Transkript
UEG-Week
Gelbsucht
Harmlos oder gefährlich?
Ein Ikterus per se sei zwar kein Killer, doch sollte man die Gelbsucht dennoch rasch abklären und nach ihrer Ursache suchen, betonte Prof. George Papatheodoridis, Gastroenterology, Medical School of National Kapodistrian University of Athens (GR), an der UEG-Week. Denn die zugrunde liegende Störung kann durchaus schwerwiegend sein und eine rasche Intervention erfordern.
Wenn sich ein Patient mit einem Ikterus präsentiert, sollten verschiedene Ursachen in Betracht gezogen werden. Ein Ikterus kann prähepatisch von einer isolierten Störung des Bilirubinmetabolismus ausgehen und sich beispielsweise durch eine massive Hämolyse bemerkbar machen. Es kann sich aber auch um ein Problem in der Leber handeln, einerseits um eine akute oder eine chronische Schädigung der Hepatozyten, andererseits um intrahepatische cholestatische Störungen. Mittels Bilirubin- und Leberwerten lässt sich einfach herausfinden, ob es sich um ein prä-, intra- oder posthepatisches Problem handelt (Tabelle). Ein Pseudoikterus sollte zuvor ausgeschlossen werden.
Isolierte Störungen des Bilirubinmetabolismus
Indirekte Störungen des Bilirubinmetabolismus können infolge erhöhter Bilirubinproduktion zum Beispiel bei Hämolyse oder unzureichender Erythropoese entstehen. Eine verringerte Aufnahme von unkonjugiertem Bilirubin aufgrund von Medikamenten oder des Gilbert-Syndroms kann ebenfalls der Grund sein oder aber eine verringerte Konjugierung des Bilirubins wie zum Beispiel beim Neugeborenen-Ikterus. Direktes Bilirubin ist beim Dubin-Johnson-Syndrom und beim Rotor-Syndrom erhöht, tritt aber auch bei verringerter Exkretion aus den Leberzellen in die Gallengänge in gesteigertem Ausmass auf, zum Beispiel bei Sepsis, Lymphomen oder medikamentenbedingt.
Extrahepatische Gallengangobstruktion
Bei einem posthepatischen Ikterus ist eine Gallenabflussstörung die Ursache, die sich im akuten Fall durch kolikartige Schmerzen zeigt, im chronischen Fall jedoch schmerzfrei ist, jedoch über das Courvoisier-Zeichen mit einer prall gefüllten, elastischen tastbaren Gallenblase erkennbar ist. Ursache für die Koliken können Gallensteine oder auch entzündliche beziehungsweise infektiöse Gallengangerkrankun-
gen oder Neoplasien sein. Die Symptomatik kann aber auch durch externen Druck entstehen, zum Beispiel durch Neoplasien ausserhalb der Gallengänge, Pankreatits oder vaskuläre Läsionen.
Problemfeld intrahepatisch
Ein intrahepatischer Ikterus entsteht durch eine einge-
schränkte Aufnahme oder Glukuronidierung von Bilirubin
durch die Leberzellen. Ursache dafür können eine Leberzell-
schädigung, Medikamente oder eine verlangsamte Glukuro-
nyltransferase wie beispielsweise beim Morbus Meulen-
gracht sein. Im akuten Fall kann eine akute Hepatitis oder
eine dekompensierte Zirrhose dahinterstecken, die entweder
viral, medikamentös oder alkoholbedingt ausgelöst wurden
und autoimmuner oder kryptogener Natur sind. Bei Schwan-
gerschaften kann es infolge Fettleber oder Eklampsie eben-
falls zu einem Ikterus kommen.
Intrahepatische cholestatische Störungen können ebenfalls
einen Ikterus auslösen. Dazu zählen Gallengangschädigun-
gen wie bei der primären biliären Cholangitis oder der primä-
ren sklerotischen Cholangitis; Medikamente, Toxine oder
pflanzliche Arzneimittel können aber auch Ursache dafür
sein. Zu einer intrahepatischen cholestatischen Gelbsucht
kann es aber auch bei infiltrativen Lebererkrankungen kom-
men (z. B. durch Infekte, Amyloidose, Sarkoidose, Blutkrebs,
Sichelzellanämie, sekundäre Hämochromatose, rheumato-
ide Arthritis und Kollagenosen).
Eine schnelle Abklärung des Ikterus sei deshalb sinnvoll und
könne in manchen Fällen sogar lebensrettend sein, so der
Experte abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Mistakes in acute jaundice». United European Gastroenterology Week (UEGW) 2020, 10. bis 14. Oktober, virtuell.
Mögliche Ursachen des Ikterus: initiale Differenzialdiagnose
Bilirubin
Isolierte Störung des Bilirubinmetabolismus
erhöht (indirekt oder direkt)
Akute oder chronische Leberzellschädigung
erhöht (vorwiegend direkt)
Intrahepatische cholestatische Störung
erhöht (vorwiegend direkt)
Extrahepatische Gallengangobstruktion
erhöht (vorwiegend direkt)
ALT/AST SAP/GGT
normal
normal
erhöht
normal*
normal*
normal
normal*# erhöht
* vielleicht leicht erhöht # ausser in den ersten Tagen nach einer Gallengangobstruktion, wenn sehr hohe AST/AST-Werte auftreten können Quelle: P. Papatheodoridis, UEG-Week 2020
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CongressSelection Gastroenterologie | März 2021