Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Chrysippus, ein Philosoph aus Soloi im alten Griechenland, soll vor Lachen gestorben sein, und zwar wegen eines Witzes, den er sich selber erzählte. Vom Witz ist nicht mehr überliefert, als dass es um einen frechen Esel ging. (Übrigens: Auch von Philemon dem Älteren wird erzählt, er sei beim Lachen über einen frechen Esel gestorben.) Ist vielleicht besser, man weiss es nicht so genau. Obgleich sich natürlich schon Fragen stellen wie: Musste Chrysippus (er war 73 Jahre alt) so lachen, weil er den Witz zum ersten Mal hörte (oder wegen einer Alzheimer-Demenz vergessen hatte, dass er ihn schon kannte)? War es gar Selbstmord? Berichte über Lachtote gibt es übrigens viele: Herr Parsons aus Indiana (USA) etwa soll 1893 einen einstündigen Lachanfall mit anschliessendem Schluckauf nicht überlebt haben. Nun ja, es gibt weniger originelle Wege, von dieser Welt zu scheiden. Die Witwe von Alex Mitchel jedenfalls, den ein 30-minütiger Lachanfall beim Anschauen der englischen Comedyserie «The Goodies» bereits im Alter von 50 das Leben kostete, dankte später den Hauptdarstellern der Serie für das fröhliche Lebensende ihres Mannes.
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Inzwischen hicksen sich auch die kleinsten Moderator(hicks)innen-Lichter genderpädagogisierend durchs TV-Programm – immer ganz nahe am Absturz in die Lächerlichkeit. Aber das macht wohl den Reiz dieses Neusprechs aus. Unterstützt werden die obrigkeitsgläubigen Fernsehangestellten (denn dass solcher Unsprech nicht von selbst kommt, sondern von Obrigkeiten dekretiert wird, ist unzweifelhaft) inzwischen vom Duden. Ja, genau der. Der hat nämlich seinen erzieherischen Auftrag ent-
deckt. Wenn es nach den Dudenredaktoren ginge, gäbe es schon bald keine «maskulinen Funktions- oder Berufsbezeichnungen mit geschlechtsübergreifender Bedeutung» mehr. Ein «Reiter», ein «General» und ein «Architekt» sind nach Duden (jedenfalls seit diesem Jahr) ausschliesslich Männer. Frauen können damit nie gemeint sein; sie wären «Reiterin», «Generalin» oder «Architektin». Rein männlich ist demnach auch immer und ausnahmslos «de Beck» oder «de Tokter» oder – die Zoologie darf man keinesfalls ausklammern – «der Wurm». Weibliche Bäcker sind Bäckerinnen, weibliche Tökter Ärztinnen, und ein weiblicher W urm … na ja, da gibt es noch Klärungsbedarf …
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Bullshit der Woche: «Wir müssen den Menschen eine Perspektive geben.»
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An Miasmen glaubte man bis ins 19. Jahrhundert – krankheitsverursachende Materie, die durch faulige Prozesse in Luft und Wasser entsteht. Begründer der Miasmentheorie war ausgerechnet «unser» Hippokrates. Er postulierte «giftige Ausdünstungen des Bodens, die mit der Luft (vgl. «Mal-aria»!) fortgetragen werden und so zur Weiterverbreitung von Krankheiten beitragen». Warum das interessant ist? Weil die für Hippokrates und Zeitgenossen logische Therapie hiess: Lüften, lüften, lüften. Die Doctores früherer Jahrhunderte hätten die heute noch wirksamste allerTherapien gegen Corona – frische Luft – ganz intuitiv eingeführt, ohne das Geringste über Viren zu wissen. Schon bemerkenswert: Bis zur Entwicklung von potenten Impfstoffen hatte auch unsere moderne Medizin nicht viel
mehr anzubieten als Frischluft (und Alkohol zum Desinfizieren). Klar sind wir heute wissenschaftlich weiter als vor Jahrhunderten. Aber soooo viel nun auch wieder nicht.
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Wir erleben gerade das Entstehen einer Zweiklassengesellschaft: die Geimpften und die Ungeimpften. Natürlich werden sie unterschiedliche Rechte haben – beim Reisen, bei Kulturveranstaltungen, in Restaurants. Jedenfalls solange die Coronaseuche noch mottet. Und da in den kommenden Wochen die Älteren die Geimpften sein werden und die Jüngeren die Ungeimpften, werden wieder einmal die Älteren privilegiert sein. Ungerecht? Natürlich ist das ungerecht. Wie so Vieles und Schlimmeres auf der Welt. Doch warten wir’s ab: Vielleicht, wenn eine neue üble Virusmutation uns heimsucht, die sich keinen Deut um Impfungen kümmert, liegt der Vorteil bald wieder bei den Jüngeren. Vielleicht. Je nachdem, wer dann zuerst mit einem neuen, angepassten Impfstoff geschützt wird. Ja, sie verlangt uns viel ab, diese Pandemie. Auch den Umgang mit Ungerechtigkeiten, für die wir niemandem die Schuld geben können.
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Unterschiedliche Standpunkte: Wir sehen ein Reh, das die Strasse überquert. Das Reh sieht eine Strasse, die seinen Lebensraum durchquert.
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Und das meint Walti: Ein Egoist ist jemand, der nicht an mich denkt.
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 6 | 2021