Transkript
FORTBILDUNG
Was tun bei Magnesiummangel?
Symptome, Diagnostik, Substitution
Wann sollte man an einen Magnesiummangel denken, und wie ist dann vorzugehen? Ist Magnesium ein zuverlässiger Laborwert? Bezüglich der Substitution: Welche Magnesiumverbindung ist geeignet und welche Dosis erforderlich? Sollte es zur Nacht gegeben werden oder kontinuierlich zweimal täglich? Welche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten/Substituten, zum Beispiel Kalium oder Kalzium, sind zu beachten? Wie ist das Preis-Leistungs-Verhältnis für den Selbstzahler?
Apostolos Chatzitomaris
Magnesium ist ein intrazelluläres Kation, das bei einer Reihe von Funktionen wie Energietransfer, Protein-, Kohlenhydratund Fettmetabolismus sowie bei der Regulation der Parathormonsekretion eine wesentliche Rolle spielt. Fast alle an Phosphatreaktionen beteiligten Enzyme benötigen Magnesium für ihre Aktivierung. Mangelzustände können potenziell fatale Komplikationen auslösen, von ventrikulären Arrhythmien und Vasospasmen der Koronargefässe bis zum plötzlichen Herztod. Gastrointestinale Absorption (hauptsächlich im Dünndarm) und renale Exkretion regulieren die Magnesiumhomöostase. Die absorbierte Magnesiummenge hängt von der über die Nahrung aufgenommenen Menge ab. Die normale Magnesiumkonzentration im Plasma beträgt 0,75 bis 1,05 mmol/l. Massenhaft Magnesium findet sich in Gemüse, Getreide, Nüssen, Hülsenfrüchten und Schokolade.
Ursachen
Hilfreich für die Ursachenklärung der Hypomagnesiämie ist die fraktionierte Magnesiumexkretion (FEMg = [{Urinmagnesium × Plasmakreatinin}/{Urinkreatinin × Plasmamagnesium}] × 100). Verschiedene renale sowie gastrointestinale Ursachen können zu Hypomagnesiämie führen (1–5). Zu den renalen Ursachen (FEMg > 4%) gehören: s Medikamente wie Schleifendiuretika, Aminoglykoside,
Chemotherapeutika (Cetuximab, Ciclosporin, Cisplatin) und Digoxin s Hyperkalzämie s unkontrollierter Diabetes mellitus (6, 7) s Phase nach akutem Nierenversagen s seltene Tubulopathien (u. a. Bartter-Syndrom, GitelmanSyndrom).
KURZ & BÜNDIG
� Magnesiummangel kann potenziell fatale Komplikationen auslösen, von ventrikulären Arrhythmien und Vasospasmen der Koronargefässe bis zum plötzlichen Herztod.
� Verschiedene renale sowie gastrointestinale Ursachen können zu Hypomagnesiämie führen.
� Geschwindigkeit und Dosis der Magnesiumsubstitution hängen vom Ausmass der Hypomagnesiämie und von der Schwere der klinischen Symptomatik ab.
� Die ambulante Therapie der Hypomagnesiämie basiert auf der Gabe von Magnesiumsalzen, meistens in Tablettenoder Kapselform.
Zu den gastrointestinalen Ursachen (FEMg < 2%) gehören: s Alkoholismus s Malnutrition s sekretorische Verluste s Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren s akute nekrotisierende Pankreatitis. Durch ähnliche Mechanismen können schwere Verbrennungen, Hitze, körperliche Belastung sowie das Refeeding-Syndrom Hypomagnesiämien auslösen. An Magnesiummangel muss man bei unerklärter Hypokaliämie und/oder therapierefraktärer Hypokalzämie, bei Muskelkrämpfen, bei chronischen Durchfällen, bei unklarer neurologischer Symptomatik von Apathie bis zum Delir oder Koma sowie bei Vorhofflimmern und Extrasystolie, vor allem bei ventrikulären Extrasystolen, denken (8, 9). Eine Hypomagnesiämie geht zudem mit im EKG nachweisbarer QT-Verlängerung einher. 480 ARS MEDICI 17 | 2021 FORTBILDUNG Eine erniedrigte Magnesiumkonzentration im Serum ist immer mit einem intrazellulären Magnesiummangel verbunden. Allerdings schliesst eine normale Magnesiumkonzentration einen intrazellulären Magnesiummangel nicht immer aus. An diese Möglichkeit muss bei refraktärer Hypokaliämie und/oder Hypokalzämie insbesondere bei Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit für Hypomagnesiämie gedacht werden (10). Die Bestimmung der Magnesiumexkretion im 24-h-Sammelurin nach intravenöser Magnesiuminfusion (2,4 mg/kg/Körpergewicht [KG]) zur Identifizierung solcher Fälle ist heutzutage obsolet. Bei hochgradigem Verdacht auf einen Magnesiummangel trotz unauffälliger Magnesiumkonzentration im Serum bei Patienten mit Hypokalzämie und/oder Hypokaliämie empfiehlt sich die entsprechende probatorische Magnesiumsubstitution. Die Geschwindigkeit und die Dosis der Magnesiumsubstitution hängen vom Ausmass der Hypomagnesiämie und von der Schwere der klinischen Symptomatik ab. Bei Patienten mit ventrikulären Arrhythmien ist die intravenöse Magnesiumgabe unter Monitorkontrolle indiziert (Bolus von 1–2 g Magnesiumsulfat als Kurzinfusion in 50 ml über 15 min, anschliessend 4–8 g als Dauerinfusion über 24 h). Regelmässige Magnesiumkontrollen sind in diesen Fällen erforderlich, vor allem bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Therapie Die ambulante Therapie der Hypomagnesiämie basiert auf der Gabe von Magnesiumsalzen, meistens in Tablettenoder Kapselform. Die übliche Magnesiumtagesdosis beträgt 240 bis 1000 mg (entsprechend 10–40 mmol), verteilt auf zwei oder drei Einnahmen, normale Nierenfunktion vorausgesetzt. Es stehen Präparate mit folgenden anorganischen und organischen Magnesiumsalzen zur Verfügung: s Magnesiumchlorid s Magnesiumaspartat s Magnesiumgluconat s Magnesiumcitrat s Magnesiumoxid s Magnesiumglutamat s Magnesiumglycerophosphat s Magnesiumkarbonat s Magnesiumorotat. Ob ein bestimmtes Magnesiumsalz zu bevorzugen ist, ist nach derzeitiger Studienlage unklar. Aufgrund der chemi- schen Eigenschaften muss man allerdings von einer besseren Resorption der organischen Präparate ausgehen. Eine Ma- gnesiumübersubstitution kann sich durch Auftreten von Diarrhöen bemerkbar machen. Bei Patienten mit Hypomagnesiämie renaler Genese kann die Gabe von magnesiumsparenden Diuretika wie Amilorid und Spironolacton in Erwägung gezogen werden. Eine gleichzeitige Gabe von Kalium und/oder Kalzium mit Magnesium ist nicht kontraindiziert, sondern meistens so- gar erforderlich aufgrund der langen Dauer bis zum Aus- gleich der Hypokaliämie und der Hypokalzämie unter al- leiniger Magnesiumsubstitution. s Apostolos Chatzitomaris Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie Krankenhaus Bad Cannstatt D-70374 Stuttgart Interessenlage: Der Autor hat keine Interessenkonflikte deklariert. Dieser Artikel erschien zuerst in «doctors today» 5/2021. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. Literatur: 1. Shah GM, Kirschenbaum MA: Renal magnesium wasting associated with therapeutic agents. Miner Electrolyte Metab. 1991;17(1):58-64. 2. Abu-Amer N et al.: Hypermagnesuria in humans following acute intra- venous administration of digoxin. Nephron. 2018;138(2):113-118. 3. Elisaf M et al.: Pathogenetic mechanisms of hypomagnesemia in alco- holic patients. J Trace Elem Med Biol. 1995;9(4):210-214. 4. Tong GM, Rude RK: Magnesium deficiency in critical illness. J Intensive Care Med. 2005;20(1):3-17. 5. Danziger J et al.: Proton-pump inhibitor use is associated with low serum magnesium concentrations. Kidney Int. 2013;83(4):692-699. 6. Tosiello L: Hypomagnesemia and diabetes mellitus. A review of clinical implications. Arch Intern Med. 1996;156(11):1143-1148. 7. White JR Jr. et al.: Magnesium and diabetes: a review. Ann Pharmacother. 1993;27(6):775-780. 8. Agus ZS: Hypomagnesemia. J Am Soc Nephrol. 1999;10(7):1616-1622. 9. Weisinger JR, Bellorin-Font E: Magnesium and phosphorus. Lancet. 1998;352(9125):391-396. 10. al-Ghamdi SM et al.: Magnesium deficiency: pathophysiologic and clini- cal overview. Am J Kidney Dis. 1994;24(5):737-752. 482 ARS MEDICI 17 | 2021