Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Dem Rat von Anthony Hopkins nachzuleben war schon vor Corona nicht einfach. Es ist nicht einfacher geworden. Dabei rät uns der längst der Risikogruppe zugehörige englische Schauspieler doch genau das, was wir gerne hören wollen: «Keiner von uns kommt hier lebend raus. Also hört auf, euch wie ein Andenken zu behandeln. Esst leckeres Essen. Spaziert in der Sonne. Springt ins Meer. Sagt die Wahrheit, und tragt euer Herz auf der Zunge. Seid albern. Seid freundlich. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit.»
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«Cruises to nowhere» (Kreuzfahrten ins Nirgendwo) sind der neue touristische Renner. Jedenfalls bei den Singapuris. Das Angebot einer mehrtätigen Kreuzfahrt mit dem Luxusliner «World Dream» war jedenfalls innert Tagen ausgebucht. Start- und Endpunkt der Reise: der Hafen von Singapur. Angelegt wird nirgends, Landgänge gibt’s dementsprechend nicht. Und wegen Corona ist nur das halbe Schiff ausgelastet. Toll. Und weil das neue Kreuz(-und-quer-aufdem-Meer-herum)-Fahren in Asien dermassen Anklang fand, haben auch einige der coronagebeutelten Fluggesellschaften neue Angebote entwickelt. Die australische Quantas etwa bietet neu achtstündige Rundflüge im Boeing-787-9Dreamliner an, auf denen man in minimaler Höhe über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Down Under düst. Great Barrier Reef, Ayers Rock, Blue Mountains, Sidney Opera House und Outback mit Kängurus und Kamelen von oben inklusive. Na ja, nicht überall führt Corona zu einer Entschleunigung.
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Weitaus klimaschonender denkt die digitale Konkurrenz. Der nächste Schritt in der touristischen Entwicklung könnten die virtuelle 3-D-Besteigung des Mount Everest («trekking to heaven»), ein Trip durch die Sahara («desert torture») oder quer durch den Amazo-
nas-Urwald («jungle days») sein. In Originalausrüstung, mit eingeflogenen einheimischen Guides, simulierter Kälte oder Hitze, Moskitos aus dem Virtual Design Studio, mit ärztlicher Begleitung, und alles in «real time» natürlich. Anreise nicht nach Katmandu, Marrakesch oder Manaus mit Lufthansa, Easyjet oder British Airways, sondern per Tram zur Maag-Halle. Oder ins St.-Jakob-Stadion. Auf Wunsch mit simulierter Malaria oder Lebensmittelvergiftung, Entführung durch Terroristen (Verlängerung maximal 10 Tage). Abbruch und Heimreise (auch per Taxi) jederzeit möglich. Erinnerungs-CD gratis dazu.
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Die einen (die Idealisten?) handeln nach dem Motto: «Ich will morgens in den Spiegel schauen können!» Die andern (die Pragmatiker?) leben nach dem Motto: «Ich will morgens aus dem Fenster schauen können!»
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«Blasphemie» (Gotteslästerung) gibt es in Frankreich seit 1791 nicht mehr als Straftatbestand. Jahrhundertelang wurden die Menschen wegen der «Sünden des Mundes» mit Abschneiden der Zunge oder Zunähen der Lippen bestraft – oder gleich umgebracht. Frankreich ist das Land Europas, das den aufklärungsfeindlichen (religiösen) Tendenzen am konsequentesten Einhalt gebot. Religion und Staat sind getrennt; die verfassungsmässig garantierte Meinungsfreiheit erlaubt, sich auch über religiöse Führer, Gott und Götter lustig zu machen. Charlie Hebdos Karikaturen sind dafür tragischerweise weltberühmt geworden. Natürlich gab es schon immer Menschen, die göttliche Majestätsbeleidigungen nicht einfach hinnehmen. Katholiken etwa klagten mehrfach gegen Filmemacher oder Autoren, weil sie deren Werke für gottes- oder papstlästernd hielten. Im radikalen Islam wählt man einen unmittelbareren und radika-
leren Weg: Man klagt Künstler und Politiker (sowie neuerdings Lehrer, die über Meinungsfreiheit diskutieren) nicht an – man murkst sie ab. Humorlos, bevorzugt durch Halsabschneiden. Es ist zu hoffen, dass die französische Gesellschaft und Politik derartige Entwicklungen ebenso radikal beenden und die Freiheit, Religionen zu kritisieren, ebenso schützen wie die Religionsfreiheit. Total humorlos.
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Es gibt ihn noch, den zynischen Humor bei Frauen. Etwa bei Eva (er wäre auch der frivolen Gisela zuzutrauen, aber nein, diesmal ist sie’s nicht): «Liebe Männer, ich möchte mich bedanken, dass ihr so oft mit einem kurzen Blick kontrolliert, ob unsere Brüste noch da sind. Das ist lieb.»
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Das meinte ein guter alter Freund: Mein Tipp des Tages: Falls ihr mal jemandenvergraben müsst, pflanzt geschützte Pflanzen drauf. Dann darf an dieser Stelle niemand graben!
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Glücklich, wer ob solcher Geschichten noch lachen kann: «Wie heissen Sie?» – «Müller, ohne ‹P›». – «Aber in ‹Müller› hat’s ja gar kein ‹P›» – «Eben, sag ich ja.»
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Und das meint Walti: Löse nie ein Problem, das keiner hat!
Richard Altorfer
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ARS MEDICI 22 | 2020