Transkript
BERICHT
Arthrose
Was bei der medikamentösen Therapie zu beachten ist
Bevor als letzte Massnahme bei einer Arthrose eine Operation in Erwägung gezogen werden muss, steht eine Reihe anderer Optionen zur Verfügung. Was bei ihm auf nicht medikamentöse Massnahmen folgt, stellte Prof. Stefan Bachmann, Kliniken Valens, anlässlich der Medidays vor.
Die Arthrose (OA) ist die häufigste degenerative Erkrankung der Extremitätengelenke, neben Geschlecht und Alter spielen als Risikofaktoren Übergewicht, angeborene Gelenkdeformitäten und eine individuelle Gelenküberlastung eine Rolle, möglicherweise auch genetische Faktoren. Bei Gonarthrose ist die Beweglichkeit eingeschränkt, weiter findet man Krepitation, Gelenkdeformierungen und -fehlstellungen, eventuell Erguss mit Überwärmung und Synovitis sowie Bandlaxizität und Muskelschwäche. In der Bildgebung können Zysten, Osteophyten und ein verminderter Gelenkspalt sichtbar werden. Das bunte Beschwerdebild sei dadurch zu erklären, dass neben artikulären Strukturen auch periartikuläre Weichteile betroffen seien, erläuterte Bachmann. Nicht medikamentöse Massnahmen stehen an erster Stelle, dazu zählen Lebensstilveränderungen (mehr Bewegung, ggf. Gewichtsabnahme), Physiotherapie, gegebenenfalls Hilfsmittel/ Orthesen, Krafttraining, Elektrotherapie und Ultraschall.
Praktische Empfehlungen
1. Nicht medikamentöse Massnahmen 2. Applikation von topischen NSAR 3. Medikamentös 1. Wahl: Chondroitinsulfat (1 × 800/d
oder 2 × 500 mg/d, je nach Präparat) (Glucosaminsulfat [in der Schweiz nur als NEM erhältlich]) 4. Bei aktivierter Arthrose/ zu geringer Wirksamkeit der SYSADOA und lokaler Behandlung, zusätzlich: s Einsatz eines NSAR/Coxibs s intraartikuläre Kortikosteroide 5. Bei persistierenden Schmerzen und/oder zunehmender Einschränkung der Beweglichkeit: s intraartikuläre Hyaluronsäure 6. Evtl. Gabe von Ko-Analgetika s Antidepressiva s Antiepileptika 7. Operation erwägen
nach Prof. Bachmann
NEM: Nahrungsergänzungsmittel
Medikamentöse Therapie
SMOAD Für die medikamentöse Therapie kommen SMOAD (symptom modifying OA drugs) und SYSADOA (symptomatic slow-acting drugs for the treatment of OA) zur Anwendung. Zu den SMOAD zählen analgetisch wirksame Substanzen wie NSAR und Opioidanalgetika. Erstere werden bei leicht- bis mittelgradigen Arthrosen und geringen Beschwerden lokal appliziert, am besten untersucht sind Ketoprofen und Diclofenac. Bei fortgeschrittener/aktivierter Arthrose und stärkeren Beschwerden sollten NSAR per os verabreicht werden. Opioidanalgetika (als Mono oder Kombinationstherapie, ggf. auch intraartikulär) sind bei akuten Schmerzen kurzzeitig ebenfalls eine Option, vor allem bei kardiovaskulären Risikofaktoren. Paracetamol hingegen war Plazebo nicht überlegen (1), und Bachmann würde damit keine Neueinstellung mehr vornehmen. Bei guter Verträglichkeit und Schmerzlinderung könne es gegebenenfalls beibehalten werden, schliesslich werde in vielen Studien eine hohe Plazebo-Response hinsichtlich der Schmerzen beschrieben (2). Bei der Einnahme von NSAR sind potenzielle Nebenwirkungen an Nieren und Magen sowie die kardiovaskuläre Sicherheit zu bedenken, die Kosten sind in der Regel höher als bei topischer Anwendung. Orale Steroide haben bei Arthrose keinen Stellenwert. Intraartikuläre Kortikosteroide hingegen sind gemäss ACR, EULAR, OARSI und ESCEO bei aktivierten Arthrosen mit intraartikulärem Erguss indiziert. Sie sind kurzfristig wirksamer als Hyaluronsäure (HA) (3).
SYSADOA Zu den SYSADOA zählt Chondroitinsulfat (CS; 800–1200 mg/d, je nach Präparat und Studie), für das in mehreren Studien inklusive Metanalysen ein langanhaltender schmerzstillender und funktionsverbessernder Effekt gezeigt werden konnte (4, 5). In einer weiteren Studie entsprach der Effekt von CS 800 mg/d bei Gonarthrose bezüglich Schmerzen und Funktionsfähigkeit dem von Celecoxib 200 mg/d (6). Überdies liess sich ab Therapiebeginn über 2 Jahre die Abnahme der Gelenkspaltbreite, ein Surrogat-Marker für den noch vorhandenen Knorpel, bremsen bzw. verhindern (5). Verglichen
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FORTBILDUNG
mit NSAR, sei CS deutlich nebenwirkungsärmer, wie Bach-
mann anmerkte. Die Nebeneffekte, selten beschrieben und
beobachtet, betreffen den Gastrointestinaltrakt und sind meist
harmlos und reversibel.
Das SYSADOA Glukosaminsulfat (GS; 1500mg/d) zeigt im
Vergleich zu Plazebo einen kleinen bis moderaten positiven
Effekt bezüglich Schmerzen und Funktion und ist wie CS hin-
sichtlich der Schmerzlinderung mit den NSAR vergleichbar
(5). Auch GS zeigt einen Effekt auf die Verminderung der
Gelenkspaltweite (5). Die Wirksamkeit von HA bezüglich
Schmerz und Funktion wurde in plazebokontrollierten Stu-
dien und Metaanalysen gezeigt. Verglichen mit intraartikulä-
ren Kortikoiden, besteht nach 6 bis 12 Wochen ein Vorteil
zugunsten von HA (3).
s
Christine Mücke
Quelle: «Moderne nicht chirurgische Behandlung der Arthrose», Special Focus Symposium mit Unterstützung der Firma IBSA im Rahmen der ZAIM Medidays, 2./3. September 2020, virtuell.
Referenzen: 1. da Costa BR et al.: Effectiveness of non-steroidal anti-inflammatory drugs
for the treatment of pain in knee and hip osteoarthritis: a network meta-analysis. Lancet 2017; 390(10090): e21–e33. 2. Kivitz AJ et al.: Comparative efficacy and safety of celecoxib and naproxen in the treatment of osteoarthritis of the hip. J Int Med Res 2001; 29(6): 467–479. 3. HeWW et al.: Efficacy and safety of intraarticular hyaluronic acid and corticosteroid for knee osteoarthritis: a meta-analysis. Int J Surg 2017; 39: 95–103. 4. Honvo G et al.: Efficacy of chondroitin sulfate in patients with knee osteoarthritis: a comprehensive meta-analysis exploring inconsistencies in randomized, placebo-controlled trials. Adv Ther 2019; 36(5): 1085–1099. 5. Gregori D et al.: Association of pharmacological treatments with long-term pain control in patients with knee osteoarthritis: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2018; 320(24): 2564–2579. 6. Reginster JY et al: Pharmaceutical-grade chondroitin sulfate is as effective as celecoxib and superior to placebo in symptomatic knee osteoarthritis: the ChONdroitin versus CElecoxib versus Placebo Trial (CONCEPT). Ann Rheum Dis 2017; 76(9): 1537–1543.
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