Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Eine bei linken wie rechten Journalisten bekannte, durchaus wirksame journalistische Technik: Wenn Ihnen ein Text (und/oder sein Autor) nicht gefällt, widerlegen Sie reihenweise Behauptungen, die im Text gar nicht drinstehen. Das finden alle toll, die den Text nicht gelesen haben (also die meisten) und den Autor ebenfalls für ein A…och halten. Der Clou: Sie bleiben völlig unangreifbar, solange Sie nicht behaupten, die von Ihnen «widerlegten» Behauptungen hätten wirklich im kritisierten Text gestanden.
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Schlimme Sätze: Mein Vorredner hat alles Wesentliche gesagt. Ich wiederhole es gern noch einmal …
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Ein alter Freund aus fast so alten Zeiten: Aus unserem «Make love, not war!» in jungen Jahren wurde «Make art, not war!». Nicht ganz freiwillig, aber auch schön.
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Eine Bekannte zu ihrer (heiss geliebten) Teenager-Enkelin: «Letzthin habe ich mal wieder Bilder angeschaut aus meiner Jugendzeit, und mir ist aufgefallen: Deine Grossmutter trug extrem kurze Hosen, Hot Pants genannt, hohe Schuhe, Plateausohlen und keinen BH. Sie hörte sich Led Zeppelin an, Janis Joplin und die Rolling Stones, fuhr Motorrad (natürlich eine Honda), las Carlos Castaneda, wusste alles über Pilze, demonstrierte gegen und für, verbrachte manches Wochenende im Quartier Latin in Paris und las Anaïs Nin. Sie rauchte – und zwar nicht nur gewöhnliche Gau-
loises, trank Gin Tonic, Whisky und so’n Zeug. Sie kam um vier Uhr nachts nach Hause und ging am Morgen wieder zur Arbeit. Mir scheint, liebes Kind, du musst noch einiges zulegen, um so cool zu werden wie deine Grossmutter.»
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Ein zynischer Kommentator über das Debakel in Afghanistan: Nein, der Einsatz Europas in Afghanistan war nicht umsonst. Immerhin wissen die afghanischen Intellektuellen jetzt, dass und wie man gendert, und die Taliban*Innen haben erfahren, wie wichtig Mülltrennung ist.
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Schlaue Zeitgenossen haben festgestellt (und auf Facebook gepostet): Wir (die Erde) sind gar nicht überbevölkert. Denn die schlauen Zeitgenossen haben (korrekt!) nachgerechnet: «Alle Menschen zusammengenommen passen sitzend auf die Insel Mallorca.» Ihre Schlussfolgerung: Wir sind gar nicht zu viele, es ist alles – eine «Überbevölkerungslüge!» (Es mag ja Zufall sein, dass das ähnlich tönt wie die Mär von der «Coronalüge».) Erklärung: «Mallorca macht etwa 0,000002 Prozent der weltweiten Landmasse aus (…). Das ist so gross wie eine 20-Cent-Münze auf einem Fussballfeld.» Und dann der Standardsatz aller Irgendwas-Kritiker: «Überlegt einfach selbst!» Gern auch in der Version: «Denk doch mal nach, du Schlafschaf!» Dabei ist das Mallorca-Beispiel gar nicht uninteressant. Man setze 8 Milliarden Menschen auf die Fläche Mallorcas – und was passiert? Ganz einfach: Alle, ausnahmslos alle, werden verhungern. Und weswegen? Genau:Wegen Überbevölkerung. Weshalb sonst?
Die spannende Frage aber ist: Wie gross muss die Insel (oder die Fläche) sein, damit das nicht passiert? So gross wie Madagaskar? Eher nicht. Dort verhungern sie gerad auch. So gross wie Afrika? Auch ein schlechtes Beispiel. Viele Menschen in Afrika versuchen, sich nach Europa durchzuschlagen, um nicht zu verhungern. Frage also nochmals: Wie gross? Oder umgekehrt: Wie viele Menschen verträgt Mallorca wirklich? Voilà! «Denk doch mal nach!»
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Die frivole Gisela: Warum ich die Italiener liebe? Weil sie, statt in stillosen, aber teuren Sneakers genannten Turnschuhen rumzulatschen, die schönsten Schuhe der Welt tragen (oder horten) und sich auch nicht von trendigen Namen wie On (zum Beispiel) ästhetisch korrumpieren lassen.
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Deutschland und die Schweiz kümmern sich um die Mohrenstrasse, andere bauen eine neue Seidenstrasse.
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Auch das gibt’s im Genderwahn: Das Mitglied und «die MitgliederIn». Dabei wäre – wenn man denn Neutra schon gendern will – korrekter: «der» MitGlied und «die» Ohne-Glied … Sorry, das ging jetzt wohl zu weit …
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Und das meint Walti: Heute verspüre ich seit Langem wieder einmal den unbändigen Drang, nichts zu tun.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 19 | 2021