringe Symptomatik auf. Diese Patienten werden vorzugsweise mit einem LAMA oder einer dualen Bronchodilatation (LAMA/LABA) behandelt. s In Gruppe D treten häufig Exazerbationen auf (≥ 2 oder ≥ 1 mit Hospitalisierung), und die Patienten leiden zudem unter einer stärkeren Symptomatik. Hier ist eine individuelle Vorgehensweise erforderlich.
Referenzen: 1. Udwadia ZF et al.: Post-COVID lung fibrosis: The tsunami that will follow
the earthquake. Lung India. 2021;38(Supplement): S41-S47. 2. Schwensen HF et al.: Fatal pulmonary fibrosis: a post-COVID-19 autopsy
case; J Clin Pathol. 2020;0:1-3. 3. Bösmüller H et al.: The pulmonary pathology of COVID-19. Virchows
Arch. 2021; 478(1): 137–150. 4. Sonnweber T et al.: Cardiopulmonary recovery after COVID-19 – an ob-
servational prospective multi-center trial. Eur Respir J. 2020; 57(4):2003481. 5. Fabbri L et al.: Post-viral parenchymal lung disease of COVID-19 and viral pneumonitis: A systematic review and meta-analysis. MedRixV 2021, doi: https://doi.org/10.1101/2021.03.15.21253593. 6. Horby P et al.: Dexamethasone in Hospitalized Patients with COVID-19. N Engl J Med. 2021;384(8):693-704. 7. O’Byrne PM et al.: Inhaled combined Budesonide-Formoterol as needed in mild Asthma. N Engl J Med. 2018;378(20):1865-1876. 8. Humbert M et al.: Benefits of omalizumab as add-on therapy in patients with severe persistent asthma who are inadequately controlled despite best available therapy (GINA 2002 step 4 treatment): INNOVATE. Allergy. 2005;60(3):309-316. 9. Giannis D et al.: Postdischarge thromboembolic outcomes and mortality of hospitalized patients with COVID-19: the CORE-19 registry. Blood. 2021;137(20):2838–2847. 10. Ramakrishnan S et al.: Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open-label, randomised controlled trial. Lancet Respir Med. 2021;9(7):763-772. 11. Liu SV et al.: Updated Overall Survival and PD-L1 Subgroup Analysis of Patients with Extensive-Stage Small-Cell Lung Cancer treated with Atezolizumab, Carboplatin, and Etoposide (IMpower133). J Clin Oncol. 2021;39(6):619-630. 12. Mansfield AS et al.: Safety and patient-reported outcomes of atezolizumab, carboplatin, and etoposide in extensive-stage small-cell lung cancer (IMpower133): a randomized phase I/III trial. Ann Oncol. 2020;31(2):310-317.
Immuntherapeutika beim kleinzelligen
Lungenkarzinom
In den letzten beiden Jahren wurden Studien zur Wirksam-
keit von Immuntherapeutika beim kleinzelligen Lungenkar-
zinom durchgeführt. In der Studie IMpower133 verglich
man die Standardchemotherapie Carboplatin/Etoposid mit
der Standardchemotherapie plus dem Anti-PD-L1-Check-
point-Inhibitor Atezolizumab. Hier zeigte sich unter der
Kombination mit dem Immuntherapeutikum eine signifi-
kante Verbesserung der 12- und der 18-Monats-Überlebens-
rate im Vergleich zur Standardbehandlung (11). Auch im
Hinblick auf die Lebensqualität wirkte sich die Immunthera-
pie günstig aus. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität war
deutlich besser und konnte im Gegensatz zur Standardche-
motherapie allein stabil auf einem guten Niveau gehalten
werden (12).
s
Petra Stölting
Quelle: Webinar «Pneumologie: 6 Highlights in 60 Minuten». Forum für medizinische Fortbildung, 16. August 2021.
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