Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Gut gesagt: Die Antwort auf einen irrationalen Glauben kann niemals ein anderer irrationaler Glaube sein.
sss
Wer Kunst sammeln kann, hat es geschafft. Oder andersrum: Wer es geschafft hat, sammelt Kunst. So oder so: Kunstsammeln hat zumindest vier Aufgaben und Bedeutungen: 1. Man kann sein Zuviel an Geld, mit dem man nichts Nützliches, Notwendiges oder das Leben Erleichterndes mehr kaufen kann, das man nicht schon besitzt, ausgeben, ohne Kritik befürchten zu müssen. 2. Man gehört damit – wenn man will und genügend Geld einsetzt – zu einem exklusiven kleinen, sehr gediegenen, stillen, nur (noch) dem Schönen und Angenehmen verpflichteten Kreis meist älterer weisser Männer oder wohlhabender (oder wohlverheirateter) exotischer, jüngerer (oder jung erscheinender) Frauen. 3. Man erscheint, wenn man als Mäzen porträtiert wird, überwiegend in renommierten Magazinen, abgelichtet von renommierten Fotografen, vorzugsweise in edlem Schwarzweiss. 4. Man kann mit seinem überflüssigen Geld Gutes tun, ohne gleich soziales Engagement vortäuschen zu müssen und Gefahr zu laufen, wegen der Wahl der falschen Opfer statt bewundert bemitleidet zu werden (wie das etwa Brigitte Bardot ergeht, die sich «nur» um Tiere kümmert). Man kann – 5. – damit natürlich auch Geld verdienen, schwarzes Geld verstecken oder grau erworbenes Geld weisswaschen, aber das ist dann eine andere Sache.
sss
In den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden herrscht Rassismusalarm (Bremen war allerdings schon früher dran). Die Direktion hat mit Schrecken festgestellt, dass viele Bilder in ihrer Sammlung diskriminierende Titel tragen. Von ahnungslosen, ideologisch total überforderten Künstlern selber gewählt. Un-
fassbar. 143 Gemälde und Skulpturen bedurften deshalb dringend einer Umbenennung durch die eifrigen Kulturbeamteten (oder Beamtenden?) – trotz Urheberrechtsschutz der Künstler. «Ideological correctness» geht eben vor, mag sie noch so willkürlich, ignorant und arrogant sein. Und so wurde aus dem «Zwerg» ein «kleinwüchsiger Mann» (in den USA würde das wohl «vertically challenged human being» heissen). Aus «Knabe» wurde «Junge». Aus «Zigeunermadonna» die «Madonna mit stehendem Kind», aus einer «Zigeunerin» eine «Frau mit Kopftuch» und «Indische Eingeborene» sind jetzt bloss noch «Menschen», ohne Herkunft. Der Eskimo wurde zum Inuit, aus dem «Kopf eines Negerknaben» der «Studienkopf eines jungen Mannes» und der berühmte «Mohr mit der Smaragdstufe» wurde zu einem «**** mit …». Fazit, zum x-ten Mal: «Sie spinnen, die Deutschen.» (Übrigens: Auf Facebook-D würde dieser Satz gesperrt [kein Witz, ist passiert!], da diskriminierend.Vermutlich wird Asterix’ «Ils sont fous, les Romains» demnächst auch einer sprachlichen Endlösung zugeführt: «Ils sont d’un esprit particulier, les gens du territoir Romain.» Oder so.). Eigentlich dachte man (bzw. Mann, alt, weiss), Museen seien Institutionen, die sichtbar machen, dass man in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten andere Werte und andere Vorstellungen hatte von der Welt. Doch das scheint bei zeitgeistigen Kulturbeamten geändert zu haben. Nicht ganz unähnlich den Taliban.
sss
Onkel Hugo, stets Ästhet: «Gleichberechtigung und Gleichstellung sind schön, Gendern ist hässlich.»
sss
Der Herr mit den Bibelzitaten lässt nicht locker. Er «warnt»: Auch Agnostiker können bekehrt werden. Nun ja, Gott wird schon nichts dagegen haben, dass man auch daran zweifelt. Aber egal, las-
sen wir das mal so stehen. Das heute gelieferte Bibelzitat lädt – wie jedes (!) – zum Nachdenken ein. Und zum Zweifeln. Grundsätzlich, schliesslich ist die 68erGeneration mit dem Existenzialismus aufgewachsen. Und den wird man nicht so einfach los. «Ein jeder gebe, wie er‘s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb» (Paulus im 2. Korintherbrief 9,7). Schön und gut, aber soo einfach denn doch nicht. Geben mag zwar seliger sein als Nehmen, aber kommt es nicht auch darauf an, was man gibt? Wie viel man von dem hat, das man spendet? Vor allem aber darauf, wem man etwas gibt, und was der Empfänger mit dem Gegebenen anfängt? Und: Ob und wieviel man dem einen weniger gibt als jemand anderem?
sss
Manche Wahrheit wird einzig dadurch etwas weniger wahr, dass der Falsche sie ausspricht.
sss
Es blubbern die Sprechblasen nach verlorenen Wahlen – und bedürfen der Übersetzung: «Es braucht eine schonungslose Analyse» (will sagen: Wir suchen nach Formulierungen, die das Debakel gnädig verdecken). «Wir nehmen den Entscheid mit Demut an» (will sagen: Wir machen weiter wie bisher, legen aber eine kurze Pause ein). «Die Verantwortung liegt auch bei mir» (will sagen: Und da lassen wir sie so lange liegen, bis die Leute das Debakel vergessen haben oder ein neues Debakel ansteht, für das jemand anders die Verantwortung trägt).
sss
Und das meint Walti: Der Sündenbock ist kein Herdentier.
Richard Altorfer
630
ARS MEDICI 21 | 2021