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FORTBILDUNG
Schwangerschaft bei adipösen Frauen
Risiken, Prävention und therapeutische Optionen
Der Anteil übergewichtiger und adipöser Frauen steigt. In der Schwangerschaft ist bei ihnen mit erheblichen Komplikationen für Mutter und Kind zu rechnen. Im Folgenden werden Empfehlungen internationaler Gesellschaften vorgestellt und daraus praxisrelevante, sinnvolle Empfehlungen abgeleitet.
Fabienne Trottmann
2017 waren 41,9 Prozent der damals über 15-jährigen Schweizer Bevölkerung übergewichtig oder adipös. Bei den Frauen lag der Anteil mit 33 Prozent etwas tiefer, jedoch deutlich höher als noch 25 Jahre zuvor, als nur 21,9 Prozent der Frauen als übergewichtig oder adipös galten (1). Für das benachbarte Ausland sind ähnliche Zahlen bekannt. So waren 2017 in Deutschland 36 Prozent der Schwangeren übergewichtig, 14,6 Prozent galten als adipös (2). Berechnungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation (Tabelle 1) ist der Body-Mass-Index (BMI: Quotient aus Gewicht und Körpergrösse zum Quadrat [kg/m2]).
Risiken bereits präkonzeptionell senken
Adipositas, insbesondere die hochgradige mit einem BMI von 40 kg/m2 oder mehr, ist ein erheblicher Risikofaktor für zahlreiche Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt. Idealerweise sollte den Risiken bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft Rechnung getragen und bereits vor der Konzeption eine Gewichtsoptimierung angestrebt werden. Am besten belegt ist der Einfluss der präkonzeptionellen Verfassung – insbesondere der körperlichen Aktivität – auf die Entwicklung eines Gestationsdiabetes (GDM). Nachgewiesen wurde, dass eine regelmässige körperliche Aktivität vor der Schwangerschaft das Risiko eines GDM wirkungsvoller verringert (um bis zu 55%) als eine solche, die erst während der Schwangerschaft begonnen und ausgeübt wird (3).
MERKSÄTZE
� Folsäuresubstitution bereits präkonzeptionell mit 400 μg/Tag; bei Status nach bariatrischen Operationen Folsäuresubstitution mit 800 μg/Tag; weiterer Substratmangel sollte gesucht und therapiert werden.
� Ab BMI ≥ 30 kg/m2 soll zusätzlich zum oralen Glukosetoleranztest zwischen der 24. und der 28. SSW ein Screening auf Diabetes im 1. Trimester erfolgen.
� Allen Schwangeren sollte ein Screening auf Präeklampsie zwischen der 11. und der 14. SSW angeboten werden; bei erhöhtem Risiko < 37. SSW ist eine Prophylaxe mit ASS 150 mg/Tag indiziert.
� Bei adipösen Frauen besteht ein erhöhtes Risiko für fetale Fehlbildungen. Die diagnostischen Methoden (Ultraschall, biochemische Marker, cfDNA) verlieren jedoch bei erhöhtem mütterlichen Gewicht an Genauigkeit.
� Aufgrund des erhöhten Risikos für intrauterine Wachstumsrestriktion und fetale Makrosomie sind regelmässige Wachstumskontrollen im 3. Trimester indiziert.
Folsäure und Vitamin D
Adipöse Frauen haben im Vergleich mit normalgewichtigen Frauen ein bis zu 3-fach erhöhtes Risiko für fetale Neuralrohrdefekte (4). Jedoch gibt es bis dato keine Interventionsstudien, welche die präventive Wirkung einer höheren Folsäuredosis (5 mg/Tag, wie in irischen und englischen Leitlinien für adipöse Frauen empfohlen) belegen (5, 6). Wie bei normalgewichtigen Frauen sollte bereits präkonzeptionell zu einer Folsäuresupplementation von 400 μg/Tag geraten werden (2). Bei Frauen nach bariatrischen Eingriffen sollte hingegen mit 800 μg/Tag Folsäure substituiert werden (7). Die derzeit verfügbaren Empfehlungen für die Vitamin-D-Zufuhr während der Schwangerschaft sind kontrovers, eine Unterteilung nach BMI ist nicht erfolgt. Bei bestehendem Vitamin-D-Mangel wird eine Supplementation empfohlen. Eine Dosierungsempfehlung bei Adipositas liegt nicht vor (2).
Chronische Erkrankungen und PCOS
Adipositas geht häufig mit chronischen internistischen Erkrankungen wie arterieller Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes mellitus einher. Diese sollten vor der Schwangerschaft abgeklärt werden. Gegebenenfalls ist eine bestehende medikamentöse Therapie zu überprüfen und anzupassen.
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Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) tritt bei übergewichtigen Frauen gehäuft auf, und die Insulinresistenz ist einer der typischen Krankheitsbefunde. Nicht selten verhilft Metformin bei PCOS mit nachgewiesener Glukosestoffwech-
Tabelle 1
Gewichtsklassifikation
Klassifikation Untergewicht Normalgewicht Übergewicht/Präadipositas Adipositas Grad I Adipositas Grad II Adipositas Grad III
Empfehlungen gemäss WHO 2008.
BMI (kg/m2) < 18,5 18,5–24,9 25–29,9 30–34,9 35–39,9 ≥ 40
selstörung zu einer Zyklusregulation und somit zum Schwangerschaftseintritt. Nach Eintritt einer Schwangerschaft sollte Metformin gestoppt und analog zum Vorgehen bei Adipositas ein Diabetesscreening in der Frühschwangerschaft empfohlen werden (sofern nicht kurz vor Schwangerschaftseintritt eine solche Untersuchung erfolgt ist). Zurzeit gibt es keine Evidenz für eine signifikante Reduktion der Abortrate, der späteren Entstehung von Gestationsdiabetes oder Präeklampsie durch Fortführen der Metformintherapie (8). Neuere Daten weisen darauf hin, dass bei Gestationsdiabetes unter Metformin das neonatale Geburtsgewicht geringer ist als unter Insulin; jedoch kommt es bei mütterlicher Metformineinnahme im späteren Verlauf der Kindheit zu einer übermässigen kompensatorischen Gewichtszunahme (9).
Bariatrische Eingriffe und Schwangerschaft
Im Vergleich zu adipösen Schwangeren ist die Schwangerschaft nach bariatrischen Eingriffen mit einem geringeren Risiko für Gestationsdiabetes und fetale Makrosomie assoziiert (10). Unmittelbar nach einem bariatrischen Eingriff sollte in der Phase des Gewichtsverlusts, das heisst in den ersten 12 bis 24 Monaten, eine Schwangerschaft vermieden
Tabelle 2
Empfohlene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft
BMI vor der Schwangerschaft
Gewichtzunahme gesamt
Gewichtszunahme pro Woche
< 18 kg/m2
12,5–18 kg
0,5–0,6 kg
18,5–24,9 kg/m2
11,5–16 kg
0,4–0,5 kg
25–29,9 kg/m2
7–11,5 kg
0,2–0,3 kg
≥ 30 kg/m2
5–9 kg
0,2–0,3 kg
Empfehlungen gemäss Institute of Medicine of the National Academies (IOM), USA.
werden. Danach gibt es gemäss der aktuellen Literatur keine Hinweise auf eine erhöhte Fehlgeburtenrate (11). In einer retrospektiven Kohortenstudie konnte gezeigt werden, dass bei Schwangerschaften in den ersten 2 Jahren nach einem adipositaschirurgischen Eingriff im Vergleich mit Schwangerschaften von nicht operierten normalgewichtigen Frauen sowohl die Frühgeburtlichkeitsrate (14% vs. 8,6%) als auch der Anteil der Neugeborenen mit intrauteriner Wachstumsrestriktion (13% vs. 8,9%) erhöht war. Ebenso kam es zu mehr Aufnahmen auf die neonatologische Intensivstation. Bei einem Schwangerschaftseintritt mehr als 4 Jahre nach dem bariatrischen Eingriff lag die Frühgeburtenrate deutlich tiefer, jedoch weiterhin über derjenigen des Kollektivs normalgewichtiger, nicht operierter Mütter (12). Nach bariatrischen Eingriffen sollte kein oraler Glukosetoleranztest durchgeführt werden. Stattdessen sollten serielle Blutzuckermessungen im Sinne eines Blutzuckertagesprofils während mehrerer Tage erfolgen. Ein weiteres Augenmerk sollte auf einen allfälligen Substratmangel und dessen Supplementation gerichtet werden. Eine Anbindung an ein adipositaschirurgisches Zentrum und die Entbindung im Perinatalzentrum sind empfehlenswert (2).
Präeklampsie
Adipositas stellt einen bedeutenden Risikofaktor für Präeklampsie dar, ein BMI ≥ 30 kg/m2 bewirkt eine Risikoerhöhung um den Faktor 3 bis 5 (13). Eine individuelle Risikokalkulation für Präeklampsie sollte allen Schwangeren zwischen der 11. + 0 und der 13. + 6 Schwangerschaftswoche (SSW) angeboten werden (14). Ebenfalls sollte anlässlich des Zweittrimesterscreenings eine Doppleruntersuchung der Aa. uterinae zur Früherkennung einer maternoplazentaren Dysfunktion erfolgen. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS), oral und vor der 16. SSW verabreicht, ist eine wirksame Prävention der frühen Präeklampsie (vor der 37. SSW) (15).
Gestationsdiabetes
Die Anzahl der erst in der Schwangerschaft im Rahmen des Screenings auf Gestationsdiabetes entdeckten Fälle von Typ-2-Diabetes steigt (2). Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) empfiehlt deshalb bei Risikopatientinnen, zum Beispiel bei einem BMI > 30 kg/ m2 bereits im 1. Trimester, eine Bestimmung des Nüchternblutzuckers (≥ 7,0 mmol/l) und/oder eine Blutzuckerbestimmung 2 bis 3 Stunden postprandial (≥ 11,1 mmol/l) durchzuführen (16). Schwangere mit Übergewicht haben ein höheres Risiko für Gestationsdiabetes. Dabei nimmt das Risiko – unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Alter, Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, sozioökonomischem Status, Parität und präexistenter oder schwangerschaftsinduzierter Hypertonie – mit steigendem BMI zu; in den USA ist sie am höchsten in extrem übergewichtigen hispanischen Bevölkerungsgruppen (17).
Gewichtszunahme
Das Institute of Medicine of the National Academies (IOM), USA, gibt Empfehlungen zur Gewichtszunahme während der Schwangerschaft in Abhängigkeit vom BMI (Tabelle 2). Bei 37 bis 50 Prozent der Schwangeren kommt es zu einer exzessiven Gewichtszunahme, die weit über den Werten dieser
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Empfehlungen liegt (18). Eine übermässige Gewichtszunahme ist mit einem höheren Geburtsgewicht > 90. Perzentile (large for gestational age [LGA]) und einem höheren neonatalen Fettanteil assoziiert (19).
Fetale Risiken
Bei adipösen Schwangeren kommt es signifikant häufiger zu Spontanaborten nach spontaner Konzeption. Das Risiko für einen Abort steigt bei einem BMI > 30 kg/m2 gemäss einer retrospektiven Untersuchung um den Faktor 1,3 (20). Chromosomale Aberrationen im mikroskopischen und submikroskopischen Bereich treten bei maternaler Adipositas nicht gehäuft auf. Relevant für die pränatale Diagnostik ist aber das gehäufte Auftreten nicht chromosomal bedingter Fehlbildungen des Feten bei adipösen (im geringeren Ausmass bereits auch bei übergewichtigen) Schwangeren. Zu nennen sind hier insbesondere Neuralrohrdefekte, kardiovaskuläre Fehlbildungen und anorektale Malformationen. Zudem scheinen fetale Omphalozelen bei adipösen Schwangeren gehäuft aufzutreten, wohingegen das Risiko für eine fetale Gastroschisis bei adipösen Schwangeren erniedrigt ist, was möglicherweise auf die starke Assoziation zwischen jugendlichem maternalen Alter und der fetalen Gastroschisis zurückzuführen ist (21).
Pränatale Diagnostik
Adipöse Bauchdecken absorbieren und streuen den Ultraschall stark, sodass die Bildqualität vermindert ist. Die Bildqualität kann durch die Wahl von Arealen mit geringerer Fettdicke optimiert werden. Zum einen kann die Fettschürze hochgezogen und so ein suprapubischer Insonationswinkel gewählt werden. Zum anderen bieten Areale periumbilikal sowie seitlich über der Fossa iliaca oder bei Seitenlage der Patientin weitere Einschallmöglichkeiten. Eine volle mütterliche Harnblase kann den Uterus zudem in eine günstigere Position drücken (22). Ergänzend zum zweiten Screening zwischen der 20. und der 22. SSW können bei adipösen Bauchdecken eine Fehlbildungsausschlussdiagnostik und eine fetale Echokardiografie mittels Transvaginalsonografie, welche oft eine bessere Auflösung zeigt, im Untersuchungszeitraum zwischen der 14. und der 16. SSW durchgeführt werden (23). Im letzten Trimester dienen Ultraschalluntersuchungen zu einem grossen Teil der Überwachung des fetalen Wachstums. Die Diagnose einer fetalen Makrosomie ist hauptsächlich aufgrund der häufigen Kombination von mütterlicher Adipositas mit Diabetes mellitus erschwert, hier ist auch die Genauigkeit der Formeln zur fetalen Gewichtsschätzung verringert (24). Die reduzierte Bildqualität und weitere einschränkende Faktoren wie Narbengewebe, Myome oder Mehrlingsschwangerschaften sollten entsprechend dokumentiert werden. Bei ungenügender Beurteilbarkeit insbesondere beim 1. und 2. Screening sollte eine erfahrenere Fachperson hinzugezogen und ein qualitativ besonders hochwertiges Ultraschallgerät genutzt werden. Die Konzentration der biochemischen Marker zur Risikokalkulation (wie PAPP-A, PlGF und β-hCG) verringert sich signifikant mit zunehmendem maternalen Gewicht. Deshalb ist eine Korrektur des MoM (multiple of median) entsprechend dem maternalen Gewicht zum Zeitpunkt der Blutent-
nahme erforderlich. Ebenso ist die diagnostische Sicherheit der zellfreien DNA (cfDNA) bei den nicht invasiven Pränataltests bei ausgeprägter maternaler Adipositas herabgesetzt. Bei gewissen Aneuploidien wie Trisomie 13 und 18 liegen zudem kleinere Plazenten vor, deshalb werden verringerte Mengen an cfDNA ins maternale Blut abgegeben. Aus diesem Grund ist die Rate zur Entdeckung dieser Aneuploidien allgemein und besonders bei adipösen Schwangeren geringer (25, 26).
Frühgeburtlichkeit und intrauteriner Fruchttod
Abhängig vom BMI steigt bei übergewichtigen oder adipösen Frauen das Risiko für eine Frühgeburt. Bei präadipösen und adipösen Frauen mit einem BMI < 35 kg/m2 steigt das Risiko für eine Frühgeburt zwischen der 32. und der 36. SSW. Bei einem BMI > 40 kg/m2 liegt ein erhebliches Risiko für Frühgeburtlichkeit < 32 SSW vor, insbesondere aufgrund iatrogener Frühgeburtlichkeit (27). Im Rahmen der Schwangerschaftskontrollen soll bei adipösen Frauen speziell auf weitere Risikofaktoren der Frühgeburtlichkeit geachtet werden. In verschiedenen Studien konnte ein bis zu 2-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten eines späten intrauterinen Fruchttodes oder neonatalen Todes gezeigt werden (28, 29). Eine späte intrauterine Wachstumsrestriktion wird im Zusammenhang mit Adipositas und Totgeburten postuliert. Aus diesem Grund scheinen regelmässige Wachstumskontrollen im 3. Trimester essenziell, um fetale Komplikationen wie intrauterine Wachstumsrestriktion oder LGA frühzeitig zu erkennen (30). Ab einem BMI > 40 kg/m2 sollten ab der 36. + 0 SSW wöchentliche klinische Kontrollen erfolgen (2).
Zusammenfassung
Maternales Übergewicht und Adipositas sind in der Schwangerschaft mit erheblicher Morbidität für Mutter und Kind assoziiert. Bereits präkonzeptionell sollten chronische Krankheiten erkannt und mit «schwangerschaftsverträglichen» Mitteln behandelt werden. Ein besonderes Augenmerk ist hier auf hypertensive Erkrankungen und Veränderungen des Blutzuckermetabolismus zu legen. Während der Schwangerschaft ist das Risiko für Komplikationen wie Präeklampsie oder Gestationsdiabetes erhöht. Zudem ist die fetale Morbiditätsrate durch das häufigere Auftreten von Fehlbildungen, Frühgeburtlichkeit und Wachstumsstörungen beeinflusst; die Diagnostik wird oft durch den erhöhten BMI erschwert. Auf jeden Fall sollten wir unsere adipösen Patientinnen und zukünftigen Schwangeren bereits vor einem konkreten Kinderwunsch zu einem gesünderen Lebensstil motivieren. s
Dr. med. Fabienne Trottmann Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: fabienne.trottmann@insel.ch
Interessenkonflikte: keine
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