Transkript
BERICHT
Gichttherapie
Stadium der späten Gicht verhindern!
Obwohl die Gicht prinzipiell heilbar ist, werden die Patienten in der Praxis oft nicht konsequent genug behandelt. Zum einen mangelt es an einer ausreichend dosierten harnsäuresenkenden Therapie, zum anderen scheinen viele Patienten die Erkrankung, zumindest in frühen Stadien, nicht genügend ernst zu nehmen. An einer Fortbildungstagung der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie fasste Dr. med. Barbara Ankli die wesentlichen Punkte zur Behandlung von Gichtpatienten zusammen.
Als Spezialistin sieht Dr. med. Barbara Ankli, Leiterin Rheumatologie an der Schmerzklinik Basel, Gichtpatienten meist erst in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung. Die Anzahl der Notfallkonsultationen wegen Gicht steigt. Das sei eigentlich überflüssig, denn die Gicht sei ja gut behandelbar, wenn man sie früh erkenne, sagte die Referentin und betonte: «Es gilt unbedingt, das Stadium der späten Gicht zu verhindern!» Die Prävalenz der Gicht liegt in der Schweiz bei etwa 1 Prozent (1). Sie ist die häufigste Arthritis, und die meisten Patienten werden in der Hausarztpraxis behandelt. Die Gicht ist mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität verbunden, insbesondere mit kardiovaskulären Erkrankungen. Obwohl Gichtschübe sehr schmerzhaft sind, wird die Erkrankung von vielen Patienten offenbar nicht genügend ernst genommen. So erschien in einer Schweizer Studie mit multimorbiden Gichtpatienten nur die Hälfte der Teilnehmer zu den Followup-Terminen, und von denjenigen, die kamen, erreichte lediglich jeder Zweite den Harnsäurezielwert innert 12 Monaten (2). Eine Registerstudie ergab, dass die meisten Gichtpatienten in der Schweiz eine harnsäuresenkende Therapie erhalten, aber nur 57,5 Prozent den Zielwert von < 360 µmol/l unter Allopurinoltherapie erreichen (1). Schuld an der mageren Erfolgsrate sei die Unterdosierung des Medikaments: «Allopurinol wird deutlich zu wenig auftitriert», sagte die Referentin. zips: Die genannten Zielwerte seien wirklich konsequent anzustreben, aber daran mangele es leider noch in den Hausarztpraxen. Die Startdosis von Allopurinol beträgt 100 mg/Tag, sie wird alle 4 Wochen angepasst. Bei Niereninsuffizienz müsse man besonders sorgfältig dosieren, so Ankli. Sie wies darauf hin, dass insbesondere bei Patienten aus dem asiatischen Raum eine Hypersensitivität gegenüber Allopurinol bestehen könne (HLA-B*5801). In einigen chinesischen, thailändischen, afrikanischen und indischen Bevölkerungsgruppen beträgt der Anteil der Träger dieses Allels 20 bis 30 Prozent, bei Nordeuropäern und Japanern hingegen nur 1 bis 2 Prozent. Wird Allopurinol nicht vertragen oder ist es wegen Niereninsuffizienz nicht indiziert, ist Febuxostat eine Alternative. Bei moderater Leber- oder Niereninsuffizienz ist mit Febuxostat keine Dosisreduktion notwendig; ab einer GFR von 15 bis 20 ml/min/m2 muss die Febuxostatdosis auf 40 mg/Tag halbiert werden. Falls Allopurinol allein nicht ausreicht, kam bis anhin die Kombination mit Lesinurad (Zurampic®) infrage (nur bei GFR > 45 ml/min/m2); das Medikament wurde kürzlich in Europa vom Markt genommen. Pegloticase (in der Schweiz noch nicht zugelassen) ist ein Reservemedikament bei schwerer tophöser Gicht und schwergradiger Niereninsuffizienz.
Harnsäuresenkende Therapie ab dem ersten Schub
Die harnsäuresenkende Therapie mit Allopurinol (Zyloric® und Generika) oder gegebenenfalls Febuxostat (Adenuric®) soll nach dem ersten Gichtschub beginnen, sobald die Symptome unter Kontrolle sind. Der Harnsäurezielwert beträgt < 360 µmol/l, bei Vorliegen von Tophi < 300 µmol/l. Die Referentin betonte die Bedeutung des Treat-to-Target-Prin-
Parallele Schubprophylaxe ist wichtig
Gleichzeitig mit der harnsäuresenkenden Therapie ist eine
Schubprophylaxe indiziert. Sie wird mindestens 3 Monate
lang fortgesetzt, nachdem der Harnsäurezielwert erreicht
worden ist, bei Tophi bis zum Auflösen des letzten Tophus.
Als Schubprophylaxe kommen NSAR, niedrig dosiertes Col-
chizin, Steroide (intraartikulär oder systemisch) und die In-
terleukin-1-Blocker Ankinra (in der Schweiz nicht zugelas-
sen) und Canakinumab (Ilaris®) infrage.
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KURZ & BÜNDIG
� Gicht ist heilbar, wird aber oft erst spät diagnostiziert und ungenügend behandelt.
� Harnsäurewert regelmässig kontrollieren und < 360 µmol/l anstreben (Treat-to-Target-Prinzip).
� Eine zusätzliche Schubprophylaxe ist immer notwendig.
Renate Bonifer
Quelle: Referat von Dr. med. Barbara Ankli an der Fortbildungstagung der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie am 14. Januar 2021.
Literatur: 1. Meier R et al.: Gout management in Swiss primary care – a retrospective
observational study. Swiss Med Wkly. 2020;150:w20209. 2. Ankli B et al.: The target uric acid level in multimorbid patients with gout
is difficult to achieve: data from a longitudinal Swiss single-centre cohort. Swiss Med Wkly. 2019;149:w20121.
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ARS MEDICI 10 | 2021