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Xundheit in Bärn
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes
Erleichterter Zugang zu medizinischem Cannabis
Der Ständerat beschloss als Zweitrat in der Frühjahrssession 2021 eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes betreffend Cannabis-Arzneimittel. Die Abgabe von medizinischem Cannabis durch Ärzte soll ermöglicht und administrativ vereinfacht werden. Es werden fortan keine komplizierten Ausnahmebewilligungen mehr eingeholt werden müssen. Cannabis wird künftig wie andere Substanzen auf der Betäubungsmittelliste von jedem Arzt verschrieben werden können. Nachdem der Nationalrat als Erstrat bereits zugestimmt hatte, wurde die Gesetzesänderung auch vom Ständerat beschlossen. Hier die Voten der Präsidentin der ständerätlichen Kommission und von BR Alain Berset.
Brigitte Häberli-Koller, Ständerätin Kanton TG, Mitte-Fraktion, EVP, für die Kommission (leicht gekürzt):
Mit dieser Vorlage soll der Umgang mit Cannabis-Arzneimitteln erleichtert werden, und das gesetzliche Verkehrsverbot soll auf Cannabis beschränkt werden, das nicht zu medizinischen Zwecken verwendet wird. Um Erkenntnisse über die Verwendung von Cannabis-Arzneimitteln zu erhalten, sollen auch Daten erhoben werden können. Mit dieser Revision sollen die Voraussetzungen so verbessert werden, dass das Heil- und Palliativpotenzial von Cannabis als Arzneimittel besser genutzt werden kann und dass Cannabis-Arzneimittel kranken Menschen mit möglichst geringem bürokratischem Aufwand zugänglich gemacht werden können. Die Aufhebung des Verkehrsverbots für Cannabis zu medizinischen Zwecken im Betäubungsmittelgesetz ist der zentrale Punkt dieses Geschäfts. Eine Ausnahmebewilligung des BAG für dessen Verwendung soll nicht mehr erforderlich sein. Es gibt heute zahlreiche Patientinnen und Patienten, die Medizinalcannabis verschrieben erhalten. Heute ist die Situation so, dass die Ärztinnen und Ärzte beim BAG eine Ausnahmebewilligung einholen müssen. Das erschwert den Zugang für die Patientinnen und die Patienten, verzögert die The-
rapie und ist zudem ein bürokratischer Aufwand. Im Jahr 2019 wurden vom BAG rund 3000 solche Bewilligungen erteilt. Es sollen auch Daten erhoben werden. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sollen verpflichtet werden, dem BAG die notwendigen Informationen zu übermitteln. Damit soll die Entwicklung bei der Anwendung von zulassungsbefreiten CannabisArzneimitteln beobachtet und insbesondere sollen auch Erkenntnisse über deren Sicherheit gewonnen werden. Die so erhaltenen Angaben der wissenschaftlichen Evaluation der Massnahmen sollen den zuständigen kantonalen Vollzugsorganen dienen und auch den verschreibenden Ärztinnen und Ärzten von Nutzen sein. Bis Ende 2021 wird das EDI in einem separaten Prüfungsauftrag abklären, wie die Frage der Vergütung der Kosten beantwortet werden kann. Ebenfalls nicht Gegenstand dieses Entwurfs ist der Bereich der nicht medizinischen Verwendung von Cannabis. Dazu hat der Bundesrat eine separate Vorlage ans Parlament überwiesen, mit der im Betäubungsmittelgesetz eine befristete Grundlage für begrenzte wissenschaftliche Pilotversuche zur Erprobung neuer Regelungen des gesellschaftlichen Umgangs mit Cannabis geschaffen werden soll.
Dazu Alain Berset, Bundesrat:
Je m̕exprimerai une seule fois au nom du Conseil fédéral pour souligner ce qu̕a dit la rapporteuse de commission. Nous avons aujourd̕hui une situation dans laquelle le cannabis à usage médical est de plus en plus utilisé. Depuis 2012, environ 10 000 personnes ont reçu une autorisation exceptionnelle pour des médicaments à base de cannabis; cette autorisation est valable un an. Nous avons constaté une forte augmentation de la demande; actuellement, 3000 autorisations exceptionnelles sont données chaque année. Et pour être tout à fait clair, en réalité ces autorisations ne correspondent plus à leur dénomination ni à leur définition juridique, car elles ont perdu leur caractère exceptionnel. Dans le même temps, des obstacles administratifs et financiers empêchent des patientes et des patients qui pourraient en avoir besoin de demander une autorisation exceptionnelle, parce que c̕est une procédure qui est fastidieuse et que les médicaments sont chers. A quoi est-ce que cela conduit? Vraisemblablement souvent à l̕utilisation de cannabis acquis illégalement à des fins d̕automédication. Donc, constatant cette évolution et constatant aussi le potentiel du cannabis en tant que produit
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thérapeutique et palliatif, le Conseil fédéral propose de résoudre cette contradiction entre l̕utilisation médicale croissante du cannabis et sa classification en tant que stupéfiant interdit grâce à une modification de la loi, qui a été approuvée par le Conseil national – à une très large majorité d̕ailleurs – et par votre commission. L̕objectif est de garantir un accès qui tienne compte du système d̕autorisation et de contrôle assuré par Swissmedic; cela concerne la culture, la fabrication et la
mise sur le marché du cannabis à usage médical qui serait possible dans ce cadre. Il faut également une levée de l̕interdiction pour permettre à l̕agriculture de produire; cela nous paraît important. Nous avons également un accès facilité aux médicaments en lien avec un suivi scientifique par une collecte des données systématique durant une période de plusieurs années – sept ans – de manière à pouvoir faire une évaluation scientifique de l̕évolution.
Il y a encore la question du remboursement qui pourrait se poser puisque l̕on parle de médicaments, mais elle n̕est pas du tout traitée ici, et elle ne doit pas être traitée ici. C̕est une discussion complètement séparée qui connaît ses propres règles et pour laquelle seront faites des évaluations, sur lesquelles les commissions compétentes pourront se prononcer.
POSTULAT vom 18. März 2021
Rechtssicherheit bei Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf/ Cannabis-Produkten
Thomas Minder
Ständerat, parteilos, Fraktion der SVP Kanton SH
Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und in einem Bericht darzulegen, wie die verschiedenen Formen der Hanfplanze (Cannabis) wirtschaftlich besser nutzbar gemacht werden könnten und wie eine zeitgemässe und umfassende Cannabis-Regulierung erlassen werden könnte (inklusive Gesundheits-, Lebensmittel-, Kosmetik-, Arzneimittel-, Strassenverkehrs-, Tabakprodukte- und Zollrecht). Das Ziel soll sein, mehr Rechtssicherheit und einen schweizweit einheitlicheren Vollzug betreffend Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf-/Cannabis-Produkten zu erlangen. Dabei soll auch rechtsvergleichend aufgezeigt werden, wie die Erfahrungen andere Staaten wie z. B. der USA oder Kanadas sind, die den Cannabisgebrauch liberalisiert haben.
Begründung Die derzeitige Schweizer Cannabis-Regulierung beschränkt sich primär auf das Betäubungsmittelgesetz und das Strafrecht; es atmet bis heute den Geist der Prohibition seit den 1960er-Jahren. Während sich die Drogenpolitik betreffend härtere Substanzen mit derVier-Säulen-Strategie (Prävention, Repression, Schadensminderung und Thera-
pie) der 1990er-Jahre konsolidiert und etabliert hat, fehlt demgegenüber bis heute eine nachhaltige und umfassende Cannabis-Politik. In den letzten Jahren wurden zwar einige punktuelle Änderungen getätigt (Ordnungsbussen, ärztliche Abgabe als Medikament), ganz allgemein herrscht im Bereich Produktion, Handel und Konsum von Hanf-Produkten aller Art (Kosmetika, Lebensmittel, Arzneimittel, rekreativer Konsum) aber weiterhin grosse Rechtsunsicherheit und ebenso ein äusserst uneinheitlicher kantonaler Vollzug, ja geradezu Willkür (vgl. Michael Herzig, Frank Zobel, Sandro Cattacin, Cannabispolitik, Zürich 2019). Derzeit laufen im Bereich Cannabis weltweit diverse Reformbestrebungen in Richtung einer Aufhebung der Prohibition. So ist in vielen Bundesstaaten der USA der Cannabis-Markt komplett durchreguliert worden (in bereits 15 der 50 US-Staaten ist Cannabis ab 21 Jahren legalisiert, in ebenso vielen weiteren US-Staaten der Besitz entkriminalisiert), andere Länder ziehen mit verschiedenen Regulierungsmodellen nach (Uruguay, Kanada). Parallel wurden unterschiedlich strenge Präventions- und Kontrollmassnahmen eingeführt, finanziert durch die Besteuerung der Produkte. Staatliche Massnahmen können in einem regulierten Markt gerade wegen der breiten Steuerungsmöglichkeiten gezielter und wirkungsvoller eingesetzt werden. In diesem Sinne schlägt aktuell auch die Eidgenössische Kommission für Suchtfragen (EKSF) zumindest eine Revision derjenigen Teile im BetmG vor, die sich auf Cannabis beziehen. Der Umgang mit Cannabis müsse ganz grundsätzlich neu geregelt werden. Die EKSF geht davon aus, dass eine Markt-
kontrolle die gesundheitlichen Risiken der Konsumierenden verringert, indem die Konzentration und Inhaltsstoffe der gehandelten Substanzen reglementiert und überprüft werden sowie Bestimmungen zum Konsum (Mindestalter, Höchstmenge, Verkaufsmöglichkeiten usw.) erlassen werden können. Mit einer zweckgebundenen Besteuerung der Cannabis-Produkte könne die Finanzierung bereits heute notwendiger Präventions- und Gesundheitsmassnahmen gesichert werden. Eine Neuregulierung von Cannabis müsse auf die gesamte Produktionskette fokussieren (Produktion, Handel, Verkauf, Konsum, Qualitätskontrollen und Besteuerung). Mit differenzierten Regulierungen liessen sich gesundheitsschädigende Konsumformen verringern. Einschränkende Massnahmen seien dort zu ergreifen, wo unbeteiligte Dritte oder vulnerable Gruppen (z. B. Kinder, bevormundete Personen) durch den Konsum gefährdet werden. Nachdem vor bald 20 Jahren der letzte Versuch einer gesamtheitlichen Regulierung des CannabisMarkts gescheitert ist, soll nun das Thema erneut geprüft werden. Dies zumal in den letzten Jahren eine breite Palette von CBD-Produkten (Wirkstoff Cannabidiol) – von Kosmetika über Lebensmittel bis zu Rauchwaren – eine starke Verbreitung gefunden hat. Die EKSF hat in den letzten Jahren detaillierte Studien zum Betäubungsmittelgesetz im Allgemeinen und zur Cannabis-Politik im Speziellen publiziert. Darauf fussend – und mit zusätzlichem Blick auf die volkswirtschaftlichen Potenziale von Hanf – soll nun auch die politische Diskussion aufgenommen werden.
Stand (5.5.21): im Rat noch nicht behandelt.
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