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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Coronaviruspandemie
Diabetes wegen COVID-19
Diabetes gilt als Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf. Dass auch umgekehrt ein schwerer COVID19-Verlauf zu einem Diabetes führen kann, ist weniger bekannt. Gemäss verschiedenen Studien komme es bei zirka 15 Prozent der COVID-19-Patienten, die ins Spital müssen, zu einem neu auftretenden Typ-2-Diabetes, heisst es in einer Medienmitteilung der Universität Basel. In einer Studie, an der auch ein Basler Team beteiligt war, wurde nun nachgewiesen, dass das Coronavirus in der Tat die Betazellen der Bauchspeicheldrüse infizieren kann. Anders als im Lungengewebe, wo das Coronavirus vor allem über den ACE2-Rezeptor in die Zellen eindringt, ist in der Bauchspeichel-
drüse das Neuropilin 1 (NRP1) die Eintrittspforte. Laborversuche mit Betazellkulturen ergaben zudem, dass infizierte Zellen weniger Insulin produzieren und Anzeichen von Absterben aufweisen. Wie oft ein bleibender Diabetes infolge von COVID-19 entstehe, liesse sich anhand der aktuellen Studienlage nicht mit Sicherheit sagen, so Co-Autor PD Dr. Matthias Matter, Universität Basel. Es gebe Hinweise darauf, dass bei Betroffenen mit Long COVID auch mehrere Wochen bis Monate nach akuter COVID-19 noch Diabetes feststellbar sei (1). Vor der Möglichkeit einer Diabetesinduktion durch COVID-19 warnt auch der deutsche Diabetologe Prof. Stephan Martin. Er sei sich zwar nicht
sicher, ob diese nach COVID-19 häu-
figer sei als nach anderen Virusinfek-
ten, aber es sei sicher sinnvoll, bei
Post-COVID-19-Patienten genauer
hinzuschauen und auf Diabetes abzu-
klären. Martin berichtet von Analysen
aus den USA und England, wonach die
Diabetesrate bei COVID-19-Patienten
sogar um 39 Prozent erhöht gewesen
sei und ihr Diabetesrisiko 20 Wochen
nach der Erkrankung um 50 Prozent
höher als bei vergleichbaren Personen
ohne COVID-19 (2).
RBO s
1. Medienmitteilung der Universität Basel vom 1. Juni 2021.
2. Folgt COVID-19 eine Diabetespandemie? Medscape, 10. Juni 2021.
Angststörungen
Onlinetherapie als Überbrückung oder therapiebegleitende Massnahme
In der neuen Fassung der S3-Leitlinie zur Therapie und Diagnostik von Angststörungen werden erstmals Onlinetherapien als Überbrückung bis zum Beginn einer Psychotherapie oder als therapiebegleitende Massnahme empfohlen. Ob solche Interventionen genauso wirksam sind wie eine persönliche Therapie, ist umstritten. An der Aktualisierung der Leitlinie beteiligte Experten wie Prof. Borwin Bandelow, Universität
Foto: fancycrave1, pixabay.com
Göttingen, glauben das nicht: «Die Wirksamkeit der Onlinetherapie für die Praxis dürfte überschätzt werden, da die Studienteilnehmer sehr selektiv – meist mit akademischem Hintergrund – eingeschlossen werden.» Zudem seien bei vielen einschlägigen Studien sowohl das Studiendesign als auch die Studiendurchführung methodisch fragwürdig, so Bandelow. In der Leitliniengruppe habe deshalb Einigkeit bestanden, dass eine Onlinetherapie eine Psychotherapie keinesfalls ersetzen könne, sondern nur zur Überbrückung bis zum Beginn einer Psychotherapie oder als therapiebegleitende Massnahme zur Vertiefung der Behandlung dienen sollte, sagte Leitlinienkoordinator Prof. Manfred Beutel, Universität Mainz. Nach wie vor liegen für die kognitive Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie die meisten positiven Studienbefunde vor, sodass diese beiden Thera-
pien bei Angststörungen weiterhin an
erster Stelle empfohlen werden. Eine
psychodynamische Therapie (Fokus auf
unbewusste Konflikte, die bearbeitet
und aufgelöst werden sollten) kommt
infrage, wenn sich eine kognitive Ver-
haltenstherapie als nicht wirksam er-
wiesen hat, nicht verfügbar ist oder eine
diesbezügliche Präferenz des informier-
ten Patienten besteht. Bei sozialer Pho-
bie wird eine systemische Therapie (Fo-
kus auf Störungen im sozialen Umfeld)
empfohlen, wenn weder die kognitive
Verhaltenstherapie noch eine psycho-
dynamische Therapie wirksam oder
verfügbar ist. Auch die Möglichkeit,
sich bei sozialer Phobie in einer virtuel-
len Realität seinen Ängsten zu stellen,
wird jetzt als Ergänzung zur Standard-
therapie empfohlen.
RBO s
Medienmitteilung zum Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie vom 10. Juni 2021.
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ARS MEDICI 13 | 2021
Geriatrie
Sturzprävention zu Hause ist wirksam
Rückspiegel
Foto: Rheumaliga Schweiz
Das Sturzpräventionsprogramm «Sicher durch den Alltag» der Rheumaliga Schweiz wird seit 2011 in Seniorenhaushalten durchgeführt und regelmässig von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) evaluiert. Neue Studienergebnisse belegen nun, dass das Programm in der Tat die Anzahl der Stürze reduzieren und somit auch sturzbedingte Folgekosten im Gesundheitswesen senken kann. Das Programm ist in erster Linie für selbstständig zu Hause lebende, nicht demente Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren gedacht, bei denen in absehbarer Zeit kein Eintritt in ein Pflegeheim geplant ist. Das zentrale Element ist ein Hausbesuch. Er dauert zirka 60 bis 90 Minuten. Speziell geschulte Physiooder Ergotherapeuten klären vor Ort das individuelle Sturzrisiko und die Sturzangst der Senioren ab. Sie beseitigen, sofern möglich, allfällige Stolperfallen in der Wohnung sofort, oder sie geben Rat, wie man diese beseitigen kann. Ausserdem instruieren sie die Senioren in kleinen Übungen für Gleichgewicht und Kraft, die jederzeit zu Hause ohne fremde Hilfe durchgeführt werden können. Nach dem Hausbesuch wird dem Teilnehmer und seinem Hausarzt ein Bericht zugeschickt. Die Senioren werden nach einiger Zeit telefonisch kontaktiert, um nachzufragen, ob sie einen
weiteren Hausbesuch wünschen, was nur bei
zirka 1 Prozent der Befragten der Fall ist.
In der Studie wurden die Häufigkeit von Stür-
zen, die Sturzangst und die Lebensqualität im
Jahr vor und nach dem Hausbesuch evaluiert.
Beteiligt waren 639 Seniorinnen und Senio-
ren, die nach dem Hausbesuch mehrmals tele-
fonisch befragt wurden. Es nahmen etwas
mehr Frauen (59%) als Männer an der Studie
teil. Das Durchschnittsalter lag bei 82 Jahren,
mit einer Spannweite von 57 bis 97 Jahren.
Knapp über die Hälfte der Teilnehmer lebte
allein (52%). Die meisten benötigten eine
Brille (87%) und etwa jeder Zehnte eine Geh-
hilfe (11%). 51 Prozent berichteten von
Schmerzen beim Gehen, 32 Prozent von
Schwindel und 54 Prozent von Gleichge-
wichtsproblemen. Ein Drittel der Teilnehmer
hatte Schwierigkeiten, vom Stuhl aufzustehen
(33%).
Vor dem Hausbesuch wurden 855 Stürze im
Jahr gezählt, was einer Sturzrate von 1,35
Stürzen pro Personenjahr entspricht. Nach
dem Hausbesuch waren es 652 Stürze bezie-
hungsweise 1,02 Stürze pro Personenjahr. Die
relative Verminderung der Sturzrate betrug
somit rund 24 Prozent.
Für die Sturzangst, die Lebensqualität und die
körperliche Aktivität zeigten sich kleine, aber
statistisch signifikante Effekte. So bewegten
sich die Teilnehmer nach dem Hausbesuch im
Durchschnitt rund 10 Minuten länger pro
Tag als zuvor. Für die Lebensqualität in Bezug
auf die Gesundheit waren gemäss einer visu-
ellen Analogskala moderate Effekte nach 4
und 8 Monaten zu verzeichnen, aber keine
mehr nach 1 Jahr.
Mit der Teilnahme am Sturzpräventionspro-
gramm konnten innerhalb eines Jahres
48 Prozent der medizinisch behandlungsbe-
dürftigen Stürze vermieden werden. Auch
eine «number needed to treat» wurde ermit-
telt: Es braucht insgesamt 12 Hausbesuche,
um einen schweren Sturz mit medizinischen
Folgen zu verhindern.
Das Sturzpräventionsprogramm der Rheu-
maliga Schweiz wird von mehreren Kranken-
versicherungen unterstützt. Interessierte kön-
nen sich direkt bei ihrer Versicherung
erkundigen.
RBO s
Medienmitteilung der Rheumaliga Schweiz vom 10. Juni 2021 und Schlussbericht über die prospektive Studie zur Sturzprävention der Rheumaliga Schweiz (RLS), «Sicher durch den Alltag» (https://www.rosenfluh.ch/qr/sturzpraevention).
Vor 10 Jahren
Aus für Raumfähren
Mit der Landung der «Atlantis» geht am 21. Juli 2011 die Ära der Raumfähren in den USA zu Ende. Insgesamt 5 Spaceshuttles wurden gebaut. Sie absolvierten innert 30 Jahren 135 Flüge, mit denen Astronauten und Material zur Raumstation oder Satelliten und Raumsonden ins All gebracht wurden. Zwei Katastrophen, bei denen die Besatzungen ums Leben kamen, überschatten die Erfolge der Raumfähren: die Explosion der «Challenger» kurz nach dem Start 1986 und das Auseinanderbrechen der «Columbia» beim Wiedereintritt in die Atmosphäre 2003.
Vor 50 Jahren
Abgeschaffte Pockenimpfung
Die Gesundheitsbehörden in den USA und in Grossbritannien erwägen, die generelle Pockenschutzimpfung abzuschaffen, weil das Risiko für impfbedingte Nebenwirkungen das Erkrankungsrisiko seit einiger Zeit deutlich überschreitet. Seit 1949 wurden in den USA keine Pockenerkrankungen mehr registriert, in Grossbritannien starben in den letzten 20 Jahren 47 Personen an Pocken. In der Schweiz wurde der letzte Pockenfall 1963 gemeldet, die Impfung wird hierzulande seit 1972 nicht mehr durchgeführt.
Vor 100 Jahren
Augenschaden nach Sonnenfinsternis
Ein Fallbericht im «British Medical Journal» dokumentiert, welche Folgen die Betrachtung einer Sonnenfinsternis mit blossem Auge haben kann. Die 27-jährige Patientin hatte die in weiten Teilen Grossbritanniens und Irlands zu beobachtende Sonnenfinsternis am 8. April 1921 ohne jeglichen Augenschutz «nur für wenige Sekunden» betrachtet. In der Folge leidet sie unter unscharfem Sehen und zentralen Ausfällen im Gesichtsfeld. Die Patientin wird mit Natriumiodid und einer dunkel getönten Brille behandelt. Sie hat Glück: Nach rund zwei Wochen gehen die Beschwerden wieder zurück. RBO s
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