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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Coronaviruspandemie
Regeln für Geimpfte in den USA
Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) haben erstmals Verhaltensregeln für vollständig gegen COVID-19 geimpfte Personen formuliert, die bei Bedarf aktualisiert werden sollen. Als vollständig geimpft gelten alle Personen 2 Wochen nach der Verabreichung der zweiten Dosis des Impfstoffs von Pfizer/BioNtech (Comirnaty®) oder Moderna (COVID-19 Vaccine Moderna) sowie alle Personen 2 Wochen nach der Einmaldosis der Vakzine von Johnson&Johnson/Janssen (COVID-19 Vaccine Janssen). Die vollständige Impfung ist mit Lockerungen verbunden, aber auch vollständig geimpfte Personen sollen gemäss CDC in vielen Fällen weiterhin Maske tragen sowie auf unnötige Reisen verzichten. Vollständig geimpfte Personen dürfen aber folgende Personen in geschlossenen Räumen ohne Maske und ohne Abstand treffen: s andere vollständig geimpfte Perso-
nen s nicht geimpfte Personen aus einem
anderen Haushalt, sofern diese Personen ein niedriges Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben.
Vollständig geimpfte Grosseltern können also ihre Kinder und Enkel (aus einem Haushalt) in geschlossenen Räumen ohne Maske und ohne Abstand besuchen, vorausgesetzt, es gibt keine ungeimpften Familienmitglieder mit einem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe. Maske, Abstand und die bekannten Hygieneregeln gelten jedoch weiterhin, wenn ungeimpfte Personen aus mehr als 2 Haushalten zusammentreffen. In dem genannten Beispiel mit den Grosseltern wäre das der Fall, wenn die ungeimpfte Nachbarstochter noch dazukäme. Erleichterungen gibt es für vollständig Geimpfte nach einem Kontakt mit Infizierten: s Als Kontaktperson von Infizierten
müssen vollständig geimpfte, asymptomatische Personen gemäss CDC nicht mehr in Quarantäne. Sie müssen aber 14 Tage lang sorgfältig auf mögliche COVID-19-Symptome achten und sich gegebenenfalls selbst isolieren beziehungsweise ärztliche Hilfe suchen und sich testen lassen. Weiterhin an die gängigen Hygieneregeln, Masken und Abstand sollen sich die vollständig Geimpften in folgenden Situationen halten:
s in der Öffentlichkeit
s bei Treffen mit nicht geimpften Per-
sonen, die ein hohes Risiko für einen
schweren COVID-19-Verlauf haben
oder zu einem Haushalt gehören, in
dem eine nicht geimpfte Person mit
einem solchen Risiko lebt
s bei Treffen mit nicht geimpften Per-
sonen aus mehr als einem anderen
Haushalt.
Weiterhin gilt gemäss CDC auch für
vollständig Geimpfte:
s grössere Personenansammlungen
meiden
s bei COVID-19-Symptomen testen
lassen.
RBO s
Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Interim Public Health Recommendations for Fully Vaccinated People. https://www.cdc. gov/coronavirus/2019-ncov/vaccines/fullyvaccinated-guidance.html; aktualisiert 8. März 2021, abgerufen am 21. März 2021.
https://www.rosenfluh.ch/qr/cdc
Coronaviruspandemie
Hilfe bei Long-COVID-Syndrom
Etwa 10 bis 15 Prozent der genesenen COVID-19-Patienten haben mit Langzeitfolgen zu kämpfen, die unter den Bezeichnungen Post-COVID-Syndrom oder Long-COVID bekannt sind. Die Betroffenen leiden vor allem an Lungen- und Herzbeschwerden. Sie fühlen sich häufig extrem erschöpft und klagen über mangelnde Belastbarkeit, Müdigkeit und Luftnot. Wenn nach 6 bis 8 Wochen noch Atemnot vorherrscht, sollte diese abgeklärt werden. Bei stationär behandelten Patienten treten zudem häufig Veränderungen der Lunge auf. Daten aus Österreich machten jedoch Hoffnung auf eine gute Rückbil-
dungstendenz nach 60 beziehungsweise 100 Tagen, heisst es in einer Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (1). Die Vielfalt an dokumentierten Symptomen erschwert es, sie einem klar abgegrenzten Krankheitsbild zuzuordnen. Eine neue S1-Leitlinie soll das ändern. Sie wird voraussichtlich Ende April auf www.awmf.org erscheinen. Eine ambulante Long-COVID-Sprechstunde bietet das REHAB Basel seit März an (2). Patienten nach einer überstandenen Infektion mit SARS-CoV-2 (frühestens 4 Wochen nach Infektion) und mit Symptomen wie beispielsweise
Fatigue, mangelnder körperlicher und
kognitiver Belastbarkeit, Atemnot bei
Belastung, Vergesslichkeit oder Kopf-
schmerzen können sich über ihren
Hausarzt oder direkt im Ambulatorium
des REHAB Basel für die Long-
COVID-Sprechstunde anmelden (auch
ohne Begleiterkrankungen aus den Be-
reichen Neurologie oder Paraplegiolo-
gie).
RBO s
1. Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin vom 18. März 2021.
2. Medienmitteilung REHAB Basel vom 12. März 2021.
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ARS MEDICI 7 | 2021
Orthopädie
Was hilft wirklich bei «frozen shoulder»?
Rückspiegel
Die adhäsive Kapsulitis (frozen shoulder) ist mit einer Prävalenz von 1 bis 2 Prozent eine häufige Erkrankung, deren Ursache bis heute nicht klar ist. Sie beginnt in der Regel ohne erkennbaren Anlass und verläuft in 3 überlappenden Phasen. In der ersten Phase, die 2 bis 9 Monate dauert, schmerzt die Schulter heftig, unabhängig von der Bewegung und vor allem nachts; die Beweglichkeit wird zunehmend eingeschränkt. In der zweiten Phase (4–12 Monate) lassen die Schmerzen nach, und die Schulter «friert ein»; sie kann kaum noch bewegt werden. In der dritten Phase (5–24 Monate) kehrt die Beweglichkeit wieder zurück. Die «frozen shoulder» ist eine im Prinzip selbstlimitierende Erkrankung, und die Patienten können mit der Zeit auch ohne Behandlung wieder schmerzfrei werden. Die Symptome können aber auch über Jahre hinweg weiterbestehen. Es gibt derzeit keinen allgemein anerkannten, internationalen Konsens zur Behandlung von Patienten mit «frozen shoulder». Die Autoren des nach ihren Worten grössten systematischen Reviews auf diesem Gebiet kommen nun zu dem Schluss, dass eine rasche intraartikuläre Steroidinjektion in Phase 1, «beim ersten Kontakt mit dem Patienten», die wirksamste Massnahme sei.
Ausgewertet wurden 65 Studien mit insge-
samt 4097 Patienten. Statistisch signifikante
und gleichzeitig klinisch relevante Vorteile
bezüglich Schmerz und Beweglichkeit zeigten
sich kurzfristig (≤ 12 Wochen) nur für die
intraartikuläre Steroidinjektion. Eine zusätz-
liche Physiotherapie (inkl. Übungen zu
Hause) kann den Erfolg mittelfristig (>12 bis
≤ 12 Monate) verbessern.
Bis anhin wird eine intraartikuläre Steroidin-
jektion nur in Phase 1 empfohlen. Für diese
Einschränkung gebe es aber keine Evidenz,
schreiben Dr. Neal L. Millar und seine Co-Au-
toren von der Universität Glasgow. Sie hätten
auch einige Patienten mit Symptomen seit mehr
als 1 Jahr berücksichtigt, die vergleichbar von
intraartikulären Steroidinjektionen profitiert
hätten wie Patienten mit kürzerer Symptom-
dauer. Insofern sei es möglich, dass auch Patien-
ten in Phase 2 der «frozen shoulder» noch von
der Injektion profitieren könnten.
RBO s
Challoumas D et al.: Comparison of Treatments for Frozen Shoulder: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Netw Open. 2020;3(12):e2029581.
Lesetipps: Übersicht zu Schulterschmerzen: https://www.rosenfluh.ch/qr/schulterschmerz
Tipps und Tricks zu lokalen Steroidinfiltrationen: https://www.rosenfluh.ch/qr/infiltrationen
Rheumatologie
Gicht aus Patientensicht
Die Rheumaliga Schweiz hat eine Onlineumfrage unter Gichtpatienten durchgeführt. Von Oktober bis Dezember 2020 beteiligten sich 199 Patienten (98 Frauen, 101 Männer). Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber trotzdem einen Blick auf die Sicht der Patienten mit Gicht. Gut ein Viertel der Befragten gab an, eher nicht (16%) oder gar nicht (11%) darüber Bescheid zu wissen, was ihre Gesundheitsprobleme auslöse und verschlimmere. 37 Prozent der Befragten nahmen keinerlei Gichtmedikamente ein. Insgesamt 46 Prozent der Befragten gaben an, dass es ihnen schwerfalle, die verordneten Medikamente regelmässig einzunehmen. Es wurden vielfältige Gründe genannt, warum die Medikamente nicht oder nicht regelmässig genommen wur-
den. Erstaunlich häufig, nämlich 20-mal,
wurde angegeben, dass man nicht verstehe,
warum man die Medikamente einnehmen
solle. Auch die Begründung, die Einnahme
von Medikamenten grundsätzlich abzuleh-
nen, kam recht häufig vor, ebenso die man-
gelnde Verträglichkeit der Medikamente so-
wie das Statement, die Gicht mit strenger
Diät, alternativen Methoden und Hausmit-
teln im Griff zu haben. Oft werden Medika-
mente entgegen der Verordnung doch nur
während eines Gichtschubs eingenommen
oder werden in schmerzarmen Zeiten schlicht
vergessen.
RBO s
Medienmitteilung der Rheumaliga Schweiz vom 3. März 2021 und Auswertung der Onlineumfrage «Wie leben Sie mit der Gicht?».
Vor 10 Jahren
Nuggi-Studie
In einem Cochrane-Review geht man der Frage nach, ob es dem Stillen abträglich sei, wenn Säuglinge früh einen Schnuller bekämen. Man befürchtet, dass durch den Gebrauch des Nuggis die Lust am Saugen an der Mutterbrust zurückgehen und somit der Milchfluss früher versiegen könne. Am Ende gibt es Entwarnung für den Nuggi: Sein Gebrauch mindert die Stillrate von Säuglingen im Alter von 3 bis 4 Monaten nicht.
Vor 50 Jahren
Neurotoxische Chinoline
Neurotoxische Nebenwirkungen zeigen sich bei Diarrhömedikamenten, die Chinolinverbindungen mit antibakterieller, antimykotischer und amöbizider Wirkung enthalten. Während in Japan die Produktion und der Verkauf entsprechender Präparate bereits seit seinem halben Jahr verboten ist, beschränkt man sich in Europa darauf, Ärzte an die vorschriftsmässige Dosierung der Medikamente zu erinnern. Definitiv vom Markt genommen werden die Präparate erst Mitte der 1980erJahre. Heutzutage werden solche Chinolinverbindungen nur noch äusserlich angewendet.
Vor 100 Jahren
Acetylcholin entdeckt
Der Pharmakologe Otto Loewi weist in Experimenten an Froschherzen erstmals nach, dass Nervenimpulse nicht nur elektrisch, sondern auch chemisch beeinflussbar sind. Er nennt den Faktor zunächst «Vagusstoff». Der Physiologe Henry Hallett Dale identifiziert die Substanz als Acetylcholin, eine Substanz, die er mit seinem Team bereits 1914 als potenziellen Neurotransmitter isoliert hatte. Loewi und Dale werden für ihre Entdeckung des Neurotransmitterprinzips 1936 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. RBO s
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