Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Infektiologie
Selbst desinfizierende Schutzmaske aus der Schweiz
Drei Forschungsgruppen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und die Schweizer Firma Osmotex entwickeln zurzeit eine Schutzmaske, die elektrochemisch in wenigen Minuten sterilisiert werden kann, sogar während des Tragens der Maske. Die Markteinführung ist für das kommende Frühjahr geplant. Diese Maske sei weltweit die einzige, die sich rasch und zuverlässig elektrochemisch
Die Maske besteht aus einem mehrlagigen Textil, Elektroden und einer kleinen Batterie (Fotos: ZHAW/Hannes Heinzer).
sterilisieren lasse, sagte Trond Heldal, Mitbegründer von Osmotex. Man habe sich das Verfahren bereits patentieren lassen. Die Maske besteht aus einem mehrlagigen speziellen Stoff sowie Elektroden und einer Spannungsquelle. Zwischen zwei leitenden Schichten liegt eine isolierende Membran. Dank einer integrierten und über einen USB-Anschluss aufladbaren Batterie wird auf Knopfdruck eine elektrische Spannung von wenigen Volt angelegt. Diese erzeugt reaktive Sauerstoffmoleküle, die Viren und auch Bakterien zuverlässig inaktivieren. Auf diese Weise lässt sich die Oberfläche der Maske in wenigen Minuten sterilisieren. Die angelegte Spannung ist minimal, ebenso die Konzentration der erzeugten reaktiven Sauerstoffmoleküle, sodass das Verfahren für Menschen unbedenk-
lich ist. «Je nach Spannung und Aufbau des Textils erreichen wir eine Vireninaktivierung von über 99 Prozent, und zwar unter weit höheren Anforderungen und in kürzerer Zeit als für antivirale Textilien empfohlen», so ZHAW-Projektleiter Dr. Sebastian Opitz. Welche reaktiven Sauerstoffmoleküle produziert werden und wie effizient diese die Krankheitserreger inaktivieren, hängt von der eingesetzten Spannung und von den verwendeten Materialien ab. Zurzeit sucht man nach der optimalen Mischung für verschiedene Anwendungsbereiche, denn die Technologie könnte beispielsweise auch bei Sitzbezügen und anderen Textilien im öffentlichen Bereich eingesetzt werden. ZHAW/RBO s
Medienmitteilung der ZHAW vom 19. Januar 2021.
Ophthalmologie
Mehr Kurzsichtige wegen Quarantäne
In China erfolgte wegen der Coronaviruspandemie von Januar bis Mai 2020 ein kompletter Lockdown mit Schliessung der Schulen und strengen Quarantäneauflagen. Im Juni führte man an 10 Grundschulen in Feicheng, in der Provinz Shandong im Nordosten Chinas, bei rund 120 000 Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren die dort seit 2015 üblichen Sehtests durch. Bei den jüngeren Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren fand sich ein bedeutender Anstieg der Myopie im Vergleich zu den Vorjahren (–0,3 Dioptrien). Die Myopieprävalenz erreichte im Juni 2020 den höchsten seit 2015 ermittelten Wert. Sie betrug im Juni 2020 bei den 6-Jährigen 21,5 Prozent gegenüber 5,7 Prozent bei früheren Messungen. Auch bei den 7- und 8-Jährigen zeigte sich ein ähnlicher Effekt, wenn auch in etwas geringerem Ausmass (26,2% vs. 16,2% bzw. 37,2% vs. 27,7%). Bei den älteren Kindern war kein derartiger Anstieg der Myopie zu verzeichnen (1).
Generell ist die Myopie in China und anderen asiatischen Ländern weiter verbreitet als in Europa. So sind in China gut 80 Prozent der 13-Jährigen kurzsichtig, während die Prävalenz in diesem Alter in Europa bei 25 Prozent liegt. Trotzdem seien die Resultate der Studie besorgniserregend, heisst es in einem Kommentar (2). Die Daten aus China dokumentierten einen früheren Beginn der Myopie infolge der langen Quarantänedauer bei einem grossen Anteil der Kinder. Diese Altersverschiebung ist klinisch relevant, weil das definitve Ausmass der Myopie im Erwachsenenalter davon abhängt. Je höher der Refraktionsfehler ist, umso höher ist auch das Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie Netzhautablösung oder Glaukom. Dass insbesondere die jüngeren Kinder durch die Quarantäne vermehrt von Myopie betroffen sind, liegt vermutlich daran, dass sie in diesem Alter vulnerabler gegenüber Triggern sind, die
Kurzsichtigkeit fördern, wie wenig
Aufenthalt im Freien, häufiges und lan-
ges Fokussieren im Nahbereich (Lesen,
Tablets, Smartphones usw.). So zeigte
beispielsweise eine Studie in Sydney,
dass kurzsichtige Kinder ihre Augen
pro Tag 1,5 Stunden länger im Nah-
bereich strapazierten als die nicht kurz-
sichtigen Altersgenossen. Dieser Effekt
trat auch in dieser Studie nur bei 6-Jäh-
rigen, nicht aber bei den 12-Jährigen
auf (3).
RBO s
1. Wang J et al.: Progression of myopia in schoolaged children after COVID-19 home confinement. JAMA Ophthalmol. 2021; published online ahead of print, 2021 Jan 14.
2. Klaver CCW et al.: 2020 as the year of quarantine myopia. JAMA Ophthalmol. 2021; published online ahead of print, 2021 Jan 14.
3. French AN et al.: Risk factors for incident myopia in Australian schoolchildren: the Sydney adolescent vascular and eye study. Ophthalmology. 2013;120(10):2100-2108.
6 ARS MEDICI 1+2 | 2021
Neurologie
MS und die COVID-19-Impfung
Rückspiegel
Die Schweizerische Gesellschaft für Neurologie und die Schweizerische Multiple-Sklerose-Gesellschaft haben Empfehlungen zur COVID-19-Impfung für MS-Patienten formuliert. MS-Patienten sollten gegen SarsCoV-2 geimpft werden, besonders rasch diejenigen mit einem erhöhten Risiko für einen schwereren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung gemäss den klassischen Risikofaktoren. Auch ein höherer Behinderungsgrad sowie chronische Verläufe stellen für MS-Patienten ein erhöhtes Risiko für schwerere
COVID-19-Verläufe dar. Die Empfehlung zur Impfung gilt auch für Personen mit durchgemachter COVID-19-Erkrankung, weil die durch die Erkrankung erzielte protektive Immunität stark variiert. Die allgemeinen Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen sollten unabhängig von der Impfung fortgeführt werden (1). Gemäss EKIF gehören unter anderem Personen mit einer durch Therapie erworbenen Immundefizienz zu den «besonders gefährdeten Personen (BGP)» und somit in Bezug auf die Impfempfehlung zur «Priorität Gruppe 1: High Risk BGP». Diese Personen können ab Verfügbarkeit des Impfstoffs geimpft werden. Allein die Behandlung mit Interferon beta oder Glatirameracetat sei aber kein ausreichendes Kriterium, um zu der Risikogruppe mit höchster Impfpriorität zu zählen, heisst es in der Stellungnahme (1). Im Allgemeinen sollte die bestehende Immuntherapie der MS fortgeführt werden. Unter Therapie mit einem Interferon-beta-Präparat oder mit Glatirameracetat sei von keinem zusätzlich erhöhten Risiko (Infektionsrisiko und/oder schwerer Infektionsverlauf) auszugehen. Bei bestimmten Therapien, zum Bei-
Foto: Tumisu, pixabay.com
spiel mit immundepletierenden Medikamenten wie Alemtuzumab, Rituximab oder Ocrelizumab, sollte der Zeitpunkt der Therapie mit dem behandelnden Neurologen besprochen werden (1). Ergänzend wird in einer Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats der Schweizerischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft detaillierter auf einzelne MS-Medikamente eingegangen, für welche die Datenlage noch unzureichend ist (2): Dimethylfumarat und Teriflunomid sind vermutlich nicht mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf verbunden, vorausgesetzt, verschiedene Blutwerte (v. a. Lymphozytenzahlen) sind nicht reduziert. Auch scheint die Behandlung mit Fingolimod das Risiko eines schweren Infektionsverlaufs nicht zu steigern. Das Gleiche gilt für Natalizumab, die bisherigen Daten erlauben aber noch keine definitive Aussage. Keine gesicherten Rückschlüsse erlaubt die Datenlage für Ocrelizumab, Rituximab, Alemtuzumab oder Cladribin zu der Frage, ob diese Medikamente mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf verbunden sein könnten. MS-Betroffene, die mit diesen Therapien behandelt werden, sollten die Sicherheitsempfehlungen zum Schutz vor Infektionen besonders strikt einhalten (2). Sowohl der Impfentscheid als auch allfällige Anpassungen der MS-spezifischen Therapie sollten immer gemeinsam mit dem behandelnden Neurologen getroffen werden (1). RBO s
1. Anti-Sars-CoV-2 Impfung (Comirnaty®) und Multiple Sklerose. Stellungnahme der Schweizerischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft und der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft vom 11. Januar 2021
https://www.rosenfluh.ch/qr/stellungnahme
2. COVID-19: Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats der MS-Gesellschaft vom 11. Januar 2021
https://www.rosenfluh.ch/qr/empfehlung
Vor 10 Jahren
Haarfarbe aus DNA bestimmen
Am 4. Januar 2011 publiziert ein europäisches Team unter der Federführung des molekulargenetischen Forensikers Manfred Kayser eine Methode, mit der sich die Haarfarbe aus DNA-Spuren ablesen lässt. 13 Marker auf 11 Genen erlauben demnach eine Trefferquote von über 90 Prozent, wenn es um rotes oder schwarzes Haar geht; bei blondem oder braunem Haar liegt sie bei rund 80 Prozent. Bis anhin war es nur möglich, die Haarfarbe Rot in DNA-Spuren nachzuweisen.
Vor 50 Jahren
Pockenfreies Amerika
Nord- und Südamerika gelten ab 1971 als pockenfreie Region. Neun Jahre später, am 8. Mai 1980, teilt die WHO mit, dass die Pocken weltweit ausgerottet sind. Der letzte Fall von Variola major, den echten Pocken, wird 1975 aus Bangladesch berichtet. Das letzte bekannte Todesopfer der Pocken ist die Fotografin Janet Parker, die 1978 in England infolge einer Laborinfektion stirbt. Sie infizierte sich über Aerosole, die mit der Lüftung aus einem Pockenlabor in ihre Arbeitsräume im Stockwerk über dem Labor zogen. Der verantwortliche Laborleiter begeht Suizid.
Vor 100 Jahren
Röntgenkontrastmittel
Durch einen Zufall entdecken Jean Athanase Sicard und sein Schüler Jacques Forestier am Hôpital Necker in Paris, dass im Röntgenbild zuvor unsichtbare Strukturen mithilfe infundierbarer Lösungen sichtbar gemacht werden können. Sie entwickeln Lipiodol, ein jodiertes Mohnöl, das als Kontrastmittel in der Zerebrospinalflüssigkeit bis in die 1940er-Jahre für Myelografien verwendet wird. Sicard und Forestier verwenden Lipiodol auch zur Darstellung der Bronchien.
RBO s
ARS MEDICI 1+2 | 2021
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