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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Coronaviruspandemie
Immunität nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion
Foto: Gerd Altmann, pixabay.com
Eine überstandene Infektion mit SARSCoV-2 schützt für mindestens 6 Monate zu rund 80 Prozent vor einer Reinfektion. Der Effekt ist altersabhängig. Bei den über 65-Jährigen ist die Schutzwirkung mit 47 Prozent deutlich geringer. Grundsätzlich sollte jeder geimpft werden, unabhängig von einer bereits erfolgten SARS-CoV-2-Infektion, so die Autoren einer neuen Studie aus Dänemark.
In Dänemark wurden dank umfangreicher Gratistestungen 2020 gut zwei Drittel der Bevölkerung getestet, häufig mehrfach, nämlich 4 Millionen Personen mit insgesamt 10,6 Millionen PCRTests. Die Resultate wurden personenbezogen in einer Datenbank erfasst. Das Autorenteam ermittelte nun, bei wie vielen Personen, die in der ersten Welle (März bis Mai 2020) positiv getestet
worden waren, in der zweiten Welle (September bis Dezember 2020) erneut SARS-CoV-2 im PCR-Test nachweisbar war. In der ersten Welle wurden 533 381 Personen getestet, 11727 davon waren positiv (2,2%). Für das Follow-up waren die Daten von 11068 der ehemals positiv Getesteten verfügbar. 72 von ihnen hatten in der zweiten Welle erneut einen positiven PCR-Test. In der zweiten Welle war ihre Positivrate somit deutlich niedriger als bei Personen, die zuvor noch keine Bekanntschaft mit diesem Virus gemacht hatten (0,65% vs. 3,27%). Der Schutz vor einer erneuten Infektion wird von den Autoren auf 80,5 Prozent beziffert (95%-Konfidenzintervall [KI]: 75,4–84,5). Auch eine weitere statistische Analyse, bei der jeweils die 3 Monate nach dem ersten PCR-Test über das Jahr hinweg betrachtet wurden, ergab mit 78,8 Prozent eine ähnliche Grössenordnung für den natürlich erworbenen Schutz (95%-KI: 74,9–82,1). Das Geschlecht spielte dabei keine Rolle, aber das Alter: Bei den über 65-Jährigen lag der natürlich erworbene Schutz vor eine Reinfektion nur bei 47,1 Prozent (95%-KI: 24,7–62,8). Wie lange der natürlich erworbene Schutz vor einer Reinfektion mit SARS-
CoV-2 anhält, ist bis anhin nicht be-
kannt. In der dänischen Studie waren es
mindestens 6 Monate. Hinweise auf ei-
nen nachlassenden Schutz bei Personen,
deren Infektion schon länger als 7 Mo-
nate zurücklag, fanden sich nicht.
In dem untersuchten Zeitraum kursier-
ten in Dänemark noch keine der heute
bekannten Mutationen von SARS-
CoV-2. Die Studie erlaubt auch keine
Rückschlüsse darauf, ob das klinische
Erscheinungsbild der Primärinfektion
(keine, leichte, moderate, schwere Sym-
ptome) einen Einfluss auf den zu erwar-
tenden Schutz vor einer Reinfektion
beziehungsweise den klinischen Verlauf
einer solchen hat.
Klar ist jedoch, dass nach einer durch-
gemachten SARS-CoV-2-Infektion das
Risiko für eine Reinfektion mit dem-
selben Virusstamm zwar sehr unwahr-
scheinlich, aber nicht auszuschliessen
ist. Die Studienautoren betonen, dass
deshalb auch Personen, die schon ein-
mal infiziert waren, geimpft werden
sollten.
RBO s
Hansen CH et al.: Assessment of protection against reinfection with SARS-CoV-2 among 4 million PCR-tested individuals in Denmark in 2020: a population-level observational study. Lancet. 2021;397(10280):1204-1212.
Chirurgie
Erste robotergestützte Pankreas-OP in der Schweiz
Foto: USZ
Am Universitätsspital Zürich (USZ) wurde erstmals ein Tumor der Bauch-
speicheldrüse minimalinvasiv mit dem Operationsroboter Da Vinci erfolgreich entfernt. Dass Operationsroboter für derart grosse und komplexe Operationen jemals geeignet sein würden, wurde früher bezweifelt. Tumoren der Bauchspeicheldrüse werden in der Regel in einer grossen offenen OP entfernt. «Man weiss heute, dass Patienten nach minimalinvasiven Operationen grundsätzlich weniger Komplikationen haben und sich schneller erholen als nach traditionellen offenen Operationen, die einen grossen
Schnitt im Bauchraum erfordern»,
sagte Prof. Pierre-Alain Clavien, Direk-
tor der Klinik für Viszeral- und Trans-
plantationschirurgie am USZ. Das
dürfte gerade für Patienten mit Pan-
kreastumoren wichtig sein, weil erfah-
rungsgemäss jeder zweite Patient nach
dem offenen Eingriff so geschwächt ist,
dass die anschliessende standardmäs-
sige Chemotherapie nicht durchgeführt
werden kann.
RBO s
Medienmitteilung des USZ vom 13. April 2021.
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ARS MEDICI 9 | 2021
Coronaviruspandemie
Entzündungssyndrom auch bei Erwachsenen
Rückspiegel
Das «multisystem inflammatory syndrome» (MIS) wurde zuerst bei Kindern beobachtet und zunächst als «pediatric inflammatory multisystem syndrome» (PIMS) bezeichnet, später auch als MIS-C. Das Syndrom kann aber auch bei Erwachsenen auftreten (MIS-A), wie 2 Fälle aus Deutschland zeigen. Der erste Patient war ein 27-jähriger Mann, der mit hohem Fieber bis 40 °C, Erbrechen, Durchfall sowie starken Bauch-, Kopf- und Gliederschmerzen ins Spital kam. Mehrfach durchgeführte PCR-Tests auf SARS-CoV-2 waren negativ. Ein positiver Antikörpertest bestätigte eine durchgemachte SARS-CoV-2Infektion. Es dauerte 5 Tage bis zur richtigen Diagnose. Dann erfolgte eine kontinuierliche Hydrokortisontherapie, und der Zustand des Patienten verbesserte sich. Beim zweiten Fall handelte es sich um eine 21-jährige Frau, die mit starken Kopf- und Nackenschmerzen, Fieber bis 40 °C, Bauchschmerzen und Durchfall in die Ambulanz kam. Man vermutete zunächst eine Hirnhautentzündung, aber aufgrund der Erfahrung mit dem ersten Patienten wurde bei ihr rascher die Diagnose MIS-A gestellt. Sie wurde ebenfalls mit Kortison behandelt. Zusätzlich erhielt sie Immunglobuline. Auch ihr Zustand verbesserte sich rasch. Das MIS tritt meist 2 bis 4 Wochen nach der Infektion auf. Verläuft COVID-19 mild, ist oft nicht klar, dass die Symptome damit in Zusammenhang stehen könnten. Die Betrof-
fenen haben plötzlich hohes Fieber und Ge-
lenkschmerzen, teilweise treten bei ihnen
Hautausschläge oder eine Bindehautentzün-
dung auf. Oft klagen sie auch über Bauch-
schmerzen, Übelkeit oder Durchfall. Die La-
borwerte weisen auf schwere entzündliche
Reaktionen im Körper hin, ohne dass der
Ursprung der Entzündung erkennbar ist. Da
die Beschwerden sehr vielfältig sein könnten,
bestehe die Gefahr, dass die Erkrankung oft
übersehen werde, so die Autoren des Fallbe-
richts. Einige Symptome sind jedoch bei allen
Patienten zu finden:
s mehr als 5 Tage anhaltendes Fieber
s ausgeprägter Abfall des Blutdrucks mit
Schockgefahr
s stark erhöhte Entzündungswerte ohne
Hinweis auf die zugrunde liegende Infek-
tion
s stark erhöhter NT-proBNP-Wert.
Unter Therapie mit Hydrokortison, Immun-
globulinen und ASS besteht eine gute Pro-
gnose. In beiden Fällen konnten die Patienten
das Spital nach gut 2 Wochen beschwerdefrei
verlassen, und es traten bis anhin keine wei-
teren Beschwerden auf.
RBO s
Rieper K, Sturm A: Erste Fälle des Multisystem Inflammatory Syndrome nach SARS-CoV-2-Infektion bei jungen Erwachsenen in Deutschland. Dtsch Med Wochenschr. 2021; online first March 11, 2021.
Medienmitteilung des Thieme-Verlags vom 22. März 2021.
Radiologie
Weniger Strahlenbelastung durch Zinnfilter
Ein Zinnfilter und besonders sensitive Detektoren reduzieren die Strahlendosis bei einer Computertomografie (CT) um das 10-Fache. Das zeigt eine Studie am Universitätsspital Balgrist, Zürich, wo man das neue Verfahren weltweit erstmals als Standard-CT eingeführt hat. In den letzten 20 Jahren wurde die Strahlendosis bei einer CT zwar deutlich verringert, aber sie war bei einer CT von Knochen und Gelenken immer noch etwa 10-mal höher als bei einer Röntgenuntersuchung. Mit der Verwendung des neuen Zinnfilters wird die Strahlenbelastung in der CT nun auf das Niveau des Röntgens gesenkt, ohne dass die Bildqualität darunter leidet.
Zudem wurde ein Algorithmus entwickelt,
mit dem aus den Bildern der Zinnfilter-CT
zusätzlich virtuelle Röntgenbilder berechnet
werden können. Das ermöglicht hochwertige
CT-Schnittbilder und Röntgenbilder sowie
eine 3-D-Rekonstruktion der Knochen mit
einer einzigen CT bei relativ geringer Strah-
lendosis.
RBO s
Stern C et al.: Pelvic bone CT: can tin-filtered ultra-lowdose CT and virtual radiographs be used as alternative for standard CT and digital radiographs? Eur Radiol. 2021; online first March 12, 2021.
Medienmitteilung der Universitätsklinik Balgrist, 19. April 2021.
Vor 10 Jahren
Nicht ohne Nadel
Keine Nadelstiche mehr beim Blutzuckermessen – dieser Traum ist vorerst vorbei. Ein Schweizer Hersteller, der sein nicht invasives Blutzuckermessgerät schon recht weit entwickelt hat, gibt auf und bietet seine Patente zum Verkauf an. Ein zuverlässiges, marktreifes Verfahren für eine nicht invasive Blutzuckermessung gibt es bis heute nicht.
Vor 50 Jahren
Erste E-Mail
Der US-amerikanische Informatiker Raymond Tomlinson erfindet die E-Mail und führt das @-Zeichen als Trennung zwischen Vor- und Nachnamen ein. Tomlinson arbeitet zu dieser Zeit in Cambridge, Massachusetts, am Arpanet, aus dem das heutige Internet hervorgehen wird. Die Tragweite seiner Erfindung erkennt vorerst keiner. Ein Kollege rät ihm angeblich, niemandem von der E-Mail als neuem Kommunikationsmittel zu erzählen, weil das nicht der Job sei, für den man angeheuert worden sei.
Vor 100 Jahren
Reizstrom bei Lumbago
Im «British Medical Journal» empfiehlt Dr. E. A. Goulden, ein Arzt aus Wales, die Anwendung von «galvanischer Akupunktur» bei Lumbago. Dabei wird über sterile, etwa 10 cm lange Akupunkturnadeln eine Stromstärke von 3 bis 6 mA im Gewebe appliziert. Die notwendige Stromstärke ist individuell unterschiedlich. Der Patient solle etwas spüren, aber Schmerzen seien nicht nötig, schreibt Goulden. Die elektrische Akupunktur sei, richtig angewendet, harmlos, aber sie sollte selbstverständlich mit Augenmass durchgeführt werden: «Die Nadel darf nicht wahllos in jedes Körperteil eingestochen werden, ohne zu bedenken, was sich darunter befindet.» RBO s
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