Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Zitate eines Tages (es ist der 3. Januar und drei der Zitate stammen von Peter Bichsel) s «Hätten die Behörden nur halb so
hart gearbeitet wie die Vakzinehersteller, würde längst überall geimpft.» s «Die Pandemie bedeutet warten. Das hat sein Gutes: Das Warten macht die Zeit lang, und wenn die Zeit lang wird, lebt man länger.» s «Wir haben eine Regierung, die am Montag verkündet, sie werde am Freitag eine Sitzung haben und danach mitteilen, wie es weitergehe. Stellen wir uns vor, die Feuerwehr reagiere so: Es brennt jetzt, aber wir treffen uns erst in drei Tagen zum Löschen.» s «Wenn man dieses Krisenmanagement als Massstab nimmt, dann bin ich erstaunt darüber, dass die Eidgenossenschaft seit 1848 überhaupt überleben konnte.» s «Freiheit kann man nicht essen.»
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Lustiges von Corona? Doch das gibt’s! Herr Koch, der asketische Coronabeschwichtiger des BAG während der ersten Welle, erhielt die Aroser Humorschaufel. Wofür? Für seinen Humor natürlich, mit dem er an den täglichen Pressekonferenzen im Frühjahr den Journalisten erklärte, es eile nicht, man könne selbst bei exponentiellen Kurven ruhig zuschauen, abwarten und Tee trinken. Lustig war’s. Ausserdem erklärte er mit ernster Miene, Masken hätten keinerlei Nutzen. Zum Totlachen (oder -husten), wirklich; nur schon mit solchen Spässen hat er sich den Humorpreis redlich verdient.
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Die einen sagen’s zynisch und laut, die anderen verschweigen’s verschämt, aber im Ernst: Corona hat durchaus erwünschte Effekte: Die Alterspyramide wird schlanker, und die AHV wird weniger belastet.
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Zum (Un-)Wort des Jahres 2020 müsste man eigentlich das Adverb «nur» wählen. Weil es das am häufigsten unausgesprochene und ungeschriebene, aber trotzdem omnipräsente Wort ist, hin und wieder schlaumeierisch ersetzt durch ein abwiegelndes «vor allem». Beispiel gefällig? Voilà: «Es trifft ja ‹vor allem› die Alten.» (Ergänzung: In der Schweiz hätte auch das Wort «abwarten» gute Chancen, zum Wort des Jahres gewählt zu werden.)
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Seit Corona unser Leben weitgehend bestimmt, erweiterte sich unser Wortschatz um rund 1000 Wörter: Neologismen, aber auch altbekannte Wörter mit neuer Bedeutung hören und lesen wir täglich. Von der Alltagsmaske über die Coronalüge, den Ellbogengruss, das Geisterturnier, den R-Wert, das Schlafschaf, den Spuckschutz oder den Wellenbrecher-Shutdown bis zur Zwei-Haushalte-Regel. Hätten Sie genauso nebenbei 1000 Wörter Suaheli (Kiswahili) gelernt, wüssten Sie jetzt, was «Kaa na afya!» heisst, und könnten antworten: «Asante! Wao pia.»
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Onkel Hugo, grundsätzlich pharmakritisch: Ich vertraue vorläufig nur dem Pfizer-Impfstoff. Pfizer hat Viagra entwickelt. Und wer «Tote» zum Leben erwecken kann, kann wohl auch Lebende schützen.
Wer keinen Hunger mehr hat, ist satt. Was aber ist jemand, der keinen Durst mehr hat? Es gibt erstaunlicherweise im Deutschen kein Wort für «nicht mehr durstig». 1999 hatte der Duden zusammen mit Lipton (für Tee bekannt) einen Wettbewerb gestartet: Gewinnen sollte derjenige, der den besten Ausdruck für «keinen Durst mehr haben» fände. 45 000 Vorschläge wurden eingesandt, z. B. «sitt» (40-mal), aber auch «gecoked», «nimedu», «börps» oder «soff». Gewonnen hat «sitt», aber leider hat sich keines dieser Kunstworte je durchgesetzt. Offenbar haben die Nordländer mehr Sinn für den von uns nicht benennbaren Zustand. «Undurstig» heisst etwa in Norwegen «utørst» und bei den Färöern «òtystur».
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Nachbar Egon, kurz nach Jahresende: «Unsere Autos wurden seit 1995 durchschnittlich um 7 cm breiter. Genau wie ich.»
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Und das meint Walti: Egal, wie traurig du bist – im Kühlschrank brennt immer ein Licht …
Richard Altorfer
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8 ARS MEDICI 1+2 | 2021