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BERICHT
Rheumatherapie in der Coronapandemie
Welche Wartezeiten bei welcher Therapie?
Nach einem Jahr Erfahrung mit COVID-19 sind bereits einige Daten zusammengekommen, aus denen sich einigermassen abschätzen lässt, ob COVID-19 Einfluss auf das Management von immunsupprimierten Rheumapatienten hat und wenn ja, welchen. Was dabei beachtet werden sollte, erklärte Prof. Hendrik Schulze-Koops, Sektion Rheumatologie und klinische Immunologie, Klinikum der LudwigMaximilians-Universität München, und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), am Webinar von Rheuma Schweiz.
Allgemein lasse sich festhalten, dass Rheumapatienten aufgrund der Coronapandemie keine Verzögerung bei der Einleitung oder der Umstellung von antirheumatischen Therapien erfahren sollten, so Schulze-Koops. Die Versorgung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen sollte wie unter normalen Bedingungen erfolgen, mit Kontrollen alle 3 Monate. Wichtig ist das Beachten der bekannten Risikofaktoren wie beispielsweise Alter, Multimorbidität, Adipositas und eine hohe Aktivität der Grunderkrankung. Der Impfstatus ist zu aktualisieren, insbesondere Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken. Bei entsprechender Indikation empfehle sich eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie-Prophylaxe, so der Rat des DGRh-Präsidenten.
Risiko für schweren Verlauf?
Seit Ausbruch der Pandemie sind in einem Register bis dato etwa 2000 Datensätze zu Rheumapatienten mit nachgewiesener COVID-19 gesammelt worden, woraus sich bereits einige Schlüsse ziehen lassen. Zum Beispiel zu der Frage, ob Rheumapatienten unter immunmodulierender Therapie einen schwereren COVID-19-Verlauf erleiden (1). Von den bis zum 1. November 2020 registrierten 468 Patienten mit entzündlich rheumatischer und muskuloskelettaler Erkrankung (RMD) litt etwa die Hälfte an rheumatoider Arthritis, 29 Prozent mussten hospitalisiert werden, und 5,5 Prozent von ihnen benötigten eine Ventilation, 19 Patienten verstarben. Die Analyse der Daten zeigte, dass Patienten > 65 Jahre, insbesondere > 75 Jahre, ein 4-fach höheres Risiko für eine Hospitalisierung beziehungsweise für einen schweren COVID-19-Verlauf hatten. Bei Patienten unter einer Glukokortikoidtherapie > 5 mg/Tag (vs. keine) war das Risiko 4-fach, bei einer kardiovaskulären Erkrankung 3,4-fach, bei chronischer Nierenerkrankung 3-fach, bei interstitieller oder chronisch entzündlicher Lungenerkrankung 2,8-fach und bei mittelschwerer bis schwerer RMD 2-fach erhöht. Patienten mit einer Spondylarthritis hatten gegenüber jenen mit rheumatoider Arthritis ein geringeres Risiko für einen schweren Verlauf (2).
Auf europäischer Ebene gibt es die EULAR-COVID-19-Datenbank (EULAR: European Alliance of Associations for Rheumatology) mit über 6000 Einträgen von Rheumapatienten mit COVID-19 (3). Anhand dieser Daten zeigt sich, dass unter den Betroffenen mehr Frauen sind (65%) und mehr Patienten mit rheumatoider Arthritis (37%). Die Verteilung der rheumatischen Erkrankungen und deren Therapie entsprechen aber dem Muster bei den Rheumapatienten ohne COVID-19. Auffällig sei, dass das Durchschnittsalter mit 55 Jahren um 10 Jahre höher liege als bei der Durchschnittsbevölkerung, so Schulze-Koops. Die häufigsten Symptome der Coronapatienten mit Rheuma sind Husten (56%), Fieber (62%) und Atemnot (36%). Das bedeutet, dass Rheumapatienten mit COVID-19 keine anderen Symptome aufweisen als Coronapatienten ohne Rheuma.
Bei einer SARS-CoV-2-Infektion
Die Rheumatherapie orientiere sich daran, ob Patienten einen symptomatischen oder einen asymptomatischen Coronaverlauf zeigten, erklärte der DGRh-Präsident. Patienten ohne Infektzeichen benötigen keine Änderung der antirheumatischen Therapie. Das gilt auch für jene, die Kontakt zu einer coronapositiven Person hatten, selbst aber keine Infektzeichen aufweisen. Es bestehe kein Grund zur Angst vor einer potenziellen Immunsuppression, so Schulze-Koops. Es ist im Gegenteil zu vermeiden, dass eine Reaktivierung der Grunderkrankung erfolgt. Haben die Patienten nach dem Kontakt zu einer coronapositiven Person leichte Infektzeichen, sollen nach erfolgter Testung die Steroiddauertherapie in der minimal notwendigen Dosierung und auch die antirheumatische Therapie fortgeführt werden. Bei Fieber über 38 Grad erfolgt ein Unterbruch der antirheumatischen Therapie bis zum Abklingen des Fieberschubs. Ist eine Infektion mit SARS-CoV-2 bei fehlenden Infektzeichen erfolgt, sollten Biologika und Small Molecules während der durchschnittlichen Inkubationszeit von 6 Tagen bis zum Ausbruch der Infektion nach dem Coronatest pausiert wer-
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den. Die Glukokortikoidtherapie und auch die Therapie mit konventionellen DMARD (disease-modifying antirheumatic drugs) werden jedoch fortgeführt. Grund dafür ist einerseits, dass konventionelle DMARD wie Methotrexat noch Wochen nach dem Absetzen aktiv sind, und andererseits, dass mit einem Stopp die Gefahr für eine Reaktivierung der entzündlichen Krankheit steigt, was möglichst vermieden werden soll. Sind dagegen Infektzeichen von COVID-19 vorhanden, soll die antirheumatische Therapie bis zum Abklingen der Infektion pausiert, die Glukokortikoidtherapie aber fortgeführt werden (4, 5).
Fragestellung bei einer Impfung
Die DGRh empfiehlt grundsätzlich, Rheumapatienten gegen COVID-19 zu impfen (6). Alle SARS-CoV-2-Impfstoffe (mRNA, Vektor und Protein) sind keine Lebendimpfstoffe, weshalb sie Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen verabreicht werden können. Bei akuter, schwerer, fieberhafter Erkrankung ist eine Verschiebung der Impfung dagegen angezeigt. Eine laufende immunsuppressive Therapie sollte bei einer Impfabsicht nicht verändert werden, da der Impfzeitpunkt in der momentanen Pandemiephase nicht präzis geplant werden kann. Das Risiko für eine Reaktivierung der rheumatischen Erkrankung durch Absetzen der Immuntherapie ist erheblich und sollte deshalb nicht eingegangen werden. Denn eine Reaktivierung gilt als Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf. Bei Patienten unter einer Kortikosteroidtherapie müsse bei einer Impfung nichts geändert werden, solange man sich an den Grundsatz «so viel wie nötig und so wenig wie möglich» halte, so Schulze-Koops. Bei Rituximab hält die B-Zell-Depletion dagegen mehrere Monate an, kurzfristig lässt sich ohnehin nichts ändern. Ist eine Rituximabgabe unbedingt notwendig, sollen bis zur Impfung eines Neoantigens gemäss den EULAR-Empfehlungen 4 Monate verstreichen. Nach der Impfung sind bis zu einer Rituximabverabreichung ebenfalls 2 bis 3 Wochen abzuwarten.
Gleicher Impfschutz bei Rheumapatienten?
Im Vergleich zur Normalbevölkerung könnten Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen unter einer immunsuppressiven Therapie nach einer Impfung zwar einen Antikörper- und Neutralisationstiter aufbauen, jedoch sei dieser weniger hoch, berichtet Prof. Leif Sander, Medizinische Klinik, Infektiologe und Pneumologie, Charité Berlin, von den Ergebnissen einer kleinen Untersuchung (7). Diese zeigte ausserdem, dass je nach Immunsuppression der Einfluss auf die Immunogenität der Impfung variiert: Die B-Zell-Deple-
tion (Rituximab) und Glukokortikoide verringerten die hu-
morale Antwort am stärksten, Januskinaseinhibitoren und
Antimetaboliten (inkl. Methotrexat) reduzierten die Ant-
wort ebenfalls etwas (7). Bei anderen Therapien wie TNF-α-
Hemmern, IL-12/23-Hemmern und Integrinhemmern war
der Einfluss nur schwach ausgeprägt (7). Inwiefern das den
Schutz vor Infektion und Erkrankung kompromittiere, sei
aber noch nicht erwiesen, so Sander.
Aus diesem Grund sollen bei Patienten unter Immuntherapie
nach der Impfung auch keine Antikörper bestimmt werden.
Solange man nicht wisse, ob die Antikörpertiter ein Korrelat
für den Impfschutz darstellten, wo der Cut-off-Wert dafür
läge und was die Konsequenz daraus wäre, sei das nicht sinn-
voll. Dazu gibt es eindeutig noch zu wenig Daten. Bis dahin
muss man mit dieser Unsicherheit leben.
Zur Steigerung der Immunantwort das Methotrexat bei Pa-
tienten in Remission prophylaktisch zu pausieren, davon rät
der DGRh-Präsident ab. Denn die Impfstoffe seien so hervor-
ragend immunogen, dass die Titereinbusse unter Methotre-
xat nicht ins Gewicht falle, eine mögliche Reaktivierung da-
gegen schon, so Schulze-Koops abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Rheumatherapien und Impfung während der Coronapandemie», Webinar von Rheuma Schweiz, 8. April 2021.
Referenzen: 1. Hasseli R et al.: National registry for patients with inflammatory rheu-
matic diseases (IRD) infected with SARS-CoV-2 in Germany (ReCoVery): a valuable mean to gain rapid and reliable knowledge of the clinical course of SARS-CoV-2 infections in patients with IRD. RMD Open. 2020;6(2):e001332. 2. Hasseli R et al.: Older age, comorbidity, glucocorticoid use and disease activity are risk factors for COVID-19 hospitalisation in patients with inflammatory rheumatic and musculoskeletal diseases. RMD Open. 2021;7(1):e001464. 3. European Alliance of Associations for Rheumatology: EULAR COVID-19 Database. https://www.eular.org/eular_covid19_database.cfm 4. Schulze-Koops H et al.: Aktuelle Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie für die Betreuung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen während der SARS-CoV-2/COVID-19Pandemie. Z Rheumatol. 2020;79(4):385-388. 5. Schulze-Koops H et al.: Updated recommendations of the German Society for Rheumatology for the care of patients with inflammatory rheumatic diseases in times of SARS-CoV-2 – methodology, key messages and justifying information. Rheumatology (Oxford). 2021;keab072. 6. Specker C; Ad-hoc-Kommission COVID-19 der DGRh, Schulze-Koops H; Vorstand der DGRh. Impfung gegen SARS-CoV-2 bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen : Empfehlungen der DGRh für Ärzte und Patienten. Z Rheumatol. 2021;80(1):43-44. 7. Deepak P et al.: Glucocorticoids and B cell depleting agents substantially impair immunogenicity of mRNA vaccines to SARS-CoV-2. Preprint. medRxiv. 2021;2021.04.05.21254656. Published 2021 Apr 9.
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