Transkript
BERICHT
Impfungen
Auch bei Erwachsenen ein wichtiges Thema
Die aktuellen Impfempfehlungen des BAG für Erwachsene waren Gegenstand des Vortrags von Prof. Dr. med. Martin Krause, Kantonsspital Münsterlingen, an einer Veranstaltung des Forums für medizinische Fortbildung. Er zeigte anhand von Fallbeispielen, welche Impfungen Sie Ihren Patienten in unterschiedlichen Lebensabschnitten nahelegen sollten.
Das BAG unterscheidet bei seinen Empfehlungen verschiedene Kategorien, und zwar Basisimpfungen, Ergänzungsimpfungen sowie Impfungen in Risikosituationen. Als Basisimpfungen gelten für Erwachsene die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis sowie die Influenzaimpfung. Als ergänzende Impfung zählen die Impfungen gegen das humane Papillomavirus sowie gegen Herpes Zoster. Immer gilt das gleiche Grundprinzip: Halten Sie sich an das Impfschema, die empfohlenen Zeitabstände dürfen allenfalls länger, aber nie kürzer sein. Auch die Applikation sollte gemäss Vorschrift intramuskulär oder subkutan erfolgen, die Immunogenität ist nicht dieselbe, wie Krause zum Einstieg erläuterte.
Beratung einer 48-jährigen Frau
Eine 48-jährige Frau kommt mit der Frage in die Praxis, ob sie auch in ihrem Alter noch Impfungen zu berücksichtigen habe. Selbstverständlich lautet die Antwort «Ja», denn auch in diesem Alter gibt es empfohlene Basisimpfungen, nämlich die Impfungen gegen Diphtherie und Tetanus. Der Schweizerische Impfplan sieht vor, dass nach der letzten Impfung gegen Diphtherie/Tetanus/Pertussis (dTpa) mit 25 Jahren alle 20 Jahre eine Auffrischung der Impfung gegen Diphtherie und Tetanus (dT)* erfolgen sollte, also mit 45 und mit 65 Jahren. Im Fall einer Verletzung erfolgt bei einer sauberen Wunde eine DiTe-Auffrischung, falls die letzte Impfung 20 Jahre oder länger zurückliegt; ist die Wunde schmutzig, sollte bereits dann eine Auffrischung erfolgen, wenn die letzte Impfung 10 Jahre oder länger zurückliegt. Bei Patienten mit Immunsuppression sowie bei Reisen in Diphtheriehochrisikogebiete ist eine Auffrischung alle 10 Jahre empfohlen. Seit 2010 ist bei den Pertussiserkrankungen in der Schweiz wieder ein steigender Trend zu beobachten. Da Pertussis keine reine Kinderkrankheit ist, wird auch Erwachsenen eine Pertussisimpfung empfohlen. Zum einen profitiert der Erwachsene selbst, da der Schutz der Impfung im Erwachsenenalter abnimmt. Zum anderen aber dient die Impfung insbe-
* Derzeit ist nur ein Kombinationsimpfstoff für eine Dreifachimpfung dTpa vorhanden.
sondere dem Schutz der Säuglinge. Der azelluläre neue Pertussisimpfstoff (pa) sei gut verträglich, so Krause. Eine Auffrischung dieser Basisimpfung sollte bei Erwachsenen im Alter von 20 bis 29 Jahren stattfinden. Unabhängig vom Alter sollte eine Auffrischung bei Kontakt mit Säuglingen dann erfolgen, wenn eine Impfung 10 Jahre oder länger zurückliegt. Als ergänzende Impfung wird die FSME-Impfung denjenigen empfohlen, die sich gern draussen bewegen, und zwar mittlerweile fast flächendeckend (in allen Kantonen ausser Genf und Tessin). Dafür stehen zwei Impfstoffe zur Verfügung, FSME immun® CC (0, 1 und 6 Monate) und Encepur® (0, 1, 10 Monate). «Schnellschemata sind ebenfalls möglich, wenn man sich im Sommer noch schützen möchte», wie der Experte anmerkte.
76-jähriger Mann mit Komorbiditäten
Ein 76-jähriger Patient mit Diabetes mellitus und Hypertonie, antikoaguliert, ist überzeugt davon, dass in seinem Alter keine Impfungen mehr erforderlich seien. Ist das wirklich so? Mitnichten. Bei den Älteren werden die Intervalle eher wieder kürzer, weil das Immunsystem früher einen erneuten Boost brauche, erklärte Krause. Bei den über 65-Jährigen ist eine Diphtherie- und Tetanusauffrischung deshalb alle 10 Jahre empfohlen. Ist jemand gern draussen, sollte er sich je nach Wohnort auch gegen FSME impfen lassen und bei Kontakt zu Säuglingen ebenfalls gegen Pertussis. Bei dem 76-Jährigen ist eine weitere ergänzende Impfung wichtig, nämlich eine Impfung gegen Herpes Zoster. Derzeit in der Schweiz noch eine Lebendimpfung (Zostavax®), wird sie allen Personen zwischen 65 und 79 Jahren einmalig empfohlen. Die Impfung kann das Ausmass des Ausschlags verringern, die «number needed to treat» beträgt 71. Postherpetische Neuralgien können invalidisierend sein, und sie kommen bei alten Menschen häufiger vor als bei Jüngeren, so der Experte. Er hoffe, dass auch in der Schweiz bald der rekombinante Herpes-Zoster-Impfstoff Shingrix® verfügbar sein wird. Dieser hat in Studien bei Patienten über 50 Jahren gegenüber Plazebo eine gute Wirksamkeit gezeigt (1). Dafür bedarf es 2 Dosen im Abstand von 2 bis 6 Monaten. Die Kurve der kumulativen Ereignisse verlief bei Patienten über
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BERICHT
Impfempfehlungen für Erwachsene
Impfung
Wann
Auffrischung
Diphtherie/Tetanus 25 Jahre
20–20–10 Jahre
Pertussis
25 Jahre
> 10 Jahre
Schwangerschaft
HPV
< 26 Jahre – (Mann und Frau) Influenza jährlich jedes Jahr neuer Impfstoff > 65 Jahre
Schwangerschaft
FSME
bei Bedarf
alle 10 Jahre
Herpes Zoster
> 65 Jahre
–
Gemäss Vortrag an der FOMF-Fortbildung Innere Medizin, 25. Juni 2020, in Anlehnung an die BAG-Empfehlungen 2020 (2).
70 Jahren mit der Impfung nach 4 Jahren deutlich flacher als unter Plazebo, wo sie weiter anstieg (1).
Auch an Grippe- und Pneumokokkenimpfung denken
Bei Patienten über 65 Jahren wird ebenfalls eine jährliche Impfung gegen Influenza und bei Risikogruppen auch eine Impfung gegen Pneumokokken empfohlen. Zur Risikogruppe zählen Patienten mit Herzinsuffizienz, einer Lungen-, Leber- oder Nierenerkrankung, einem Diabetes mellitus oder einer schweren Adipositas (BMI > 40) sowie Patienten mit Neoplasien, einer Asplenie (Sichelzellenanämie und Zöliakie) und Patienten unter Immunsuppression. All diese Patienten sollten heute einmalig den Konjugatimpfstoff (Prevenar 13®) erhalten, so der Experte. Auch bei antikoagulierten Patienten ist die intramuskuläre Applikation des Impfstoffs möglich: Gemäss BAG mit einer langen dünnen Nadel (25G) in den M. deltoideus, ohne zu aspirieren, im Anschluss sollte man 2 Minuten lang komprimieren.
Was tun bei einer 32-jährigen Frau in der 15. SSW?
Auch während einer Schwangerschaft werden zwei Impfungen explizit empfohlen. Zum einen ist das die Influenzaimpfung, wenn man in der Influenzasaison schwanger ist. Diese Empfehlung gilt für alle Frauen unabhängig vom Alter. Die Impfung gegen Influenza sei grundsätzlich in allen Trimestern möglich, auch wenn er rate, nach Möglichkeit im ersten Trimester eher davon abzusehen, so Krause. Zum anderen ist es die Pertussisimpfung zum Schutz des Kindes, und zwar unabhängig davon, wie lange die letzte Pertussisimpfung zurückliegt. Die Impfung sollte im 2. Trimester mit dem Impfstoff dTpa erfolgen.
Schweizer Impfplan 2020
https://www.rosenfluh.ch/qr/impfplan2020
Über Impfungen auch mit jungen Erwachsenen sprechen
Auch bei jungen Erwachsenen sollte das Thema Impfen angesprochen werden. Diese Altersgruppe denkt eher nicht selbst daran – ist doch das allgemeine Impfprogramm mit 15 Jahren abgeschlossen. Dennoch sollte 10 Jahre später eine Auffrischung der Basisimpfung gegen Diphtherie/Tetanus/ Pertussis erfolgen. Ergänzend sollte man nachfragen, ob bereits im Kindesalter eine Impfung gegen das humane Papillomavirus erfolgt ist. Ist das nicht der Fall, kann eine solche noch bis zum Alter von 26 Jahren nachgeholt werden (Impfschema 0-1-6 Monate). Heute ist eine Impfung gegen 9 HPV-Typen möglich, die nicht nur für schmerzhafte Genitalwarzen, sondern bei Frauen auch für ein Zervixkarzinom verantwortlich sein können. Sowohl Männer als auch Frauen haben das Recht auf diese Impfung. Bei allen jungen Menschen, die nicht im Tessin oder im Kanton Genf zu Hause sind, sollte eine FSME-Impfung in Betracht gezogen werden, wenn sie in der Natur unterwegs sind.
Impfungen vor einer Schwangerschaft
Vor einer Schwangerschaft sollte bei Frauen mit Kinder-
wunsch der Impfschutz überprüft werden. Wichtig ist dabei
der Blick auf die Masern-Mumps-Röteln-(MMR-)Impfung:
Sind 2 Dosen gegen jede der 3 Komponenten dokumentiert?
Wie steht es mit den Varizellen: Wurde die Krankheit durch-
gemacht (das weiss meistens die Mutter der Frauen), liegt
eine Immunität vor (IgG), oder gibt es auch hier 2 dokumen-
tierte Impfungen? Die dritte Impfung, die vor einer Schwan-
gerschaft empfohlen wird, ist die Impfung gegen Hepatitis B.
Ist der MMR-Impfschutz nicht gegeben, müssen 2 Dosen des
attenuierten Lebendimpfstoffs im Abstand von 1 Monat
appliziert werden – mit dem Ziel der Herdenimmunität be-
ziehungsweise als Schutz vor einem schweren Verlauf. Auch
die Varizellenimpfung ist eine Lebendimpfung und muss
deshalb vor Beginn einer Schwangerschaft mit 2 Dosen in
1 Monat Abstand erfolgen, falls der Impfschutz diesbezüg-
lich Lücken aufweist.
Falls noch nie eine Hepatitis-B-Impfung erfolgt ist, wird diese
bei Personen ab dem 16. Lebensjahr mit 3 Dosen nachgeholt
(0-1-6 Monate). Titerkontrollen werden nur bei Personen
angeraten, die im Gesundheitsbereich arbeiten, da man in
dieser Risikogruppe sicher gehen möchte, dass ein Impf-
schutz gegeben ist.
s
Christine Mücke
Quelle: «Impfen bei Erwachsenen», Vortrag im Rahmen des FOMF Innere Medizin vom 25. Juni 2020.
Referenzen: 1. Cunningham AL et al.: Efficacy of the herpes zoster subunit vaccine in
adults 70 years of age or older. N Engl J Med 2016; 375(11): 1019–1032. 2. Schweizer Impfplan 2020; https://www.rosenfluh.ch/qr/impfplan2020
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