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UEG-Week
Colitis ulcerosa
In schweren Fällen schnell handeln!
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Prof. Séverine Vermeire
Bei einem akuten Schub einer Colitis ulcerosa muss schnell gehandelt werden, in schweren Fällen ist eine Spitaleinweisung angezeigt. Ziel ist es, eine Remission zu induzieren. Zur Remissionserhaltung gibt es mit Mesalazin und Biologika verschiedene Therapiemöglichkeiten, zu denen an der UEG-Week neue Daten vorgestellt wurden.
Prof. Raja Atreya Dr. Rachel West Prof. Julian Panés Prof. Laurent Peyrin-Biroulet
Für die Colitis ulcerosa sind die blutige Diarrhö, ein rektaler Blutabgang und ein imperativer Stuhldrang typisch (Tabelle). Bei der Therapie ist die Lokalisation der Erkrankung entscheidend. Eine Proktitis und eine Linksseitenkolitis können mit Suppositorien, Klysmen und Schäumen behandelt werden, eine ausgedehnte Kolitis bedarf einer systemischen Therapie. Die Behandlung richtet sich auch nach dem Schweregrad der Entzündung beziehungsweise nach dem Ansprechen auf eine Kortikosteroidtherapie. Bei einem Schub mit leichter bis mässiger Aktivität empfiehlt die S3-Leitlinie die Anwendung von Mesalazin rektal bei Proktitis, je nach Ausdehnung rektal plus oral. Bei fehlendem Ansprechen kann ein Kortikosteroid (z. B. Budesonid MMX) versucht werden, bei Versagen soll Prednisolon peroral oder i.v. eingesetzt werden (1).
Akute schwere Form
Die akute schwere Form weist ohne Kolektomie eine erhöhte Mortalität auf (2). Patienten mit akutem schweren Schub sollten ins Spital überwiesen werden, wo nach Ausschluss einer infektiösen Ursache unmittelbar mit einer intravenösen Kortikosteroidtherapie mit Hydrokortison oder Methylprednisolon begonnen wird. Eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin sollte ebenfalls eingesetzt werden, da das Thromboserisiko bei akuten Schüben steige, berichtete Prof. Raja Atreya, Universität Erlangen-Nürnberg (D), an der UEG-Week. Die Therapie mit (Mesalazin) 5-ASA soll dabei ausgesetzt werden (3). Bleibt die Anzahl blutiger Stühle auch am dritten Tag hoch (> 8/Tag), kann gemäss den britischen Guidelines die Kortikosteroidtherapie weitergeführt werden plus Infliximab 5 mg/Tag i.v. oder Ciclosporin 2 mg/Tag i.v. Der chirurgische Eingriff wäre dazu die nicht medikamentöse
Alternative (3). Zeigt sich innerhalb von 4 bis 15 Tagen ein Ansprechen auf die Notfalltherapie mit Infliximab oder Ciclosporin, kann eine Erhaltungstherapie zur Remissionsinduktion mit Azathioprin oder Vedolizumab eingeleitet werden. Bei Rezidiven oder Intoleranzen kommen andere Biologika wie Infliximab plus Azathioprin, Golimumab, Adalimumab, Tofacitinib oder Ustekinumab zum Einsatz (4).
Neue Daten zur Erhaltungstherapie
Bei der milden bis mittelschweren Colitis ulcerosa ist die Behandlung mit Mesalazin der Hauptpfeiler der Therapie (4). Für die Wirksamkeit zur Remissionsinduktion könnten Dosis und Behandlungsdauer eine Rolle spielen, die in der Praxis oft variierten, erklärte Dr. Rachel West, Franciscus Gasthuis & Vlietland, Rotterdam (NL), an der UEG-Week. Um das zu untersuchen, wurden in der Phase-IV-Beobachtungsstudie IMPACT zwei verschiedene Therapieregimes während 12 Monaten (6 Visiten) verfolgt: 2–4 g /Tag und ≥ 4 g/Tag. An der Studie nahmen 16 holländische Ambulatorien mit 151 Patienten teil. Als primärer Endpunkt der Studie war der Zeitpunkt der Dosisreduktion definiert. 120 Patienten (79,4%) erhielten > 4 g/Tag, unabhängig von der Krankheitsaktivität, und 97 (64,2%) bekamen keine rektale Therapie. Die Dosis konnte nach durchschnittlich 8,3 Monaten reduziert werden. 48 Patienten (31,8%) kamen in diesen Genuss. Die Dosisreduktion erfolgte unabhängig von der Krankheitsausdehnung und wurde bei stärkerer anfänglicher Aktivität später durchgeführt. Zusammenfassend liesse sich sagen, dass Patienten mit einer längeren Induktionstherapie (> 6 Monate vs. 3–6 Monate) ein signifikant tieferes Rückfallrisiko gehabt hätten, besonders jene mit Dosen über 4 g/Tag, das im Vergleich zu Dosen von 2–4g/Tag, so West.
Erhaltungstherapie bei mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa
Die Erhaltungstherapie bei mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa besteht bei Rezidiven unter Mesalazin oder Azathioprin aus Biologika. Zu einigen Biologika wurden an der UEG-Week neue Daten präsentiert.
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CongressSelection Gastroenterologie | März 2021
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UEG-Week
Symptome der Colitis ulcerosa
Blutiger Stuhl (plus mind. 1 weiteres Symptom)
Puls
Temperatur
Hämoglobin
CRP
mild < 4/Tag mittelschwer schwer 4–6/Tag > 6/Tag
< 90/min < 37,5 °C > 11,5 mg/dl normal
≤ 60/min ≤ 37,8 °C > 10,5 mg/dl < 30 mg/dl ≤ 90/min ≤ 37,8 °C < 10,5 mg/dl > 30 mg/dl
Quelle: R. Atreya, UEG-Week 2020
Prof. Julian Panés, Hospital Clinic de Barcelona (E), zeigte eine Zwischenauswertung zum Januskinaseinhibitor Tofacitinib. Nachdem die Wirksamkeit in der Behandlung der mittelschweren bis schweren Colitis ulcerosa zur Remissionsinduktion wie auch zur Remissionserhaltung in den PhaseIII-Studien OCTAVE-Induction und -Sustain nach 8 und 52 Wochen hinreichend hatte belegt werden können (5), ging es jetzt um die Sicherheit in Bezug auf das Auftreten von Malignitäten nach einer jahrelangen Weiterbehandlung. In der OCTAVE-Open-Label-Longterm-Extension-Studie erhielten die Patienten in Remission Tofacitinib 5 m g 2 × /Tag und die Patienten ohne Remission 10 mg 2 × /Tag. Eine Zwischenauswertung bei einer Behandlungsdauer von bis zu 6,8 Jahren der noch laufenden Studie gibt nun Entwarnung. Die Inzidenz von Malignitäten (ausser nicht melanombedingter Hauttumor, NMSC) pro 100 Patientenjahre betrug in der Induktions- und Erhaltungsstudie unter Tofacitinib je 0, in der Plazebogruppe 0 beziehungsweise 1. In der offenen Verlängerung lag die Inzidenzrate bei 0,75, was gemäss Panès zeige, dass es in der Langzeittherapie zu keinem Trend zu Neoplasien komme. Zu NMSC kam es unter Tofacitnib anfänglich etwas häufiger als unter Plazebo (1,26 vs. 0 und 1,91 vs. 0,97), in der offenen Langzeittherapie sank die Inzidenzrate aber auf 0,73. Eine Häufung bestimmter Tumortypen sei nicht zu beobachten, so Panés abschliessend.
Erhaltungstherapie mit Ustekinumab
Prof. Laurent Peyrin-Biroulet präsentierte Langzeitdaten (2 Jahre) zur Erhaltungstherapie mit Ustekinumab hinsichtlich Stuhlfrequenz und Rektalblutungen. In der UNIFIErhaltungsstudie wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Ustekinumab s.c. bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa nach Ansprechen auf die anfänglich intravenöse Induktionstherapie belegt. Ustekinumab (90 mg s.c. alle 8 Wochen) war in Bezug auf Induktion und Erhaltung der Remission signifikant wirksamer als Plazebo (6). Die Patienten konnten nach Beendigung der Erhaltungsstudie in die 3 Jahre dauernde Weiterführung (long term extension, LTE) übertreten. Nachdem 90 Prozent der Patienten bis zum Ende der Erhaltungsstudie nach 52 Wochen eine Normalisierung der Stuhlfrequenz erreicht hatten, blieb dies bei 87 Prozent auch nach dem ersten Jahr der Verlängerung so. Die absolute Zahl der Stühle von anfänglich über 6 pro Tag vor der 8-wöchigen
Induktionstherapie reduzierte sich bis zum Ende der 44-wöchigen Erhaltungstherapiestudie auf 2,3 und blieb auch 1 Jahr später auf diesem Niveau (2,2). 80 Prozent und 1 Jahr später 75 Prozent der Patienten hatten eine Frequenz von ≤ 3 Stühlen pro Tag. Mit einer rektalen Blutungsfreiheit stiegen 90 Prozent der Patienten in die Verlängerung ein, 1 Jahr später waren noch 89 Prozent der Patienten ohne Blutung. Das Fehlen von rektaler Blutung sei ein guter Indikator für eine endoskopische Heilung, wie Peyrin-Biroulet anmerkte. Diese Resultate zeigten gemäss dem Experten, dass Ustekinumab eine anhaltende Wirkung über mindestens 2 Jahre aufweist.
Langzeitbehandlung mit Vedolizumab
Auch Vedolizumab ist für die Behandlung der mittelschwe-
ren bis schweren Colitis ulcerosa zugelassen. Die subkutane
(108 mg alle 2 Wochen) und die intravenöse Formulierung
(300 mg alle 8 Wochen) wurden in der doppelblind random-
sierten Phase-III-Erhaltungstherapiestudie VISIBLE 1 gegen
Plazebo geprüft. Dabei zeigte sich, dass im Vergleich zu Pla-
zebo nach 52 Wochen signifikant mehr Patienten eine klini-
sche Remission, eine endoskopische Verbesserung und ein
anhaltendes klinisches Ansprechen erreicht hatten (7). Die
Nebenwirkungen waren zwischen den Gruppen ausgegli-
chen. Im Anschluss an diese Studie konnten die Patienten in
die Open-Label-Extension-Studie übertreten, deren Resul-
tate Prof. Séverine Vermeire, Universitätsspital Leuven (B),
am Kongress präsentierte. Dabei zeigte sich, dass die Remis-
sionsrate unter beiden Formulierungen nach 1 Jahr Weiter-
behandlung stabil blieb, ebenso die kortikosteroidfreie Re-
mission. Beides trifft auch für Patienten zu, die für die Remis-
sionsinduktion anfänglich etwas mehr Zeit benötigt hatten
(14 statt 6 Wochen). Die Resultate zeigen, dass mit Vedolizu-
mab s.c. oder i.v. eine klinische und steroidfreie Remission
über 2 Jahre erreichbar ist. Die beiden Formulierungen hät-
ten die Möglichkeit eröffnet, die Induktionstherapie intra-
venös zu beginnen und so zu einer raschen Remission zu
kommen und für die Erhaltungstherapie auf die subkutane
Form umzustellen – dies für die Patienten, die das möchten,
so Vermeire abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «IBD: Clinical trials II». United European Gastroenterology Week (UEGW),
10. bis 14. Oktober 2020, virtuell.
Referenzen: 1. Kucharzik T et al.: Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa (August
2019 – AWMF-Registriernummer: 021–009). Z Gastroenterol. 2019; 57(11): 1321–1405. 2. Roberts SE et al.: Mortality in patients with and without colectomy admitted to hospital for ulcerative colitis and crohn’s disease: record linkage studies. BMJ. 2007; 335(7628): 1033. 3. Lamb CA et al.: British Society of Gastroenterology consensus guidelines on the management of inflammatory bowel disease in adults. Gut. 2019; 68(Suppl 3): s1–s106. 4. Harbord M et al.: Third european evidence-based consensus on diagnosis and management of ulcerative colitis. Part 2: current management. Journal of Crohn’s and Colitis. 2017; 11(7): 769–784. 5. Sandborn WJ et al.: Tofacitinib as Induction and Maintenance Therapy for Ulcerative Colitis. N Engl J Med. 2017; 376(18): 1723–1736. 6. Sands BE et al.: Ustekinumab as Induction and Maintenance Therapy for Ulcerative Colitis. N Engl J Med. 2019; 381(13): 1201–1214. 7. Sandborn WJ et al.: Efficacy and safety of vedolizumab subcutaneous formulation in a randomized trial of patients with ulcerative colitis. Gastroenterology. 2020; 158(3): 562–572.e12.
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