Transkript
Coronaviruspandemie
Übersterblichkeit in der Schweiz
Rückspiegel
Bis anhin schätzt man die Anzahl der an COVID-19 Verstorbenen weltweit auf zirka 4,2 Millionen. Genau weiss man das nicht, weil die Korrelation zwischen Todesfällen und COVID-19 nicht zuletzt davon abhängt, wie intensiv getestet wird und wie zuverlässig die Daten in den einzelnen Ländern erfasst werden. Die Übersterblichkeit, das heisst die über die zu erwartende Mortalitätsrate hinausgehende Zahl an Todesfällen, ist hingegen ein recht zuverlässiges Mass, um eine pandemiebedingte Sterblichkeit in verschiedenen Regionen einzustufen. Anhand öffentlich zugänglicher Sterbefalldaten haben Dr. Dmitry Kobak, Universität Tübingen, und Ariel Karlinsky, Hebräische Universität Jerusalem, die Datenbank World Mortality Dataset angelegt und damit die Übersterblichkeit während der Coronaviruspandemie bis zum Frühsommer 2021 für 103 Länder errechnet. Ihre Analysen ergaben, dass in einigen der Länder, die am schlimmsten von COVID-19 betroffen waren, vor allem Peru, Ecuador,
Bolivien und Mexiko, die Übersterblichkeit bei mehr als 50 Prozent der zu erwartenden jährlichen Sterblichkeitsrate lag. Mehr als 400 zusätzliche Tote pro 100 0 00 Einwohner wurden in Peru, Bulgarien, Nordmazedonien und Serbien gezählt. Zugleich lag die Sterblichkeit in Ländern wie Dänemark, Australien und Neuseeland während der Pandemie unter dem üblichen Niveau, möglicherweise wegen der dortigen Abstands- und Hygieneregeln, die auch andere Infektionskrankheiten reduzierten. In der Schweiz betrug die Übersterblichkeit 100 Fälle pro 100 000 Einwohner. Das waren etwa gleich viele wie in Frankreich (110), Österreich (110) und Liechtenstein (120), etwa halb so viele wie in Italien (210) und doppelt so viele wie in Deutschland (50). RBO s
Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 3. August 2021 und Karlinsky A, Kobak D: Tracking excess mortality across countries during the COVID-19 pandemic with the World Mortality Dataset. eLife 2021;10:e69336.
Prävention
Primärer Pap-Test nur noch für Jüngere
Das nationale Expertengremium Krebsfrüherkennung (Cancer Screening Committee) empfiehlt für Frauen von 30 bis 70 Jahren nun den HPV-Primärtest als Screening auf Zervixtumoren. Unter 30 Jahren soll hingegen weiterhin die Zytologie durchgeführt werden. Das empfohlene Screeningintervall beträgt 3 Jahre, eine Ausdehnung auf 5 Jahre scheint möglich. In der Schweiz erkranken jährlich rund 260 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, etwa 70 sterben daran. Fast alle Tumoren des Gebärmutterhalses gehen auf eine persistierende HPV-Infektion zurück. Häufigste Screeningmethode ist derzeit die Untersuchung auf Zellveränderungen im Zervixabstrich (PapTest). International wird der Abstrich mittlerweile vermehrt auf bestimmte HPV untersucht. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass die Zytologie im Alter zwischen 21 und 29 Jahren sinnvoller sei, weil HPV-Infektionen in diesem Alter sehr häufig sind und meist von selbst wieder abheilen, sodass weitere Abklärungen aller HPV-Infektionen in diesem
Alter überflüssig und teilweise belastend
seien. Anders sieht es bei den Älteren aus:
«Die Evidenz weist darauf hin, dass der pri-
märe HPV-Test in dieser Altersgruppe im Ver-
gleich mit der Zytologie klinisch effektiver
und kosteneffektiv ist», sagte Prof. Dr. Marcel
Zwahlen, Präsident des Expertengremiums.
Bereits heute wird in der Schweiz für das Zer-
vixscreening ein 3-Jahres-Intervall empfohlen.
Die Praxis ist jedoch nicht einheitlich: Oft wird
jedes Jahr eine Vorsorgeuntersuchung durch-
geführt, manchmal zu selten oder nie. Man
fand keinen Hinweis auf einen klinischen Vor-
teil des jährlichen Screenings. Deshalb empfeh-
len die Experten ein Screeningintervall von
3 Jahren, unabhängig von der Altersgruppe.
Möglicherweise reichen auch 5 Jahre aus. Die
vorhandenen, aber noch spärlichen Daten
zeigten keine bedeutsamen Unterschiede zwi-
schen 3- und 5-jährigen Intervallen, heisst es in
einer Medienmitteilung.
RBO s
Medienmitteilung des nationalen Expertengremiums Krebsfrüherkennung (Cancer Screening Committee) der Schweiz vom 11. August 2021.
Vor 10 Jahren
Pränataler Bluttest
Ein Unternehmen in Konstanz führt Bluttests durch, mit deren Hilfe bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche im Blut der Mutter festgestellt werden kann, ob das Kind Trisomie 21 aufweist oder nicht. Amniozentesen werden dadurch grösstenteils überflüssig. Vier Jahre später, ab 2015, übernehmen die Schweizer Krankenkassen die Kosten für den Test in der obligatorischen Versicherung, womit weltweit erstmals ein nicht invasiver Pränataltest von einem staatlichen Gesundheitssystem als Routineleistung bezahlt wird.
Vor 50 Jahren
Verbot von DDT
In Deutschland wird 1971 das Insektenvernichtungsmittel DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) verboten, weil es unter Verdacht steht, krebserregend zu sein. Die zahlreichen weiteren schädlichen Wirkungen in Umwelt und Natur spielen für den Entscheid offenbar keine Rolle. In der Schweiz kommt das DDT-Verbot 1972. Entdeckt hatte die insektizide Wirkung des DDT der Schweizer Chemiker Paul Hermann Müller 1939 als Mitarbeiter des Unternehmens Geigy, das DDT 1942 auf dem Markt brachte. Müller erhielt für seine Entdeckung 1948 den Nobelpreis.
Vor 100 Jahren
Tuberkulose-Impfstoff
Der Tuberkulose-Impfstoff Bacillus Calmette-Guérin (BCG) wird am 18. Juli 1921 zum ersten Mal beim Menschen angewendet. Es handelt sich um abgeschwächte Mykobakterien, die von Albert Calmette und Camille Guérin gezüchtet wurden, woraus sich die Bezeichnung BCG erklärt. In der Schweiz wird die BCG-Impfung heutzutage aufgrund der epidemiologischen Situation nur noch für spezielle Risikogruppen empfohlen, nämlich für Neugeborene und Säuglinge unter 12 Monaten, wenn die Eltern aus einem Land mit hoher Tuberkuloseprävalenz (Afrika, Asien, Südamerika, Osteuropa) kommen und wahrscheinlich wieder dorthin zurückkehren. RBO s
ARS MEDICI 17 | 2021
461